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Für immer kinderlos? Wie mich diese Frage immer mehr beschäftigt

In meinem Freund*innenkreis werden inzwischen auch andere Konzepte als die klassische Kleinfamilie gelebt – aber ich will genau das: eine konventionelle Familie. Aber gibt es überhaupt noch die Chance, auf Männer in meinem Alter zu treffen, die Kinder wollen und noch keine haben?

 

Kinder? Ja, bitte! 

Da ist es wieder: dieses stechende Gefühl in der Brust. An mir läuft eine Kleinfamilie vorbei. Der junge Vater schiebt den blauen Kinderwagen, während er sich entspannt mit der Mutter unterhält, die an ihrem Kaffeebecher nippt. Ich bin außer Atem, jogge an ihnen vorbei – und dann kullern mir die Tränen die Wange runter. Die Sonne scheint und ich sage mir: „Alles zu seiner Zeit“, glauben tue ich mir das aber nur halb. 

Ich bin inzwischen 36 Jahre alt. Seit zehn Jahren wünsche ich mir eine eigene Familie. Das scheint für mich aber unerreichbar zu sein, während es für Millionen von Menschen das Normalste der Welt ist.

Überall wo ich hinschaue, glückliche kleine Familien … 

Auf dem Campingplatz an der Müritz, im Freund*innenkreis (gerade jetzt, während ich diesen Text schreibe, schreibt mir eine Freundin, dass sie schwanger ist), am Ufer … überall sind diese Kleinfamilien, die zusammenhalten, präsent. 

Ich lebe in einer Stadt der vielen Möglichkeiten. Neulich war ich mit einer Freundin und ihrem zehnjährigen Sohn Tischtennis spielen. Wir spielten Rundlauf mit Anfang-20-jährigen, die gerade von einer Party kamen. Einer fragte, wer denn von uns beiden die Mutter sei, dann, ohne mit der Wimper zu zucken, oder ob wir beide die Mütter wären. Ich musste schmunzeln und war stolz darauf, wie diverse Familienkonzepte angekommen sind, zumindest schon mal in Kreuzberg, dachte ich.

Familie wird immer vielfältiger definiert 

Hier finde ich mich immer häufiger umgeben von neuen Familienkonzepten. Meine Kollegin z.B. lebt in einer polyamourösen Familie mit einer Frau und einem Kind. Beide haben noch jeweils eine andere Partnerin. Andere Frauen sind entspannt mit sich, weil sie keine Kinder haben wollen. Trotzdem müssen sie sich dafür aber vor anderen rechtfertigen. Und viele von den Frauen, die jahrelang sagten, sie könnten sich noch nicht vorstellen Kinder zu bekommen, haben nun auch welche. 

Auf einer Konferenz zum Thema „Vielfalt in Familie“ wird das Co-Parenting vorgestellt. Eine transsexuelle Frau berichtet, wie sie mit ihrer guten Freundin und Mitbewohnerin inzwischen zwei gemeinsame Kinder hat und diese zusammen mit sogenannten Pat*innen (zwei für jedes Kind) groß zieht. Ich finde das großartig und es klingt verlockend, ein Kind mit jemanden in die Welt zu setzen, mit dem es wenig Streitpotential gibt. 

Inzwischen gibt es einige Portale, auf denen Menschen sich zusammen finden können, sich kennenlernen, um gemeinsam ein Kind zu bekommen, ohne Liebe. Eine ehemalige Mitbewohnerin erzählte mir, dass sie genau dort ihren Traummann kennenlernte. Sie waren kurze Zeit zusammen, bis er von einem Tag auf den nächsten verschwand. In zwei Wochen will sie zur Samenbank gehen und das Kind allein mit Hilfe ihres Bruders und ihrer Familie aufziehen. Andere Frauen haben Kinder durch Affären und ziehen erhobenen Hauptes ihre kleinen Sprösslinge mehr oder weniger allein auf. Freund*innen, Eltern oder auch Partner*innen kümmern sich nach Bedarf mit um das Kind.

Muss ich mich von meiner Vorstellung verabschieden? 

Ich selbst bin bei meiner alleinerziehenden Mutter aufgewachsen und fühle mich zwischen all diesen Konzepten wahnsinnig konservativ. Im Vergleich zu meinem Freund*innen -und Bekanntenkreis halte ich mit meiner Art des Kinderwunschs an einer traditionellen Vorstellung fest: ein Kind zu bekommen, mit einem Partner, den ich liebe und der mich liebt, der bereit ist, durch dick und dünn mit mir/mit uns zu gehen.

Und was, wenn dieser Mann bereits Kinder hat? Auch dieser Gedanke stört mich irgendwie. Gibt es sie noch, die Männer die keine Kinder haben, aber gerne welche wollen? Und wenn ja, wo sind sie? Werde ich mit dieser tradierten Vorstellung kinderlos bleiben? Eine Freundin und meine Mutter empfehlen, die Dinge anzunehmen, wie sie sind. Es ist, wie es ist. Muss ich mich tatsächlich öffnen? Muss ich mich von meiner Vorstellung lösen? 

Ich wische mir die Tränen aus dem Gesicht, jogge vorbei an der Kleinfamilie und frage mich, ob sie wirklich so glücklich sind, wie sie aussehen und ob sich meine Tränen vielleicht eines Tages doch noch in Freudentränen verwandeln werden.

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