Foto: rawpixel | unsplash

Ein Recruiter erklärt, warum der Lebenslauf bald überflüssig wird – und was stattdessen wichtig ist

Ob nun vier oder sieben Jahre Berufserfahrung – diese Zahlen sagen nicht zwingend etwas über die Leistung und Fähigkeiten der Bewerber*innen aus. Wichtiger als der Lebenslauf werden, laut einem Zalando-Recruiter immer mehr andere Qualitäten.

Der Lebenslauf entscheidet nicht über den Erfolg der Bewerbung

Städte auf der ganzen Welt schmücken sich damit, das nächste Silicon Valley zu sein. Aber wenn man genauer hinschaut, gibt es nur wenige Orte, die tatsächlich Anwärter auf den Titel sind. Einer davon: Berlin. Junge Unternehmer*innen aus aller Welt kommen in die deutsche Hauptstadt, um ihre Firma groß rauszubringen und machen Berlin so zu einer florierenden Startup-Szene. Das liegt nicht zuletzt daran, dass es mit Zalando in Berlin auch ein ziemlich großes Vorbild gibt — ein Unternehmen, das es wirklich geschafft hat, vom kleinen E-Commerce-Startup im Jahr 2008 zum Megakonzern mit mehr als 15.000 Mitarbeitern weltweit zu werden.

Ein Unternehmen, in dem man von Anfang an international gedacht und Englisch als Alltagssprache im Büro etabliert hat. Und ja, wenn ihr eure Bewerbung an Zalando schickt, dann wird auch im darauf folgenden Bewerbungsprozess Englisch die dominierende Sprache sein.

Aber lasst euch davon nicht abschrecken: Matthias Schmeißer, Tech-Recruiter bei Zalando, erklärt im Gespräch mit Valentina Resetarits von unserem Partner Business Insider, was für eure Bewerbung wichtiger ist, als fließend und akzentfrei Englisch zu sprechen.

„Der Lebenslauf stirbt allmählich aus“

Zunächst einmal die Bewerbungsunterlagen. Schmeißer hat in den vergangenen Jahren, vor allem im Tech-Recruiting, einen Trend bemerkt: „Der Lebenslauf stirbt allmählich aus.“ Er empfiehlt Bewerber*innen stattdessen, einen Link zu einem gut gepflegten Profil in einem sozialen Netzwerk wie LinkedIn, Xing oder Dribbble mitzuschicken. Der Vorteil gegenüber einem klassischen Lebenslauf liegt auf der Hand, vor allem bei Communitys wie Dribbble: Die Bewerber*innen können die Ergebnisse ihrer Arbeit gleich mitliefern, ihr Können mit Beispielen untermauern.
„Nur weil jemand einen guten Lebenslauf schreiben kann, ist er oder sie nicht zwingend ein guter Webdesigner*in“, sagt Schmeißer. In Lebensläufen gebe es immer zwei Elemente, die trügerisch sein können: Die Arbeitserfahrung in Jahren und der Titel. „Ob jemand vier oder sieben Jahre in einem Job gearbeitet hat, ist nicht immer der beste Indikator für gute Performance“, sagt Schmeißer.
„Und auch der Titel sagt oft wenig aus, gerade weil es in der Tech-Szene sehr viele, sehr unterschiedliche und gut klingende Titel gibt.“ Wenn jemand Head of Development bei einer Firma ist, setze das nicht zwingend voraus, dass er/sie auch bei Zalando sofort für eine Führungsposition geeignet ist.

So punktet ihr mit euren Bewerbungsunterlagen

Schmeißer achtet mehr auf Ergebnisse als auf Titel, wenn er sich die Bewerbungsunterlagen ansieht. Er rät allen Bewerber*innen dazu, sich beim Zusammenstellen der Unterlagen „mit dem Unternehmen zu identifizieren und die Unterlagen zielgerichtet zu strukturieren.“ Was könnte Zalando wichtig sein? Zalando interessiert, was ihr gemacht habt und wo ihr hinwollt. Und manchmal sind Zeugnisse, Anschreiben und Lebenslauf eben nicht die beste Methode, um das zu veranschaulichen.

Sprechen die Unterlagen den/die Recruiter*in an, folgen meistens Telefongespräche. Zalando hat außerdem gute Erfahrungen mit Arbeitsproben gemacht, die sie den Bewerber*innen quasi als Hausaufgabe geben.
Nach diesen Schritten im Bewerbungsprozess lädt Zalando dann die Bewerber*innen zum Auswahltag ein. Wie jeder Schritt des Bewerbungsprozesses ist auch das Vorstellungsgespräch auf Englisch. Das kann für manche eine große Herausforderung sein. Deshalb legen die Recruiter*innen bei Zalando wert darauf, dass die Gesprächsatmosphäre möglichst entspannt ist und die Bewerber*innen das Gefühl haben, sie können sie mit ihren Antworten auch Zeit lassen, um die richtigen Worte zu finden.

„Es ist ein Gespräch und kein Interview, deshalb gehen wir mit den Kandidat*innen in den Austausch“, sagt Schmeißer. So versuche er als Recruiter, eine angespannte Gesprächssituation zu vermeiden. „Man denkt, es wären immer die Berufsanfänger*innen, die besonders nervös sind, aber oftmals sind es gerade jene mit Berufserfahrung, die sich selbst zu viel Druck machen.“
Zalando hat einen guten Grund, die Bewerber*innen beim Auswahltag nicht in Stress zu versetzen: „Man darf auch nicht vergessen, dass jede*r Bewerber*in potenzielle*r oder reale*r Zalando-Kund*in ist. Wir wollen nicht, dass sie bei uns schlechte Erfahrungen machen.“

Vertraut bei der Bewerbung auf eure Stärken

Oftmals rufen Recruiter*innen die Bewerber*innen schon am Tag vor ihrem Vorstellungsgespräch an, um sie darauf einzustimmen. Nach Schmeißer ist das auch Teil eines Wandels, der sich gerade im Personalbereich vollzieht — und dem er positiv gegenübersteht: Da es immer schwerer wird, Fachkräfte zu gewinnen, müssen Firmen dafür sorgen, dass Bewerber*innen eine gute Erfahrung im Prozess machen. Die Absagen von heute könnten schließlich die Top-Talente von morgen sein. Ein wichtiger Teil davon ist eine Feedback-Kultur.

Zalando strukturiert die Interviews und hält fest, wie der/die Bewerber*in in welchen Bereichen abgeschnitten hat. Die Bereiche orientieren sich dabei an den sogenannten Perfomancemodellen der Firma. Das heißt: Für jede Stelle werden Bereiche definiert, die entscheidend für die Performance sind, sowohl Soft als auch Hard Skills.

Zalando nutzt diese Performancemodelle nicht nur bei Mitarbeiter*innen, sondern bereits bei Bewerber*innen, um die Vergleichbarkeit einfacher zu machen. So wissen nicht nur die abgelehnten Bewerber*innen, warum es am Ende nicht geklappt hat, sondern auch die erfolgreichen Bewerber*innen, in welchen Bereichen ihre Stärken liegen.

Aber wie kann im Vorstellungsgespräch nun punkten? „Man sollte alles mit Beispielen untermauern können. Je pauschaler ein*e Bewerber*in antwortet, desto leichter verfängt er/sie sich dann auch, wenn wir nachfragen.” Einige Bewerber*innen würden nicht in ihre Stärken vertrauen und denken, sie müssten eine Rolle spielen, wenn sie zu Zalando kommen.

„KI wird den Recruiter nicht ersetzen“

Eine Frage, die Schmeißer gerne Bewerber*innen stellt: „Wo stehen Sie Ihrer Meinung nach gerade in Ihrer Karriere?“ — weil es Menschen dazu bringt, über sich selbst zu reflektieren. „Es geht dabei nicht darum, wie karrieregeil jemand ist. Es zeigt mir, ob sich jemand Gedanken gemacht hat, wo er/sie gerade steht und wo er/sie noch hinwill.“

Bei Zalando ist ein Trend spürbar, der auch andere große Unternehmen erfasst hat: In einer digitalisierten Welt wird mehr Wert auf persönliche Gespräche gelegt als jemals zuvor.

Deshalb sieht Schmeißer auch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz nicht unbedingt bei der Auswahl der Kandidat*innen. „Wenn Unternehmen darüber nachdenken, Künstliche Intelligenz im Recruiting einzusetzen, sollten sie sicherstellen, dass sie wissen, wie KI funktioniert, um diese steuern zu können. KI dient der Unterstützung der Recruiter*innen; sie wird den/die Recruiter*in selbst nicht ersetzen können.” Wenn jene, die die KI programmieren, Vorurteile haben oder nach den falschen Kriterien suchen, dann ließe sich das Problem mit der KI nicht lösen, weil sie genau das auch tut.

Er könne sich vorstellen, dass KI in Zukunft bei Zalando eher administrative Aufgaben übernimmt wie zum Beispiel Terminvergaben. „Dann haben wir Recruiter*innen mehr Zeit, uns mehr auf die Bewerber*innen zu konzentrieren.“

Was euch bei Business Insider noch interessieren könnte:

28 überraschende Dinge, die darüber entscheiden, ob ihr den Job bekommt. Weiterlesen

16 Fragen, die ihr am Ende eines Bewerbungsgesprächs nie stellen solltet. Weiterlesen

Bewerbung: 28 brillante Fragen, die ihr am Ende eines Vorstellungsgesprächs stellen könnt. Weiterlesen

Mehr bei EDITION F

Die wahrscheinlich beste Bewerbung der Welt. Weiterlesen

Bewerbungsschreiben: Was Personaler gut finden und was gar nicht geht. Weiterlesen

Meine ersten 100 Vorstellungsgespräche als Chefin und was Bewerber daraus lernen können. Weiterlesen

Anzeige