Die Digitalisierung der Arbeitswelt schreitet unaufhörlich weiter voran. Eine Antwort auf den damit drohenden Stellenabbau ist das Bedingungslose Grundeinkommen. Arbeitsministerin Andrea Nahles hat eine andere Idee: ein Erwerbstätigenkonto für jeden Berufseinsteiger.
20.000 Euro zum Berufseinstieg
Berufliche und private Weiterbildung, Ehrenamt, private Pflege von Angehörigen – alles drei sind große Themen unserer Zeit. Doch für viele Menschen stellt sich die Frage nicht, ob sie eine, nicht vom Betrieb finanzierte Fortbildung wahrnehmen, ein Ehrenamt ausüben oder die private Pflege von Angehörigen übernehmen. Denn dafür haben sie schlicht nicht die finanziellen Mittel oder die Zeit.
Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) will das mit einem staatlichen
Erwerbstätigenkonto ändern. Ihre Idee, die sie am 13. Juni in Berlin auf einer
OECD-Konferenz vorstellte: Jeder Berufseinsteiger soll bei Erwerbsbeginn 20.000 Euro vom Staat auf einem Konto erhalten. Über die soll er allerdings nicht frei verfügen, das Geld kann zweckgebunden von jedem einzelnen ausgegeben werden: zum Beispiel für Weiterbildungen, Sabbaticals, oder eben einen finanziellen Ausgleich für unbezahlte Arbeitsstunden in einem Ehrenamt oder bei der Pflege und Betreuung von Angehörigen.
Ein „Sozialerbe” für mehr Gerechtigkeit
Die Idee ist gar nicht so neu: Schon im November 2016 stellte Nahles das Erwerbstätigenkonto im „Weißbuch Arbeitswelt 4.0” vor. Eines ihrer
Hauptargumente schon damals: Mit den 20.000 Euro könnte man ein staatliches
„Sozialerbe” an junge Berufseinsteiger weitergeben und somit soziale
Ungerechtigkeiten der Herkunft ausgleichen. Zur Debatte steht auch, ob das Erwerbstätigenkonto für diejenigen Berufseinsteiger, die nicht studiert haben, höher ausfallen soll, als für Arbeitskräfte mit Studienabschluss, da diese ja schon eine hauptsächlich steuerfinanzierte Hochschulausbildung durchlaufen hätten. Nahles ist nun auf der Suche nach Unterstützern.
Nahles ist eine klare Gegnerin des Bedingungslosen Grundeinkommens. Bei einer Diskussion auf der Republica-Konferenz stellte sie ihr „zweckgebundenes Startkapital” dem Konzept der unabhängigen Grundversorgung entgegen und musste von den Zuhörern einiges an Kritik einstecken.
Und tatsächlich bleiben einige Fragen offen: Wie soll das Erwerbstätigenkonto finanziert werden? Geht der gestaffelte Ansatz nicht an der Realität vieler Studierenden vorbei, die Kredite auf oder Bafög in Anspruch nehmen müssen, um ihr Studium zu finanzieren? Wäre mehr soziale Gerechtigkeit nicht nur dann möglich, wenn auch diese Fälle finanziell ausreichend berücksichtigt werden? Ein Startkapital zum Berufseinstieg ändert darüber hinaus nichts daran, dass der gesamte Ausbildungsweg immer noch stark von der sozialen Herkunft beeinflusst wird und dadurch weit entfernt von sozialer Gerechtigkeit ist. Außerdem, was ist mit Arbeitnehmern, die schon viele Jahre im Beruf stehen? Sollen diese außenvorgelassen werden? Ist nicht gerade in einem höheren Alter Weiterbildung ein wichtiger Faktor, zur Arbeitsplatzsicherung? Und was ist mit den Menschen, die nicht arbeiten können – ob sie jetzt chronisch krank sind, eine Behinderung haben, die das Arbeiten verhindert oder aus anderen Gründen arbeitsunfähig sind? Auf diese Fragen müssen Nahles und ihr Team dringend Antworten finden. Das Konzept bleibt trotzdem ein spannender Versuch, eine sozialgerechte Antwort auf den Wandel der Arbeitswelt zu finden.
Und was würdet ihr mit einer berufsbezogenen Finanzspritze von 20.000 Euro machen?
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