In der Kindheit musste man nur mal seine Schaufel borgen und schon hatte man neue Freunde. Als Erwachsene ist das anders – und Freundschaften gar nicht mehr so leicht.
Irgendwas machen wir falsch!
Gerne beschwere ich mich schon mal darüber, dass in Stuttgart nicht viel los ist, dass man immer wieder die gleichen, aber kaum neue Menschen trifft. Dass ich einen Wechsel brauche, mich die Stadt langweilt und sie mir irgendwie nichts mehr zu bieten hat. Und dann ertappe ich mich dabei, wie ich mit meinem Bruder auf einer WG-Party stehe, auf der mir nur wenige Gesichter bekannt sind (eine Chance, sollte man meinen!) und lieber mit ihm herumblödle, was ich auch sonst täglich tun kann, anstatt das Gespräch zu suchen. Dann ist da unser Kumpel, der zu Besuch in Stuttgart ist, und gleich drei neue Kontakte abräumt. Auf einer Party, auf der er nur uns zwei Menschen kennt. In einer Stadt, in der kaum jemand zu Besuch ist. Wir wissen, dass er ein kleiner Networking-Profi ist, aber okay: Irgendwas machen wir ganz gehörig falsch.
Irgendwie hat sich bei mir vor allem im vergangenen Jahr eine gewisse Lustlosigkeit eingeschlichen, ganz bewusst neue Menschen kennenzulernen. Natürlich spricht man mal mit fremden Menschen, witzelt in der Toilettenschlange herum oder an der Bushaltestelle – das passiert aber einfach so, ist eine zufällige Begegnung und ohne Ergebnis.
„Ich bin ja eh nicht mehr lange hier…“
Dieses bewusste Suchen nach Kontakten, worauf ich am Anfang meines Studiums angewiesen war, mache ich schon lange nicht mehr. Wo ich anfangs noch keine Scheu hatte, meine Co-Bierausschenkerin auf einem Promotionsjob nach der Handynummer zu fragen, weil man gleich auf einer Wellenlänge war, oder sich aus einer Freunde-von-Freunden-Bekanntschaft eine Freundschaft entwickelt hat, hat sich heute eine gewisse Resignation breitgemacht. Weil: Ich bin ja sowieso nicht mehr lange hier. Ich habe doch meine Leute, mit denen ich glücklich bin.
Tja, aber ob sich das mit dieser Einstellung in einer neuen Stadt ändern wird? Wohl kaum. Die Zeiten, in denen man ganz easy neue Freunde auf dem Spielplatz gefunden, eine Sandburg gebaut und damit den Grundstein für eine Freundschaft gelegt hat, sind vorbei. So läuft das leider nicht mehr. Im Erwachsenenalter haben wir alle unseren eigenen Kopf, unsere eigenen Macken und keine Mama mehr, die neue Verabredungen für uns ausmacht. Zusammen in die gleiche Richtung entwickeln, über die Schule langjährigen, regelmäßigen Kontakt halten? Schön wär’s. Wir müssen aktiv werden! – findet auch Elizabeth Bernstein, die in ihrem Artikel „Why Making New Friends Is Harder for Grown-Ups“ im Wall Street Journal ein paar Anregungen gibt, wie man auch im Erwachsenenalter neue Menschen kennenlernen kann.
1. Überwinde negative Gedanken
Überwinde den Gedanken, dass irgendetwas falsch mit dir sein muss, weil du vielleicht weniger Freunde hast und gerne neue dazu gewinnen würdest. Du bist ganz bestimmt nicht die einzige, die so denkt!
2. Suche mit Ziel
Mit Ziel ist in diesem Fall eine gemeinsame Eigenschaft gemeint, die dich mit einem anderen Menschen verbinden könnte. Frag doch mal deine Kollegin, die manchmal eine Yogamatte neben ihrem Tisch stehen hat, wo sie die Stunden nimmt oder frag deine nette Nachbarin, ob ihr nicht mal zusammen die neue Pizzeria um die Ecke testen wollt. Finde eine Gemeinsamkeit oder ein Interesse, das euch beide verbindet. Manchmal muss das Ziel gar nicht so weit liegen.
3. Erweitere dein Suchfeld
Je enger du dein Suchfeld hälst, desto geringer die Chancen, dass du einen Treffer landest. Beschränke dich daher nicht nur auf dein engstes Umfeld, sondern achte auch bewusst auf regelmäßig wiederkehrende Begegnungen im Alltag. Begegnest du immer einer bestimmten Person auf dem Weg zur Arbeit, beim Einkaufen oder beim Joggen? Dann hab keine Scheu, sie anzusprechen. Vielleicht haben sie sich selbst schon gleiches vorgenommen, sich dann letztlich aber nicht überwinden können.
4. Halte durch
So einfach wie zu Spielplatz- und Schulzeiten ist das Pflegen einer Freundschaft leider nicht mehr. Daher ist es wichtig, nicht die Lust zu verlieren und weiter zu machen – auch wenn eine Verabredung vielleicht mal spontan abgesagt wird. Denn meistens ist eine Absage gar nicht persönlich gemeint und auch keine blöde Ausrede, sondern beruflich begründet.
5. Beschränke dich nicht
Nach einer Gemeinsamkeit zu suchen für den ersten Kontakt ist zwar durchaus hilfreich, aber versteife dich nicht darauf und sortiere nicht danach. Eine Freundschaft, die auf zwei komplett verschiedenen Charakteren basiert, kann mindestens genauso spannend sein. Hauptsache, ihr seid euch sympathisch und am anderen interessiert.
Natürlich ist es nicht immer einfach, auf Leute zuzugehen und bewusst den Kontakt zu suchen. Es hilft, sich daran zu erinnern, dass die meisten Leute doch in der gleichen Situation sind wie du. Wir alle haben den Kontakt zu manchen Freunden aus Schulzeiten, durch Trennungen oder Umzüge verloren. Und wir alle brauchen Freunde. Also, Notiz an mich: Stell dich nicht so an und mach einfach!
Mehr bei EDITION F
Die beste Freundin kann man nur offline finden? Von wegen! Weiterlesen
Werden Freunde die neue Familie? Weiterlesen
Warum wir nicht wissen, was unsere Freunde wirklich über uns denken. Weiterlesen