Foto: Netflix

Warum die Serie Girlboss kein feministisches Manifest ist

„Girlboss”, die Serie, die den Karriere-Weg der Nasty Gal-Gründerin Sophia Amoruso feiert, ist seit einigen Wochen auf Netflix zu sehen. Aber ist ihre Geschichte wirklich so heldenhaft?

 

Wer wollen wir sein?

Spätestens seit ihrem Bestseller: #Girlboss ist Sophia Amoruso eine der Vorzeige-Unternehmerinnen der Millennial-Generation. Und ihre Geschichte ist tatsächlich beeindruckend: Innerhalb weniger Jahre verwandelte sie ihren eigenen kleinen Vintage-Ebay-Shop „Nasty Gal“ in ein millionenschweres Unternehmen. Mittlerweile meldete Nasty Gal Insolvenz an, allerdings erst eine Weile nachdem die Gründerin ihr Unternehmen verkauft hatte. Sophia Amoruso und ihre „Girlboss-Bewegung schwimmen aber weiter auf der Erfolgswelle. 295.000 Abonnenten hat zum Beispiel der Instagram-Account, der vor allem empowernde Sprüche und Bilder von Ikonen der feministischen Bewegung teilt. Vor allem die Zitate, die den gegenseitigen Support unter Frauen in den Fokus rücken, möchte man sich am liebsten ausdrucken und einrahmen.

Ich persönlich habe mich bis zum Start der Serie darüber hinaus nie mit der Person Sophia Amoruso und ihrer Geschichte beschäftigt. Der Hashtag hat es aber schon so einige Male unter meine Instagram-Posts geschafft. Nach einem langen, quälenden Abend, an dem ich die Serie in klassischer Binge-Watching-Manier komplett durchgeschaut habe, schäme ich mich ein wenig dafür. Denn das Nasty-Gal, das die Serie feiert, hat mit einer empowernden Feministin für mich wenig zu tun.

Der Instagram-Account macht sich für Frauen-Support stark. Quelle: Girlboss | Instagram

Sophia nervt 

Was festgehalten werden muss: Die Serie beruht nur „lose auf den wahren Erlebnissen” Amorusos und ordnet sich selbst dem Comedy-Genre zu. Umso schlimmer vielleicht, dass die Protagonistin so furchtbar unreif, egoistisch und selbstbezogen dargestellt wird. Am Anfang der Serie ist Sophia eine unzuverlässige, faule und unhöfliche junge Frau, die ihrer Chefin das Sandwich klaut – und nicht versteht, warum sie daraufhin gefeuert wird. Sie weiß nicht, was sie aus ihrem Leben machen soll und strauchelt deshalb durch ihr Leben in San Francisco. Ein Gefühl, das ziemlich viele Menschen ihrer Generation kennen – und das unbedingt thematisiert werden muss. Das Problem ist nur, wie die Serie es aufgreift. Es ist wichtig, erfolgreiche Lebensläufe abseits der Norm zu zeigen, es ist wichtig zu zeigen, dass wir uns nicht immer anpassen müssen, um unsere Ziele zu erreichen und es ist unglaublich wichtig, über die Existenzängste junger Menschen zu sprechen. Sophia ist 23, hat keinen sicheren Job und deshalb keine Krankenversicherung, bräuchte aber dringend eine Operation. Ein Gefühl, das für viele junge Amerikanerinnen und Amerikaner bittere Realität ist. Der Umgang der Heldin der Comedyserie damit gleicht aber eher dem einer 14-jährigen, die sich einfach nimmt, was ihr gefällt. Sie haut andere Vintage-Händler übers Ohr, klaut ein Buch über erfolgreiche Ebay-Verkäufe und einen Teppich – was ihr der Verkäufer durchgehen lässt, weil sie so hübsch ist – und gründet ihr Multimillionen-Dollar-Imperium in einer alten Lagerhalle. Schon nach der ersten Folge ist klar: Sophia nervt.

Das wäre ok, wäre Girlboss einfach eine weitere Comedy-Serie im Stile von „New Girl“ ohne tiefere Botschaft. Das Buch #Girlboss gilt aber zum Beispiel als eine Art „Lean In”-Lektüre der Millennial-Generation: Sophia Amoruso als Vorbild – und ihr Aufstieg als feministischer Sieg über eine patriachalische Business-Welt. Deshalb muss man sich mit der Serie kritisch auseinandersetzen. Denn ihr Erfolg gelingt der Protagonistin zum Beispiel, weil sie ihre beste Freundin als Mitarbeiterin ausnutzt, aber nicht bereit ist, sie anzustellen und als Partnerin wertzuschätzen. Immer wieder gelingt ihr ein entscheidender Coup, weil sie jemanden austrickst, hintergeht oder einschüchtert. Wollen wir so ein Verhalten wirklich als erstrebenswert und Must-Have für eine erfolgreiche Karriere zelebrieren? Ist hier eine Heroisierung wirklich berechtigt?

Nasty Gal-Gründerin Sophia Amoruso. Quelle: TechCrunch | Flickr | CC by 2.0

Eine Heldin, die schwangere Frauen entlässt

Um diese Frage zu beantworten, lohnt sich auch ein Blick auf die Klagen, mit denen Nasty Gal sich in den letzten Jahren in der Realität konfrontiert sah: Vier ehemalige Mitarbeiterinnen klagten 2015 zum Beispiel, weil sie während ihrer Schwangerschaft illegaler Weise gefeuert wurden. Klingt das nach feministischen Empowerment? Nach einer Heldin der heute 20- bis 34-jährigen? Wollen wir in 20 Jahren auf diese Serie zurückblicken und sagen: Sophia Amoruso hat mir gezeigt, dass Frauen alles schaffen können – wenn sie nur ihre beste Freundin verraten?

Wenn Girlboss tatsächlich zeigt, wie selbstbezogen, egoistisch und nervig unsere Generation wirklich ist – Gute Nacht. Die zahlreichen negativen Reaktionen auf die Serie machen allerdings zum Glück Hoffnung, dass wir eben doch schon etwas sehr Essentielles begriffen haben: gegenseitiger Support ist so viel mehr wert als eine geile Lederjacke und ein gut klingenden Hashtag. Und es gibt sehr viel bessere Serien über Female Empowernment, die es sich lohnt wegzusuchten: The Good Wife, The Good Fight, Girls …

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