Foto: unsplash - Amaan Hai

Nie etwas verpassen: Warum mir meine Rastlosigkeit die Energie nahm

Unsere Community-Autorin Lennox hat ihn: Diesen Freind – Freund und Feind zugleich. Er lässt sie nie alleine, sorgt dafür, dass sie nichts verpasst. Sein Name: Rastlosigkeit.

Die Angst etwas zu verpassen

Seit Jahren begleitet er mich. Und ehrlich gesagt, weiss ich gar
nicht mehr, wie sich ein Leben ohne ihn anfühlt. Er weckt mich morgens mit der
#fomo (fear of missing out), um mich daran zu erinnern, warum ich jetzt
unbedingt sofort aufstehen sollte. Er sorgt tagsüber für konstantes
Entertainment (wer braucht schon Mittagsschlaf?) und lässt mich auch nachts in
meinen Träumen nicht alleine. Mein Freind, die Rastlosigkeit.

Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern, wann ich dich
kennengelernt habe. Auf einmal warst du da und ich fand dich toll. Du warst
mein persönlicher „Energydrink”. Egal was los war, wir waren dabei.
Immer und überall am Start – bloß nichts verpassen. Aber wie das so ist, man
wird älter und Energydrinks schmecken irgendwann nicht mehr so gut – zu süß,
klebrig, irgendwie überdosiert. Trotzdem kommt man nicht davon los.

Statt Partys sind es jetzt Reisen. Überall und nirgendwo auf der
Welt zu Hause, hauptsache nicht sesshaft werden. Höher, schneller, weiter.
Meine Freunde fragen sich schon, woher ich die Energie nehme. Ich weiß es
selbst nicht so genau. Aber ich kann nicht anders. Denn mein Freind zieht
bereits nervös an meinem Ärmel, bereit für das nächste Abenteuer. Bloß nicht
müde werden! „Komm schon, komm schon, flüstert er in mein Ohr.”

Was aber, wenn eine Beziehung auf einmal mehr Energie zieht, als dass sie gibt? Von langjährigen Begleitern trennt man sich nicht einfach so.
Gemeinsame Erinnerungen schweißen doch zusammen und trotzdem wird mir langsam bewusst, dass wir uns irgendwie auseinandergelebt haben. Immer nur unterwegs sein, ja nichts verpassen. Irgendwie macht mich das mittlerweile eher müde. Es fühlt sich nach Wiederholungsschleife an und trotzdem liegt mir irgendwie noch zu viel an der Freindschaft, als dass ich sie einfach so aufgeben könnte.

Aber vielleicht muss ich das auch gar nicht. Vielleicht nehmen wir einfach etwas Abstand, treffen uns nicht mehr so häufig und wenn wir uns treffen, dann so richtig. Gute Freundschaften fangen doch auch genau da wieder an, wo sie beim letzten Treffen aufgehört haben. Kein stundenlanges, oberflächliches
Rumgelaber, sondern von Anfang an volle Intensität. So, als hätte man sich erst
gestern gesehen. Mein Freind, ich möchte dich nicht verlieren, nur etwas
Abstand nehmen. Ich denke, dass würde unserer Freindschaft gut tun, denn
schließlich wollen wir doch noch so viel miteinander erleben.

Hasta luego Rastlosigkeit, wir sehen uns. Von Zeit zu Zeit. …

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