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Warum ich es nicht mehr länger in Berlin aushalte

„Für mich ist Berlin Kampf“, schreibt unsere Community-Autorin Alva: „Man hechelt hinterher, verpasst ständig den Anschluss. Vegan, raw, slow“. Nach sechs Jahren steht für sie fest: Sie muss raus aus Berlin!

Ist es nicht viel zu laut in dieser Stadt?

Berlin, kurz vor dem verflixten siebten Jahr. Es ist Sommer, der sich anschickt, fast schon wieder vorüber zu sein. Semimotiviert fahre ich mit dem Rad durch Kreuzberg auf dem Weg zu einem meiner zweieinhalb Nebenjobs. Dreimal die Woche fahre ich diesen Weg. Die Woche ist kurz, wird von Jahr zu Jahr kürzer. Wer hätte das gedacht! Wo ist sie hin, die Zeit? Die Ruhe? Die Langeweile! Mit Anfang dreißig im vierten Semester. Irgendwie gut, irgendwie gefühlt hinterher. Karriere? Kinder? Konventionen? Kein Plan, keine richtige Idee, irgendwie fehlt dafür aber auch einfach die Zeit. Und die Ruhe. Und der Mut!

Eine Beziehung, die fast halb so alt ist wie mein Leben in dieser Stadt. Es ist schön, ich bin glücklich über den Umstand, dass da jemand ist, der mit mir ist. Aber wohin? Wie geht’s weiter und ist es nicht viel zu laut in dieser Stadt, als dass man sich selbst noch hören könnte? Mir fehlt etwas, ohne es genau oder auch nur im Ansatz benennen zu können. Das macht es naturgemäß umso schwerer, etwas zu ändern. Meine Freunde sind hier, langjährige Vertraute, die alle irgendwann den Weg hierher gefunden haben. Die Uni, meine Wohnung, mein Dasein. Aber wo ist mein Zuhause? Ich versuche mir vorzustellen, wie ALLES sein müsste, damit ich nicht dieses pochende Gefühl von Defizit hätte. Ein mangelndes Mangelbewusstsein.

Wer „nicht mehr so oft feiern geht“, fragt sich früher oder besser spät als nie, was er hier noch soll. Jaja, Berlin ist so viel mehr als das. Sicher? Im Sommer die Touriströme, im Winter griese Gegend. Aufatmen im Frühling, Melancholie im Herbst. Zwischendurch mal Drogen, ab und zu JWD ins Grüne.

Diese Fahrt durch Kreuzberg, vorbei an allem, was sich ständig verändert und doch nichts tut. Da wird urknallartig der lang gegorene und jäh unterdrückte Gedanke zum gefühlt einzig klaren in den zurückliegenden Jahren formuliert: „Weg aus Berlin!“. Und gleich hinterher: „Mitten im Studium? Und was ist mit uns? Und mit den anderen? Alle sind doch hier? Und wohin überhaupt? Und da?“. Pscht! Es fühlt sich gut an, heilsam, beruhigend. Berlin ist einfach nichts für mich. Sie steht einfach nicht auf dich! Ohnehin wollte ich doch sowieso nie hier wohnen geschweige denn leben, und wenn, dann nicht für lang.

Mir ist irgendwann die Luft ausgegangen

Für mich ist Berlin Kampf. Competition. Dieser Jahrmarkt der Eitelkeiten! Man hechelt hinterher, verpasst ständig den Anschluss. Vegan, raw, slow. „Von mir aus Koreanisch. Schmeckt das?“ Und Kampf mit mir selbst. „Sieh dir das an, guck dir mal die an, was ist denn mit dem los?“ Awesome! Really?

NOT! Alles, immer, viel und noch mehr. „Einen noch!“ Nicht mein Tempo, schon gar nicht mein Rhythmus. Mir ist irgendwann die Luft ausgegangen und die Lust trinke ich mir schön. Wie Berlin platze auch ich aus allen Nervennähten.

Vielleicht muss man auch irgendwann Platz machen, für die, die vor lauter jugendlicher Begeisterung am Club anstehen um auf sieben Gin Tonic nach Hause zu stolpern, verkatert den nächsten Tag überstehen und sich all dem Spektralen quasioffen gegenüberstellen.

Wohin der Weg aus Berlin auch führt, hoffentlich gibts da Spätis. Und hoffentlich finde ich einen Nachmieter!

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