Foto: Sean Roy | Unsplash

Tess Holliday: „Als Mutter versucht man sein Leben einfach nur irgendwie hinzubekommen“

Am Limit mit den Kräften – Plus-Size-Model Tess Holliday hat einen bewegenden Post veröffentlicht, in dem sie beschreibt wie das Leben als Mutter und arbeitende Frau in der Öffentlichkeit sie über ihre Grenzen hinausbringt.

 

„Das ist die Wahrheit über das Leben als Mutter“

Mutter sein, den eigenen Ansprüchen und jenen des Kindes gerecht werden, wenig Schlaf. Frau, Partnerin und Mitarbeiterin sein, Erziehungsarbeit, trotzige Kindertränen, ein kränkelndes Würmchen, neue Geldsorgen … all das ist ein Leben, das sehr harte Arbeit bedeutet. Um das zu verstehen, muss man keine eigenen Kinder haben und auch keine Mutter sein, die dem Mommyjacking frönt. Es ist einfach so. Und doch, und das ist die Krux, wird quasi von allen um sie herum vorausgesetzt, dass das mit Links und ohne viel Murren zu schaffen ist. Ohne, dass man als Außenstehender von den Sorgen und Nöten viel mitbekommt. Denn sorry, du hast dich doch für ein Kind entschieden, oder?

Ja, so ist das. Und doch ist es nicht zu ertragen, dass das wirklich ein Argument dafür sein sollte, Mütter und auch Väter mit diesem Druck allein zu lassen und ihnen das Gefühl zu geben, dass wenn sie überfordert sind, besser kein Kind bekommen hätten. Das ist Bullshit. Mama sein, Eltern sein, das ist phasenweise verdammt schwer – und das darf man auch genauso zum Ausdruck bringen.

Das Leben zwischen Familie und Beruf ist ein Kraftakt

Und genau deshalb sind öffentliche Stimmen wie jene des Plus-Size-Models Tess Holliday (mehr über diese tolle Frau erfahrt ihr hier) so wichtig. Sie hat in dieser Woche einen sehr bewegenden Post zum Thema Mutterschaft auf Facebook veröffentlicht, der mehr als deutlich macht, welchen Kraftakt sie gerade jeden Tag leisten muss – und wie ihr das selbst ganz lange gar nicht bewusst war, sie einfach funktionierte, statt zu hinterfragen wie es ihr selbst wirklich geht. Sie schreibt:

„Ich bin seit drei Uhr früh wach und immer, wenn ich Bowie versuche wirklich zum Schlafen zu bringen und ihn hinlege, dann wacht er auf. Er zahnt gerade und hat keine Ahnung, dass ich heute arbeiten muss. An den meisten Tagen kann ich 15 Stunden arbeiten, kümmere mich um beide Jungs, trage etwas Lippenstift auf und komme damit klar. An den meisten Tagen trinke ich meinen Kaffee und lächle über die kleinsten Dinge, die er macht und denke dabei, dass das, das Schönste auf der Welt ist – aber nicht heute. Ich weine seit fast zwei Stunden und ich weine, während ich das schreibe. Ich habe meine Grenze erreicht, habe sie überschritten, wenn ich ehrlich bin. Mein Selbstbewusstsein hat mit dieser Geburt Kratzer bekommen und ich habe erst heute morgen realisiert, warum.“

Und weiter:

„Der Druck, schön aussehen zu müssen, um mein Geld zu verdienen, ist mir derzeit zu viel. Wenn das Gesicht wegen der Still-Hormone voller Pickel ist, man total fertig wegen des Schlafentzugs ist, man Augenringe hat, gerötete Haut und um es rund zu machen auch keinerlei Energie, um Sport zu machen oder überhaupt das Bett zu verlassen. Wie soll man da weiter im Alltag bestehen? Wie soll man sich in seiner eigenen Haut wohlfühlen und nicht als würde man den Kunden hängen lassen, weil man völlig fertig und zerzaust zum Termin auftaucht?“

Der Druck, der durch Selbstwahrnehmung und gewünschte Außenwirkung entsteht

Ja, Tess Holliday hat eine Karriere gewählt, bei der das Aussehen eine entscheidende Rolle spielt. Aber bedeutet das, dass es nun ihre Schuld ist, dass es ihr so schlecht geht? Und in welchem Beruf spielen Aussehen und Auftreten eigentlich keine Rolle – geschweige denn die Energie, um wirklich anpacken zu können?

„Ja, ich habe eine Karriere gewählt, die sich um mein Aussehen dreht und ich bin die Erste, die sagt, dass Schönheit nicht das sein sollte, was dich antreibt. Und auch für mich ist das sicher nichts, was mich motiviert. Aber wo ist die Grenze als arbeitende Mutter in einer Branche, die so kritisch ist wie meine? Die Balance? Das Mitgefühl? Wird es überhaupt in irgendeinem Beruf hingenommen, dass du fertig auftauchst, weil deine Kinder dich nicht haben schlafen lassen und du eigentlich nur unter die Decke kriechen und weinen willst? Nicht in vielen, würde ich sagen. Ich hoffe, dass sich das eines Tages ändert und die Gesellschaft Mütter als die unperfekten Menschen akzeptiert, die wir sind, während wir versuchen, einfach nur alles irgendwie hinzubekommen – ganz wie jeder andere auch.“

Also ein Appell an uns alle: Statt wegzuschauen oder das Elterndasein kleinzureden, wie wäre es damit, dass wir helfen, es einfacher zu machen? Mit Verständnis, mit Unterstützung oder einfach nur damit, dass wir diese Aufgabe so ernst nehmen, wie sie eben ist.

Quelle: Tess Holliday | Facebook

Hier könnt ihr ihren Post im Original lesen.

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