Foto: TechCrunch I flickr

Die schwere Krise der jüngsten Selfmade-Milliardärin der Welt

Elizabeth Holmes wurde mit ihrem Unternehmen Theranos zur Milliardärin – nun werden Zweifel an ihrer als bahnbrechend gefeierten Idee laut.

Der nächste Steve Jobs?

Lukas Schürmann von unserem Partner Manager Magazin Online beschreibt die aktuelle Krise von Elizabeth Holmes und ihrem Unternehmen:

Wenige Wochen, bevor das US-Start-up Theranos in die wohl schwerste Krise seiner zwölfjährigen Geschichte schlittert, lächelt Gründerin Elizabeth Holmes vom Cover des amerikanischen Wirtschaftsmagazins „Inc.. In einem schwarzen Rollkragenpullover stehe die 31-Jährige stellvertretend für „acht Frauen, denen die Zukunft gehören könnte, heißt es dort. Überschrift: „Der nächste Steve Jobs.

Wäre das Heft nicht Anfang, sondern Ende Oktober erschienen, die Inc.-Redaktion hätte sich wohl zweimal überlegt, ob sie Holmes auf den Titel hebt. Denn Theranos, das Unternehmen, das die Amerikanerin zur laut „Forbes” jüngsten Selfmade-Milliardärin der Weltgemacht hat, ist heftig unter Feuer geraten: zunächst durch einen Artikel des „Wall Street Journal, wenig später durch die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA.

Es geht um den Kern des zuletzt mit neun Milliarden Dollar bewerteten Startups, um seine selbst entwickelten medizinischen Testverfahren.

Mit Analysegeräten, die mit einer kleinen Menge Blut dutzende verschiedene Tests durchführen, will Holmes die Gesundheitsbranche revolutionieren. Ihr Unternehmen Theranos hat bislang etwa 45 Labore eingerichtet und bietet dort Blut-, Speichel- und Urintests an. Durch Eigenentwicklungen sei man kostengünstiger als die Konkurrenz und schlage diese auch beim Schmerz: Der Theranos-Blutentnahmestift verursache bloß einen winzigen, kaum spürbaren Pieks.

Henry Kissinger ist Holmes-Fan

Wie ihr Analyserechner genau funktioniert, verriet Holmes allerdings nie. Er basiere auf denselben chemischen Prozessen, die auch in herkömmlichen Laboren zum Einsatz kämen – nur habe man diese noch einmal verbessert. Ihre Investoren, darunter Oracle-Gründer Larry Ellison, waren damit zufrieden – und hoben das Unternehmen mit insgesamt 400 Millionen Dollar auf eine Bewertung von neun Milliarden Dollar.

Holmes hält nach wie vor 50 Prozent – und wurde zu einem Liebling der Presse. Nicht nur „Inc hob sie auf ein Podest. Ein „Fortune-Redakteur schreibt 2014 spürbar beeindruckt, Holmes vertraue statt Kaffee auf Gemüsesäfte, um ihre 16-Stunden-Tage durchzustehen. Vor Restaurantbesuchen schicke sie dem Koch vegane Vollkornnudeln, nach dem Essen analysiere sie gern ihr eigenes Blut.

Zusätzliches Gewicht gewinnt ihr Unternehmen durch zwei ganz große Namen der US-Politik. Die ehemaligen Außenminister George Shultz und Henry Kissinger sitzen im Board, gegenüber „Fortune lobte Nobelpreisträger Kissinger Holmes´ „eisernen Willen und gab an, ihre speziellen Fähigkeiten machten sie geradezu unvergleichlich.

Derzeit scheint allerdings fraglich, ob Holmes und Theranos dem Hype gerecht werden können.

Mitte Oktober erhebt das „Wall Street Journal unter Berufung auf ehemalige Angestellte schwere Vorwürfe gegen Theranos: Ende 2014 habe das Unternehmen laut einer Ex-Führungskraft bloß 15 Testverfahren mit dem selbst entwickelten Edison-Gerät durchgeführt. 190 andere angebotene Tests würden derweil mit herkömmlichem Equipment bestritten, etwa von Siemens. Andere befragte ehemalige Mitarbeiter misstrauten zudem der Genauigkeit des eigenen Apparats.

Edison-Tests hätten bei verschiedenen Anwendungen andere Ergebnisse erzielt als die zugelassenen Verfahren der Konkurrenz. Das belegten auch interne E-Mails des Unternehmens, die die WSJ-Journalisten hätten einsehen dürfen. Ein möglicher Grund für die Ungenauigkeiten könne sein, dass Theranos seine Blutproben verdünne. Dabei würden diese verfälscht, sagte ein Wissenschaftler, die Verdünnung sei damit „schlechte Laborpraxis.

Holmes gibt sich kämpferisch

Während der Recherchen des Journals gab sich Theranos zunächst noch defensiv. Wenige Tage nach Erscheinen des Artikels bestätigte Elizabeth Holmes jedoch – ausgerechnet auf der Bühne einer WSJ-Konferenz – einen weiteren Bericht der Zeitung: Derzeit biete ihr Unternehmen nur noch einen einzigen Test an, bei dem es die eigene Technologie verwende. Die anderen mehr als 200 verschiedenen Verfahren würden mit herkömmlichen Mitteln und größeren Mengen Blut bestritten.

„Ich habe gelesen, was dort stand, sagte Holmes weiter, „wir denken, dass es falsch ist, und wir denken, dass es Leser in die Irre führt. Auch stellte sie die Qualität der Aussagen der ehemaligen Mitarbeiter in Frage. Dass das Unternehmen derzeit etwa auf Siemens-Geräte setze, habe auch nichts mit der Qualität der selbstentwickelten Apparate zu tun.

Im August habe die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA Theranos untersucht. Danach habe man die eigenen Tests zurückgefahren – „wir als Unternehmen müssen uns vom Labor-Rahmenkonzept und -qualitätssystem zum FDA-Rahmenkonzept und -qualiätssystem bewegen, sagte Holmes dazu. Insgesamt befinde sich ihr Unternehmen gerade in einer „Periode des Innehaltens.

Diese Fehler hat Theranos laut FDA gemacht

Anfang der Woche hat die FDA nun ihren Bericht zur Theranos-Überprüfung veröffentlicht. Zwar sind etliche Passagen geschwärzt; allerdings gehe auch so daraus hervor, berichtet Vox.com, dass die Behörde die kleinen Fläschchen, in denen Theranos zu überprüfendes Blut auffängt, als „noch nicht genehmigte Medizinprodukte werte. Auch habe das Unternehmen laut Bericht nicht auf Kunden-Beschwerden reagiert, es fehlten die dazu nötigen internen Prozesse.

Zusätzlich kreide die Behörde an, dass Theranos nur unzureichend darauf achte, ob seine Zulieferer die Qualitätsansprüche des Unternehmens erfüllten.

„Wir glauben, dass wir alle Anmerkungen der FDA unmittelbar oder im Rahmen einer Woche nach der Inspektion korrigiert haben, teilte Theranos daraufhin mit. Ohnehin sei die Inspektion als solche vorläufig und helfe damit, die Qualitätsvorgaben der FDA zu implementieren.

Damit muss sich Holmes nun beeilen: Die Apothekenkette Walgreens, ihr wohl wichtigster Kooperationspartner, hat jüngst angekündigt,vorerst keine Theranos-Labore mehr in ihren Filialen zu eröffnen, bis die Affäre aufgeklärt ist.

HINWEIS: Die Veröffentlichung des Textes erfolgt mit freundlicher Genehmigung von manager-magazin.de. manager-magazin.de liefert täglich Wirtschaft aus erster Hand: durch Orientierung über die wichtigsten Nachrichten des Tages, Inspiration durch die Vorstellung relevanter Trends und mutiger Managerinnen und Manager – und durch den Blick auch auf die unterhaltsame Seite der Wirtschaft. Die tägliche Online-Ausgabe ergänzt das monatliche Magazin mit seinen investigativen und exklusiven Geschichten aus der Welt der Wirtschaft.

 

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