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Warum „Popfeminismus“ eine gute Sache ist – auch wenn ihn nicht alle mögen

Der Feminismus macht ja immer irgendetwas falsch: Entweder er ist zu streng oder zu naiv. Warum hat er es so schwer?

 

Feminismus in der Auslage

In einem Klamottenladen läuft ein Lied. Zwischen den Haufen voller T-Shirts und aufgeregten Teenagern bleibe ich stehen und horche bei dem  Hintergrundgedudel auf, als ich die Zeilen höre:  

„I don’t want nobody perfect, no, and I want to go deeper, down with you.
So pull me beneath the surface, Even if it hurts […]
If you wanna keep me, go too far.“

„I don’t want nobody perfect, no, and I want to go deeper, down with you.
So pull me beneath the surface, Even if it hurts […]
If you wanna keep me, go too far.“ 

„I don’t want nobody perfect, no, and I want to go deeper, down with you.
So pull me beneath the surface, Even if it hurts […]
If you wanna keep me, go too far.“ 

Ich ergoogle später, dass das Lied Dark Side heißt und von Phoebe Ryan gesungen wird. Jetzt stehe ich erstmal noch in dem Klamottenladen und frage mich grade, ob niemand sonst das irgendwie blurred-lines-mäßig „rapey” findet, als mein Blick auf einen Kleiderständer fällt. Dort hängen reihenweise Girlie-Shirts mit der Aufschrift: „I only date Feminists“.

Feminismus: Der Endgegner 

Irgendwas macht der Feminismus ja immer falsch. Mal ist er zu aggressiv, mal zu zahm. Er kümmert sich ewig um die falschen Fragen, ist zu elitär oder zu stumpf. Sind seine Idole abseits vom Mainstream, gelten sie als abschreckend; sind sie auf den Titelbildern von Magazinen, sind sie zu angepasst. Ich persönlich habe einen besonderen Platz in meinem Herzen für Typen, die mir erklären, was der Feminismus tun müsste/könnte/sollte, damit er endlich mal Erfolg hat: Wenn die Feministinnen nur freundlicher wären! Wenn sie auch mal auf die Kacke hauen würden! Auf die Straße gingen (aber nicht mit den albernen pinken Mützen)! Sich großflächig zusammenschließen würden (aber doch bitte nicht so Bla-Botschaften formulieren)! Sich auch mal zurücklehnen würden! Wenn sie einfach in die MINT-Fächer gingen, statt Gender zu studieren! Dabei wäre es vielleicht am hilfreichsten, wenn die ganzen Leute, die immer von außen am Feminismus rumnörgeln, mal ein bisschen konstruktiv oder wenigstens still wären.

Natürlich ist Kritik wichtig, aber eben auch woher sie kommt. Spricht da eine Person, die sich mit verschiedenen Strömungen und Ideen auseinandergesetzt hat? Oder ist der Anlass ein genereller Eindruck, den man nach so ein paar Tweets bekommen hat. Vielleicht hat auch jemand die extremsten Tumblr-Blogs gesucht und betitelt seine Screenshots mit „Triggered“ und „Did you just assume my gender“. Dann streitet er sich mit Leuten, die das nicht lustig finden und liefert damit den vollen Beweis, dass Feministinnen nun mal humorlose Faschistinnen seien.

Was soll denn Popfeminismus überhaupt sein?

In letzter Zeit hört man immer wieder von einer neuen Form des Feminismus, der sowohl aus den eigenen Reihen, als auch von außen kritisch beäugt wird: Dieser Popfeminismus ist zu knallig, zu pink, zu angepasst, zu unernst, zu privilegiert, zu kapitalistisch, zu vermarktbar. Schwierig bei seiner Bewertung ist unter anderem, dass sich in ihm politischer Anspruch und persönlicher Geschmack kreuzen. Finde ich Empowerment von Frauen politisch richtig? Ja. Finde ich pinke Ketten auf denen GIRL POWER steht hässlich? Ebenfalls ja.

Wie diese Form sich von allen anderen Formen abgrenzen lässt, ist allerdings überhaupt nicht klar. Es geht diffus um Freundlichkeit, Positivität und Konsum. Ist ein feministischer Blogbeitrag in einfacher Sprache schon Popfeminismus? Oder müssen dafür mindestens ein paar Gifs eingebunden sein?


Ist ein Magazin, das sich bemüht nicht so hart sexistisch zu sein, schon Pop – oder überhaupt feministisch? Bezeichnet Popfeminismus lediglich eine Marketingstrategie, um Revolutionschic auf Ramsch zu drucken? Wäre dem so, ginge es ja eher darum, eine Konsumkritik zu formulieren; egal ob da Feminismus auf dem T-Shirt steht oder Anarchie oder Iron Maiden. Kritisiert wird aber oft nicht der Kapitalismus, sondern der Feminismus. Es hat auch noch nie jemand den Untergang der anarchischen Bewegung besungen, bloß, weil deren Logo mal auf einem H&M-Shirt war.

Wann ist Feminismus „Pop” und wann Pop Feminismus?

„Pop“ selbst ist ja erstmal nur die Reduzierung eines komplexen Gegenstands auf ein wiedererkennbares Merkmal, was es erlaubt den Gegenstand immer wieder leicht zu reproduzieren. Da wo wirre Haare und Zunge sind, ist Albert Einstein. Leberfleck und wehendes Kleid sind Marilyn Monroe und ein roter Blitz ist Bowie. Aber was ist Pop am Feminismus? Auf welches Symbol kann man ihn reduzieren, damit er jederzeit und überall reproduziert werden kann? Oder genauer: Welche Formel können wir finden, mit der wir alle dasselbe meinen? Im Grunde scheitert man schon hier. Selbst, wenn Beyoncé vor den riesigen Buchstaben FEMINIST tanzt, fragen Leute noch, ob das überhaupt Feminismus ist.

Dafür scheint der Begriff Popfeminismus erfunden worden zu sein: Feminismus, von dem man sich nicht ganz sicher ist, ob er welcher ist, was den Begriff im selben Atemzug wieder überflüssig macht. Geht es um reine Symbolik, hinter der keine gedankliche Arbeit steht, ist es irgendwie kein Feminismus. Geht es dagegen um eine Handlung, hinter der eine ehrliche Auseinandersetzung mit sich und den bestehenden Bedingungen steckt, wurde die Entscheidung dazu mit vollem Einverständnis getroffen und schadet man dadurch niemandem (sondern hilft vielleicht sogar), dann ist das circa feministisch. Und vor allem nicht weniger legitim, bloß weil der Hut bunt oder der Rock kurz ist.

Wie sehr muss die Feministin leiden?

Ein beliebter Vorwurf gegen Feministinnen ist es, dass sie immer so verbissen sind. Lustfeindlich, männerfeindlich, unlustig. Die Frage, die bei der Bewertung des „Emanzipationslevels“ einer Frau im Zentrum steht, bleibt meist unausgesprochen: Wie viel Opfer bringt sie für ihren Feminismus? Je mehr Entsagung, desto mehr Emanzipation. Man schminkt sich nicht, rasiert sich nicht die Beine, hat Karriere statt Kinder, guckt nur Filme, die den Bechdel-Test bestehen und ist immer komisch verkopft und intellektuell. Dabei werden diese Dinge natürlich auch individuell völlig unterschiedlich als befreiend oder einschränkend oder einfach egal empfunden. Die Frauen, die sich aktiv in anderen Kategorien bewegen und sich auch als Feministinnen bezeichnen, scheinen unter dem Popfeminismus gesammelt zu werden. Die einen diskreditiert man als lust-, männerfeindlich und elitär und die anderen als unernst, schlampig und kindisch.

Feminismus hat letztlich weniger mit Entsagung zu tun, als mit Reflexion. Auch die kann schmerzhaft sein, weil man plötzlich erkennt, dass man in der letzten Beziehung irgendwie in eine Rolle gerutscht ist, in die man nicht wollte, oder dass man es nicht schafft, um eine Gehaltserhöhung zu bitten, oder dass man aus Versehen dieses Jahr nur Bücher von Männern gelesen hat. Es kann dazu führen, dass man bestimmte soziale Zirkel meidet – das allerdings nicht aus Entsagung, sondern aus Selbsterhaltung.

Bestehende Strukturen in Frage zu stellen, geht immer auch mit persönlicher Entwicklung einher. Wo hat man selbst stereotype Ideen von Männern und Frauen internalisiert? Wie lassen sie sich auflösen, damit man am Ende nicht genau das reproduziert, was man versucht zu bekämpfen? Das ist immer ein Prozess, sowohl auf gesellschaftlicher, als auch auf persönlicher Ebene. Das ist das Problem am Wort „Popfeminismus“; Zum einen erweckt es den Anschein, als ließe sich die gesamte Entwicklung hin zu einer geschlechtergerechten Gesellschaft auf eine einfache Formel bringen und weil man weiß, dass das nicht geht, diskreditiert man ihn, zum anderen als naiv. Wünschenswert wäre, dass der Feminismus verschiedenen Lebensentwürfen und Bedürfnissen Raum gibt und sie nebeneinander existieren lässt. Man kann pinke GIRL-POWER-Ketten hässlich finden, aber es ist trotzdem ok, dass es sie gibt.


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