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IBM-Chefin Martina Koederitz: „Talente fallen einem nicht auf den Schreibtisch“

Wie fördert man Talente und was hilft weiblichen Führungskräften wirklich? Ein Gespräch mit drei Frauen aus der IBM-Geschäftsleitung.

 

Starkes Dreiergespann

Drei selbstbewusste Frauen, ein langer Tisch, Ruhe. Draußen lärmt die Computermesse CEBIT, es ist der letzte Tag der Messe in Hannover, auf der IBM einen der größten Stände hat. Der IT-Konzern ist einer der größten Arbeitgeber in Baden-Württemberg mit Hauptsitz im schwäbischen Ehningen bei Stuttgart. Cloud, Big Data und Industrie 4.0 sowie „Mobile and Social Technologies” sind die großen Themen für den Konzern, der vor allem Unternehmenskunden hat. Der Blick reicht immer öfter vor allem nach Asien, wo viele Kunden ihre Niederlassungen haben.

Wir treffen die IBM-Chefin Martina Koederitz, CFO Susanne Peter und Patricia Neumann, Vice President Lösungsvertrieb Industrien in der DACH-Region, also Deutschland, Österreich und der Schweiz, zum Gespräch. Die drei Frauen haben einiges gemeinsam: Sie haben Betriebswirtschaftslehre studiert, sie sind bei IBM aufgestiegen und mittlerweile Teil der Geschäftsleitung oder der erweiterten Geschäftsführung.

Eine gute Gelegenheit, um über all die Fragen zu sprechen, die zurzeit rund um die Quote und die Chancen weiblicher Führungskräfte diskutiert werden. Alle drei füllen ihre Rolle als Spitzenkraft völlig selbstverständlich aus. Ihre Worte: weise gewählt, die Frage des Geschlechts – ist keine.

„Es ist egal, wo, wie, wann und mit wem meine Mitarbeiter arbeiten, solange ihre Arbeit gut ist.“

Flexible Arbeitszeiten und die strategische Förderung von Talenten im Unternehmen seien zentral für den Erfolg eines Unternehmens. „Es ist egal, wo, wie, wann und mit wem meine Mitarbeiter arbeiten, solange ihre Arbeit gut ist“, sagt Martina Koederitz im Gespräch. Sie selbst ist ein IBM-Urgestein, arbeitet seit 27 Jahren im Unternehmen. Mit 23 stieg sie nach dem Studium bei IBM ein, als Systemberaterin.

Koederitz steht seit 2011 an der Spitze der Geschäftsführung von IBM Deutschland. Zwei Personen in der sechsköpfigen Geschäftsführung von IBM Deutschland sind weiblich. Neben der Vorsitzenden Martina Koederitz seit September 2014 auch die CFO, Susanne Peter. Wie Koederitz arbeitet auch Peter schon lange, seit 1984 und damit seit mehr als 30 Jahren, im Konzern. Sie war lange international für das Unternehmen unterwegs, hat langjährige internationale Erfahrung im Finanzbereich, die sie in verschiedenen Rollen in Deutschland, Europa und den Wachstumsmärkten des Konzerns sammelte.

„Führungskräfte müssen im Unternehmen nach Talenten suchen, sie fördern.”

War es manchmal schwer, aufzusteigen im Konzern? Im Gespräch mit den drei IBM-Topfrauen wirkt es jedenfalls nicht so. „Führungskräfte müssen im Unternehmen nach Talenten suchen, sie fördern. Talente fallen einem nicht auf dem Tisch“, sagt Koederitz und schaut Patricia Neumann an: „Du warst ja auch nicht plötzlich da.“ Patricia Neumann arbeitet seit 1995 bei IBM in unterschiedlichen Funktionen und Führungspositionen und stieg zuletzt im Juli 2014 auf. Seitdem leitet sie als Vice President das Industries & Business Development Team von IBM in der DACH-Region.

Die Quote würde bei der Frauenförderung keinen Unterschied machen, sind sich die drei Frauen sicher. Die Unternehmenskultur sei zentral.

Es geht um mehr als das Geschlecht

Dazu gehöre die systematische Suche nach Talenten über Jahre, ebenso wie die Vorteile flexibler Arbeitseinteilung: Die Mitarbeiter könnten bei IBM ihre Zeit selbstständig gestalten, mit Blick auf Familie und Freizeit, aber etwa auch, wenn es um die Pflege von Angehörigen geht, sagt Koederitz. Es sei nicht möglich, durch die Quote von heute auf morgen aufzuholen, was viele Unternehmen jahrelang versäumt hätten: Talente aufzubauen. So würde die Quote nur dazu führen, dass qualifizierte Frauen aus den Unternehmen abgeworben würden, die ihre Arbeit richtig gemacht hätten.

Die drei Frauen haben bereits bei ihrem Einstieg etwas erkannt, was für viele weibliche Absolventen heute noch nicht klar zu sein scheint. Die IT-Welt sei schon lange kein rein technisches Feld mehr. Es gehe um Beratung, Projektentwicklung und kreative Lösungen. „Der Erfolg von Unternehmen definiert sich heute durch schnelle Anpassung der Geschäftsmodelle bei stärkerer Einbindung der Kunden“, sagt Martina Koederitz.

Insgesamt gehe es bei IBM bei Thema Diversität nicht nur um das Geschlecht. Die besten Ergebnisse erziele das Unternehmen durch Zusammenarbeit in flexiblen Teams, mit Mitarbeitern mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund und unterschiedlichem Erfahrungsschatz. Und die Herausforderung ist für einen Konzern wie IBM vor allem die ständige Anpassung an den Markt angesichts der fortschreitenden Digitalisierung.

Koederitz steht seit fast vier Jahren an der Spitze von IBM Deutschland. Bereits in den vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts gab es in der US-Zenrale die erste Vizepräsidentin, heute steht mit Virginia Rometty ebenfalls eine Frau an der Spitze von IBM.

Mobiles Arbeiten, Sabbaticals, virtuelle Arbeit

Grundsätzlich ist es allen Mitarbeitern in dem IT-Konzern freigestellt, wann und wo sie arbeiten. Auch in den Büros selbst gibt es keine festen Schreibtische. Das erhöhe die Chancen, dass sich Teams durchmischen. Und die Berater und Vertriebler seien ohnehin meist bei Kunden, erzählt Patricia Neumann. 

„Ob man heute noch Vollzeit arbeitet, wenn man eine Familie hat, hängt vor vielen Faktoren ab. Auch davon, ob wir unseren Job spannend genug finden, um den Wunsch zu haben, für den Job auf Zeit mit der Familie zu verzichten. Wesentlich ist auch, welche Möglichkeiten zum flexiblen Arbeiten ein Unternehmen anbietet“, so Koederitz.

Mobiles Arbeiten, Sabbaticals, virtuelle Arbeit – all das, so wirkt es im Gespräch, ist bei IBM selbstverständlicher als in so manchem Startup.

Wie die drei Frauen es an die Spitze von IBM geschafft haben? Als Team wirken sie enorm verbunden, sehr tough und extrem professionell. Dabei aber auch zu verschlossen, um vielleicht doch etwas über Irrungen und Wirrungen oder zumindest den ein oder anderen Schlenker im Lebenslauf erfahren zu können.

 

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