Foto: Ian Schneider – unsplash

Fernfreundschaften – so hältst du sie am Leben

Freundschaften verändern sich, wenn eine Person wegzieht. Tanja schreibt über ihre drei besten Strategien nach drei Jahren im Ausland.

 

Reicht der Chat auf Facebook?

Eine Fernfreundschaft ist die ultimative Härteprobe für jede Freundschaft. Selbst für langjährige Freundinnen. Selbst für langjährige, beste Freunde. Selbst für langjährige, beste Freunde, die auch noch die ersten zwei Jahrzehnte ihres Lebens Nachbarn waren.

Wenn du selbst im Ausland lebst oder eine Zeit lang im Ausland verbracht hast wirst du das kennen. Spontane Treffen sind so gut wie nie möglich und die Momente, in denen man sich in „echt“ sieht, rar.

Du wirst – so wie ich– viele wichtige Ereignisse im Leben deiner Freundinnen verpassen: Geburtstage, Jobwechsel, Liebeskummer, Studienerfolge, Terrassenpartys oder einfach nur das regelmäßige Chillen, und die gelegentlichen Fressorgien zu Hause auf der Couch. Das Gleiche gilt auch umgekehrt: deine besten Freunde werden viele deiner Höhen und Tiefen nicht mehr hautnah miterleben können.

Ganz ehrlich, auch wenn ich vor drei Jahren aus freien Stücken nach Finnland gekommen bin und das Leben in einem anderen Land eine wahnsinnige Bereicherung in jeder Hinsicht ist, vermisse ich doch diese scheinbar bedeutungslosen, doch so bedeutungsvollen Momente mit meinen allerbesten Freunden.

Nach drei Jahren im Ausland habe ich einiges dazugelernt, was Fernfreundschaften betrifft, und meine eigenen Strategien entwickelt:

Strategie #1: Wer ist dir wichtig und wer ist es nicht?


Bild: Thành Alex

Es hört sich hart an, aber du wirst nicht mit jedem eine innige Freundschaft, mit manchen nicht einmal den Kontakt aufrechterhalten können.

Wenn du vorhast, eine längere Zeit ins Ausland zu gehen (und mit längerer Zeit meine ich nicht ein oder zwei Auslandssemester, sondern einige Jahre) wirst du dich früher oder später von ein paar Freunden trennen. Das ist unvermeidlich.

Die Sache ist die: Du hast jetzt ein neues Leben. Die Lücken, die manch alte Freunde hinterlassen haben, werden nach und nach mit neuen Freunden in deiner neuen Heimat gefüllt. Genau wie deine bereits bestehenden Freundschaften brauchen auch deine neuen Beziehungen Aufmerksamkeit und Pflege. Überlege also gut, wem du deine Freundschaft schenkst.

Geh’ mit dem Flow. Es wird sich von ganz alleine herauskristallisieren, wer dich weiterhin begleitet und wer nach und nach in deine Vergangenheit rücken wird.

Manche Freunde, von denen du gedacht hast, dass eure Freundschaft ewig hält, werden gehen. Andere wiederum, zu denen du eine eher oberflächliche Beziehung hattest, werden sich plötzlich als deine treuesten Wegbegleiter herausstellen.

Sei gewappnet, ein paar Freunde auf dem Weg zu verlieren und sei bereit, neue Freunde in deinem Leben willkommen zu heißen.

Strategie #2: Routine statt Spontaneität


Bild: Pavan Trikutam

Dates erhalten die Freundschaft. Zugegeben, das ist auch für mich ein neues Konzept.

Ich weiß nicht, woran es liegt, aber seit ich in Finnland lebe, telefonieren ich und meine Freunde viel weniger. Man ist nicht mehr so im Leben des anderen involviert.

Spontane Besuche sind ja nicht möglich, aber selbst spontane Telefonate scheinen zu einem Problem geworden zu sein. Dabei haben wir gerade einmal eine Stunde Zeitverschiebung. Wenn ich dieser Tage mit jemanden telefonieren möchte, läuft es ungefähr so ab.

Ich: „Hase, hast du Montag oder Dienstag mal Zeit zum Tel?“

Hase: „Ja, ruf einfach an.“

Zwei Tage später.

Ich: „Hase, hast du jetzt Zeit?“

Hase: „Ja, ruf einfach an.“

Wie kompliziert kann man bitte sein? Irgendwie nimmt Distanz die Spontanität aus einer Freundschaft. Das hat mich für lange Zeit wahnsinnig frustriert, bis ich einen Schlussstrich gezogen habe: So nicht. Wenn es nicht mehr mit Spontaneität klappt, muss eben eine Routine her. Zugegeben, ich liebe Routinen.

Meine besten Freunde und ich haben vereinbart, jeden Montag um 21 Uhr meiner Zeit und um 20 Uhr ihrer Zeit zu telefonieren. Das kann für eine Stunde sein, für eine halbe Stunde oder auch nur für fünf Minuten — komme was wolle, wir werden Montagabend voneinander hören.

Das hat Anfangs ganz gut geklappt, doch mittlerweile mussten wir unseren Telefontag auf Donnerstag verschieben. Tja, so läuft es eben. Man nimmt sich etwas vor und muss sich dann wieder anpassen. Wir arbeiten weiterhin daran, und hören uns mindestens einmal pro Woche. Das sehe ich persönlich bereits als großen Erfolg.

Plane regelmäßige Telefondates, auch wenn ihr an manchen Tagen nur ein paar Minuten telefoniert. So entwickelt sich eine Routine in eurer Kommunikation.

Strategie #3: Lege dir deine Gruppen zurecht


Bild: pixabay

Apps und soziale Netzwerke machen es möglich: Gruppen!

Auch wenn mich das ständige Piepen meines Telefons manchmal auf die Palme bringt, bin ich dennoch so dankbar, dass ich in Facebook und Whatsapp diese fantastischen Chats mit mehreren Personen haben kann. Diese Möglichkeit kann man nicht in Gold aufwiegen, und doch ist sie gratis (Danke, Internet-Flatrate!).

Denn was man vor einem Umzug nicht bedenkt, ist, dass man nicht mehr an den gelegentlichen großen Ereignissen im Leben seiner Freunde teilhaben kann, sondern eben auch diese vielen kleinen Ups und Downss des täglichen Lebens nicht mehr mitbekommt:

– Der Kauf eines Pullis im Sale. 
– Das gemeinsame Styling vor der Party.
– Das zufällige Treffen auf einen alten, gemeinsamen Freund.
– Die Besprechung der letzten Dschungelcamp-Folge.
– Die Entdeckung des neuen Lieblingscafés.
– Die irre Frau, die mit ihrer Katze Eislaufen geht (gestern gesehen, kein Scherz!).

Die Liste kann man endlos mit kleinen Leiden, großen Freuden und Überraschungen des Alltags fortsetzen. Das sind die scheinbaren Nichtigkeiten, die doch so wichtig sind und im gegenwärtigen Moment ausgesprochen werden möchten. Einfach weil sie witzig, inspirierend, traurig, ironisch oder glücklich sind.

Obwohl, in einer Woche hat man sie wahrscheinlich wieder vergessen (bis auf die Katzenlady). Aber das macht nichts, denn zumindest in einem kurzen Moment konnte man sie mit seinen Freunden teilen, wenn auch nur digital.

Ich liebe es, diesen Konversationen zu folgen, daran teilzuhaben und ein Stückchen Nähe zu meinen Freunden durch mein Smartphone zu erfahren.

Falls trotz allem der Kontakt abbricht?

Dann setzen erstmal Schuldgefühle ein. Wie oft habe ich mich über mich selbst geärgert, dass ich zu manch alten Freunden so gut wie keinen Kontakt mehr habe.

Doch dann habe ich eingesehen: Freundschaft beruht immer auf Gegenseitigkeit. Du bist nicht alleinverantwortlich dafür, ob die Freundschaft auf Distanz bestehen bleibt oder nicht. Es ist ein Wechselspiel. Eine Zeit lang hast du vielleicht mehr Kontakt, und dann gibt es wieder Trockenperioden, in denen man sich kaum hört oder schreibt.

Das ist OK. Das ist Freundschaft. Das ist Leben.

Nicht alle Freundschaften sind für die Ewigkeit gemacht. Manche kommen und gehen. Ich denke dabei immer an die schönen Zeiten, die wir hatten, und was ich aus dieser Freundschaft gelernt habe. Andere wiederum bleiben für immer und nehmen selbst unter den unmöglichsten Umständen kein Ende, sondern entwickeln sich weiter und erfinden sich immer wieder neu.

Das sind die Freundschaften, die ich heilig halte. Das sind die Freundschaften, die ich unter keinen Umständen zerbrechen sehen möchte.

Denn wie es einer meiner Lieblingsautoren François Lelord in seinem Buch „Hector und das Wunder der Freundschaft“ so schön sagt:

„Gute Freunde sind so rar wie Baumriesen.“

Deshalb lässt man sie auch nicht verkümmern.

Tanja hat diesen Text zuerst bei Medium veröffentlicht. Wir freuen uns sehr, dass sie ihn auch mit unserer Community teilt.

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