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Emanzipiert euch von der Idee der perfekten Frau!

Atemlos hetzen wir hin und her zwischen unseren Rollen: Erfolgreiche Karrierefrau. Fürsorgliche Mutter. Erotische Geliebte. Liebevolle Freundin. Definierte Strandschönheit. Ich glaube, es ist an der Zeit, dass wir uns ein zweites Mal emanzipieren: Von uns selbst.

 

Wir stecken in einem Dilemma

Ich weiß nicht, wie es Euch geht. Aber ich habe das Gefühl, wir Frauen sind im Laufe der Emanzipation ganz schön in Stress geraten. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich liebe die Emanzipation, ich möchte nicht eine Sekunde zurückdrehen, Punkt, Ende, Aus. Ich halte sie noch lange nicht für beendet und nein, das bedeutet nicht, dass ich meinen BH verbrenne und auf Männer schimpfe. Es bedeutet einfach, dass ich FÜR Frauen bin. Weil ich sie wunderbar finde. Trotzdem habe ich den Eindruck, dass mit dem wachsenden Anspruch ans Berufsleben viele Frauen in ein Dilemma geraten sind. Bis 1977 sah es übrigens das Bürgerliche Gesetzbuch vor, dass der Ehemann seiner Frau die Berufstätigkeit erlauben musste. Noch in den Siebziger Jahren! Wie absurd erscheint uns das heutzutage. Natürlich gehen wir studieren oder in eine Ausbildung und wollen danach nicht weniger gern Karriere machen als unsere männlichen Kollegen. 

Nun bin ich ein echtes Papakind und wuchs nach der Trennung meiner Eltern in den Achtziger Jahren bei meinem Vater auf, der damit noch ein echter Exot war und am Sandkasten von den alleinstehenden Müttern umgarnt wurde wie der Gockel im Korb. Mein Vater kochte, putzte und betreute meine Schwester und mich, während meine Mutter berufstätig war. Man könnte meinen, damit hätte ich ein echtes Paradebeispiel erlebt und wäre frei von klischeebesetzten Rollenbildern und Erwartungen an mich oder meinen Partner.

Aber so ist es nicht. 

Vorbilder sind wichtig

Es sind nicht nur unsere Eltern, die uns prägen, es sind auch die Eltern unserer Mitschüler oder Kommilitonen, es sind unsere Vorgesetzten und unsere Schwiegermütter, es sind unsere Politiker oder unsere Hollywoodstars, es ist ein ganzes gesellschaftliches Konstrukt, das uns tagtäglich demonstriert, was Frauen zu tun oder zu lassen haben, was gesellschaftlich akzeptiert oder gewünscht ist. Ob wir uns dem beugen oder nicht, das sei erstmal dahingestellt, Tatsache ist aber, dass es abseits aller Gesetzbücher immer noch genügend ungeschriebene Gesetze gibt, allgemein anerkannte Normen und sie sind mitunter strenger, als man auf den ersten Blick denken könnte. Und auch ich fühle mich nach wie vor neben meiner Selbstständigkeit wie selbstverständlich verantwortlich für den Haushalt, ich räume auf, bevor Besuch kommt, auch, wenn er gar nicht für mich ist, weil ich das Gefühl habe, dass das Urteil über unser Zuhause am Ende auch über mich gefällt wird und weniger über meinen Partner. Dabei sagt mir das keiner und auch mein Mann erwartet das nicht von mir. Aber ich erwarte es von mir. Weil „man“ es so gewohnt ist. 

Doing it all?

Und damit schlage ich den Bogen zurück zur Emanzipation: Die Frau von heute möchte arbeiten, sie möchte sich im Beruf verwirklichen, sie zieht Motivation und Freude aus ihrem beruflichen Tun. Aber dennoch klebt da eine ganze Menge alter Ballast an unseren Hacken und manchmal habe ich das Gefühl, es hat zwar eine Verschiebung stattgefunden, aber ausgeglichen ist sie nicht. Wir haben nicht das eine gegen das andere getauscht, wir haben es einfach addiert. Haushalt? Mach ich! Karriere? Klar, mach ich auch! 

Früher war das Betätigungsfeld der Frau klar abgesteckt: Kinder, Küche, Kirche. In welchen Jahrzehnten unsere Mütter aufwuchsen, illustriert bestens das haarsträubende Handbuch für die gute Ehefrau aus der Housekeeping monthly von 1955. In nicht wenigen konservativen Gegenden wird das insgeheim oder auch ganz offen noch ähnlich sein. Vielleicht „duldet“ man die Frauen in ihrem beruflichen Streben, aber gutheißen muss man es noch lange nicht. Ganz besonders dann nicht, wenn die Zeit, die wir im Büro und am Meeting-Tisch verbringen natürlicher Weise unsere Kapazitäten für Haushalt und Kinder dezimiert. Da sind Mütter, die ihre Kinder schon früh in die Kita bringen gerne mal Rabenmütter und in den meisten deutschen Haushalten reißen sich die Herren der Schöpfung wohl eher kein Bein aus. Als hätten wir also nun nicht schon genug zu tun zwischen unseren zwei Großbaustellen, die wir parallel beackern, kommen jährlich neue hinzu. 

Der Druck auf das Aussehen wird nicht weniger

In den letzten Jahren hat sich ein neuer Trend herauskristallisiert: Frauen sollen nun nicht mehr einfach schlank sein, nein, bitteschön auch noch „wohl definiert“. Ja, aber sicher! Neben unserem neuen Projekt, dem schreienden Baby, dem wartenden Abwasch sprinten wir zwischendrin schnell ins Fitness-Studio, um unseren Trizeps zu formen. Wenn wir danach nach Hause schleichen, wäre es doch aber auch noch wünschenswert, uns den neuen Strapsgürtel umzuschnallen und unserem Liebsten eine mordsmässige Shades-of-Grey-gebührende Fessel-Einlage vorzuführen. Irgendwie so wäre wohl der perfekte Tag, würden wir all den Ansprüchen gerecht werden wollen, die an uns von so vielen Seiten jeden Tag gestellt werden. Die uns in Magazinen um die Ohren gehauen werden, die uns in der TV-Werbung anlächeln, die immer schönen und glücklichen starken, sexy, kinderlieben, durchbemuskelten Küchengöttinnen mit Master-Abschluss.

Ja, sind wir denn noch zu retten? Wer setzt diese unmenschlichen Maßstäbe und vor allem – warum spielen wir mit? Warum nehmen wir uns nicht Zeit, für eine mentale Atempause von diesem Wahnsinn? Wir müssen nicht alles auf einmal sein: vormittags Mitarbeiterin des Monats, mittags liebevollste Mami der Kindergartengruppe, die selbstgebackenen Apfelkuchen mitbringt, nachmittags die erste im Bauch-Beine-Po-Kurs und abends eine makellose Nymphomanin. Wir müssen nicht einmal eine einzige dieser Bilderbuch-Frauen sein.

Wie wir das anstellen können?

Zunächst müssen wir vielleicht einfach auch mal zugeben, dass wir erschöpft sind. Und dass das nicht gleichbedeutend ist mit der Sehnsucht nach einer einfachen reaktionären Welt. 

Seid mitfühlender miteinander

Und ziemlich sicher müssen wir damit aufhören, uns gegenseitig so hart zu beurteilen. Denn laut meiner Erfahrung sind es möglicherweise zwar die Männer, die immer noch ein weites Stück Weg haben dabei, ihren Teil an Haushalt und Kindeserziehung zu übernehmen und die Wirtschaft, die ihre verkrusteten patriarchalischen Strukturen aufbrechen muss, aber es sind doch die Frauen und ihre vernichtenden Urteile, die wir fürchten, wenn es währen dieser Umbruchphase nicht alles reibungslos klappt. Ich kenne keine einzige Zeitung auf der Welt für Männer, die ihre Verkaufszahlen damit generiert, über andere Männer herzuziehen. Nein, da müssen wir uns schon an unsere eigenen Nasen fassen, so unbequem das auch sein mag. Hier kann jede von uns ihren kleinen Beitrag leisten. Wir haben so viele Aufgaben zu bewältigen, warum bürden wir uns auch noch die Last auf, uns gegenseitig wie die Hyänen zu attackieren? Wie wäre es mit etwas Liebe, Güte, Mitgefühl und Nachsichtigkeit? Nicht die Nase zu rümpfen über die junge Mutter, die mit dunklen Augenringen auf dem Laternenumzug mit ihrem weinenden Kind schimpft, sondern ihr stecken, dass wir unsere Laterne beim Bastelladen um die Ecke gekauft haben, weil unser ausgebückstes Kaninchen die Selbstgemachte angeknabbert hat, während wir den verkohlten Braten aus dem Ofen geholt haben, den wir vergessen hatten, als wir mit dem Chef telefoniert haben. Keine Lästereien über die Frau in kurzen Hosen und Orangenhaut, sondern offen damit umgehen, dass unser Busen auch nicht mehr aussieht wie mit 16 und er das auch darf. Der Kollegin zur Seite stehen, die vom Chef eine persönlich werdende Standpauke erhält und uns nicht wegducken aus Angst, uns unbeliebt zu machen. Solange wir mit bewertenden Augen sehen, gegenseitig über uns richten und ein geschöntes Idealbild von uns aufrecht zu erhalten versuchen, gibt es nur Verlierer, denn den Kampf um den Titel „Die perfekte Frau“ kann keine gewinnen.

Wir sind nicht makellos, wir haben nicht den ausgeklügelten Plan für Alles, wir müssen unseren neuen Platz noch finden und diese Zeit darf holprig sein. Niemand verlangt von einem Bauherren, dass er ein Haus hochzieht, ohne dabei eine Baustelle zu errichten, die nicht zu jedem Zeitpunkt erahnen lässt, wie wohl wir uns eines Tages in diesem Zuhause fühlen werden. Gönnen wir uns eine Zeit, in der wir mitten im Prozess stecken, in der wir uns die Hände schmutzig machen und auch mal in den Schlamm fallen. Schenken wir uns selbst ein bißchen Liebe und Verständnis. Sonst haben wir uns nicht wirklich emanzipiert, sonst haben wir nur ein Handbuch durch ein anderes mit mehr Seiten ersetzt.

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