Es gibt diese Momente, in denen alles schiefgegangen ist. Wenn das Leben einfach nicht so will wie du. Und das ist gut so! Warum du dich über jeden Tiefpunkt freuen darfst? Stefan Reutter hat Antworten.
Der Tiefpunkt nach dem Scheitern
Mist. Einfach nur Mist. Da hast du dir über Wochen einen Plan zurechtgelegt, vielleicht sogar über Monate oder Jahre. Hast ihn gehegt, erweitert, in allen Details ausgeträumt. Und dann das: Er ging nicht auf.
Pech gehabt, Ende Gelände?
So fühlt es sich manchmal an. So fühlte auch ich mich, als ich ein junger Kerl auf dem Weg zur Profikarriere im Fußball war. Bis – ja, bis mir jemand mit einem unglücklichen Foul mein Knie kaputtmachte. Der Traum vom Fußball war aus, mein Leben innerhalb eines Wimpernschlags am Ende. Und helfen? Konnte mir in dem Moment sowieso niemand. Denn nichts ist mehr, wie es sein sollte.
Mein Leid ist das größte
In solchen Momenten drängt sich unerbittlich die Frage auf: „Warum ich?“ Doch sie ist so natürlich wie nutzlos: Sie macht dich letztlich nur wütend, böse und aggressiv. Und gegenüber den Menschen, die helfen wollen und es gut mit dir meinen, wirst du arrogant, undankbar und verletzend. Denn eine persönliche Krise lässt Menschen nach innen kippen. Alles um sie herum verblasst vor dem Leid, das sie innerlich gerade empfinden. Du bist an dem Punkt, an dem du dich endlich auf deinen inneren Kern konzentrierst und damit in Berührung kommst. Das ist schmerzhaft, aber es gibt dir auch die Chance, dich selbst zu finden. Insofern: Wie gut, dass es dir schlecht geht!
Vier Schritte, um die Füße wieder fest auf den Boden zu bekommen:
1. Stelle dich der Angst
Es gibt viele Gründe, warum Menschen ganz unten sind. Eventuell fühlst du dich machtlos, von der Welt überrumpelt. Vielleicht bist du krank geworden oder pleite. Möglicherweise wurdest du verlassen. Oder es war etwas viel Simpleres: der Dauerstress bei der Arbeit, die Kinder mitten in der Pubertät oder der kaum finanzierbare Traum vom Eigenheim.
Ich will dir nicht zu nahe treten, aber der wahre Grund, warum du das Leben in diesen Momenten für ein kleines Arschloch hältst, ist: Weil du den Respekt verloren hast. Den Respekt vor dem Leben. Du lässt es nicht geschehen. Du hast keine Achtung vor dem, was einfach ist, wie es ist. Weil es dir Seiten an dir zeigt, die du nicht magst. Weil es dich in Situationen stürzt, die unangenehm sind. Weil es Arbeit bedeutet. Und das macht Angst.
Der erste Schritt ist daher: Finde den wahren Grund für deine Misere und stelle dich der Angst.
2. Verstehe, warum es dir schlecht geht
Nach meinem Sportunfall waren die Antworten schnell gefunden. Warum war mir das passiert? Weil der andere nicht aufgepasst hatte und ich vielleicht zu offensiv ins Spiel gegangen war. Verstand ich deswegen meinen Tiefpunkt besser? Eher nicht. Aber das war nicht schlimm.
Wer nach dem Warum fragt, findet oft etwas Besseres als eindeutige Antworten – nämlich sich. Das Hinterfragen regt das an, was du in der Situation am stärksten brauchst: Selbstreflexion. Denk über dein Leben nach und frag dich wofür das gut gewesen sein könnte. Dabei fallen dir bestimmt Szenen ein, die nach dem gleichen Muster verliefen: Etwas ging schief und erst im Nachhinein hast du daraus gelernt. Wie mit der heißen Herdplatte bei Kindern: Du kannst jemandem nichts beibringen, solange er es nicht selbst durchlebt hat. Deshalb ist alles Schlechte, was dir widerfährt, vor allem immer eine Chance, etwas daraus zu lernen und mitzunehmen.
Und wenn du das verstanden hast, kommt die eigentlich schwierige Aufgabe: Nimm es an. Lass los und vertraue dich dem Weg an, auf den das Leben dich da gerade führt. Denn genau dafür ist die Krise da: Sie verändert dich und macht dich bereit für einen neuen Plan, nachdem der alte nicht aufgegangen ist. Also sei dankbar für all den Mist. Erkenne das Gute im Schlechten und freue dich auf die Veränderung.
3. Suche dir eine Kraftquelle
Überlege, was dir guttut. Dir ganz persönlich. Ich z.B. bin früher immer mit unserem Hund in einem bestimmten Waldstück spazieren gegangen. Das war Entspannung pur. Auch heute kehre ich dahin zurück, wenn es mir mal nicht gut geht. Die Stille dort und die Zeit mit mir selbst geben mir Kraft. Und dies ist auch unbedingt nötig: Wenn du zu deiner Kraftquelle gehst – sei es ein Waldspaziergang, ein heißes Bad oder dein Wintergarten – dann geh allein und sei still.
Das fühlt sich am Anfang oft komisch an, wenn du auf einmal so ganz für dich bist – ohne Unterhaltung, ohne Ablenkung, ohne dauerpiependes Handy. Aber glaub mir, du gewöhnst dich daran und wirst diese Erfahrung mit der Zeit nicht mehr missen wollen. Denn nirgendwo anders kannst du so gut innehalten und nachdenken wie an dem Ort, der dir Kraft gibt. Und das hilft dir, die Wichtigkeit dessen, was gerade passiert ist, richtig einzuordnen – und nicht zuletzt dem Krisenstrudel zu entfliehen.
4. Triff deine Entscheidung
Wenn dein Puls erst wieder gleichmäßiger geht, dann ist die Zeit reif für deine Entscheidung. Schau zurück auf den Weg, den du zurückgelegt hast. Mach dir klar, was du gelernt hast. Und du wirst sehen: Durch deine Krise, durch dein Scheitern hat sich der Blickwinkel geändert. Damit hast du alles, was du brauchst, um ins Handeln zu kommen. Entscheide dich dazu!
Es muss nichts Hochtrabendes oder Extravagantes sein. Du weißt, was jetzt an erster Stelle steht. Wenn es ein Gespräch ist, führe es jetzt! Wenn du dich mehr um deinen Körper kümmern möchtest, fang jetzt damit an! Wenn du von Freunden böse hintergangen wurdest, kappe die Beziehung jetzt!
Wenn du diese Phasen durchlaufen hast, bist du kurz davor, die Krise hinter dir zu lassen. Was jetzt noch fehlt? Der erste Schritt nach vorn. Pack es an! Du bist die Einzige, die deinen Tiefpunkt überwinden kann und weiß, welche Wegrichtung die richtige für dich ist. Ich verspreche dir: alles wird gut.
Mehr bei EDITION F
Wir scheitern immer schöner. Weiterlesen
Wie das schlimmste Jahr meines Lebens zu meinem besten wurde. Weiterlesen
Ich will für dich da sein! Was wirklich hilft, wenn es Freunden schlecht geht. Weiterlesen