Ihr seid fertig mit der Uni und bereit für den ersten richtigen Job? Wir haben uns bei Personalern umgehört, worauf sie bei eurer Bewerbung wirklich achten. In den Anfang macht Christina Griese von der Agentur Yours Truly.
„Nehmt euch Zeit, euch auf allen Ebenen weiterzuentwickeln!“
Was müssen Uni-Absolventen
bei der Bewerbung anbieten, um für potentielle Arbeitgeber nach der Uni
als interessant zu gelten? Möglichst viele Praktika? Längere
Auslandsaufenthalte? Bloß keine Lücken im Lebenslauf, dafür aber
soziales Engagement? Wir haben uns bei Personalern aus unterschiedlichen
Fachbereichen umgehört, um zu sehen, wobei es sich um Gerüchte handelt und worauf
es bei eurer Bewerbung wirklich ankommt.
Christina Griese ist HR Director bei der Hamburger Kreativagentur Yours Truly. Bei der Auswahl ihrer Bewerberinnen und Bewerber spielt für sie eine starke und vielseitige Persönlichkeit eine große Rolle. Welche Fehler ihr besser nicht macht, erzählt sie im Interview.
Wie wichtig ist dir der jeweilige
Abschluss eines Uni-Absolventen, der sich bei euch auf einen Job bewirbt?
„Abschlüsse sind wichtig, um Durchhaltevermögen zu
zeigen. Unsere Projekte sind manchmal langwierig und komplex, da muss man sich durchbeißen.
Wenn jemand bereits nach dem Bachelor-Abschluss genau weiß, was er oder sie
machen will und sich bereit fürs Arbeitsleben fühlt, dann los! Außerdem lernt
man im Studium ja hoffentlich auch, über den berühmten Tellerrand hinauszuschauen
und sich selbst weiterzuentwickeln. Das ist in der Kreativbranche sehr wichtig.“
Wie genau schaust du auf die im Studium
erbrachten Leistungen und Noten der Bewerber?
„Ich schaue mir die Noten an, aber sie sind nicht
alles entscheidend. Ich finde Tendenzen in bestimmten Fächern, die für den
jeweiligen Job relevant sind, hilfreich. Wenn man in einer Agentur den
beratenden oder wirtschaftlichen Part übernehmen will, zum Beispiel als Junior
Project Manager, dann sollten die betriebswirtschaftlichen Fächer sowie
organisatorische und strategische Basics top sein.
Bei Kreativen sind die
Auswahlkriterien andere. Hier kann ich ein Portfolio und den kreativen Output
bewerten und bin weniger auf Noten angewiesen. Außerdem können die Fehlzeiten
oft ein Indiz dafür sein, wie ernst der Kandidat sein Studium und seinen Job
nimmt.“
Wie viele Praktika
sollte man deiner Meinung nach während seines Studiums bereits absolviert
haben?
„Das Studium ist meiner Meinung nach die beste Zeit,
um sich auszuprobieren. Man kann sich gerne ein bis zwei Semester Zeit nehmen
und sich erst einmal orientieren. Idealerweise nimmt man sich dann ab dem
vierten Semester für mindestens drei, besser aber sechs Monate, die Zeit für
ein Praktikum. Wenn man einen Master dranhängt und noch unsicher ist, wie der
Job aussehen soll, kann man hier noch einmal ein Praxis-Semester einlegen. Später
im Job kann man sich nicht mehr so leicht in unterschiedlichen Bereichen ausprobieren.“
Gibt es Fälle, in denen jemand die
falschen Praktika absolviert hat?
„Falsche Praktika gibt es für mich nicht. Es kommt
durchaus vor, dass ich bei einer Vita darüber stolpere, dass jemand in einem
völlig anderen Bereich ein Praktikum gemacht hat. Das finde ich aber erst einmal
spannend, weil es von Neugierde und Wissbegierde zeugt. Dann frage ich nach und
freue mich umso mehr, wenn es eine tolle Geschichte dazu gibt.“
Kann es stattdessen vorkommen,
dass jemand zu viele Praktika gemacht hat?
„Zu viele Praktika kann es in der Tat geben. Wenn
ein Masterand statt des Berufseinstiegs immer und immer wieder Praktika an Stelle des
Berufseinstiegs wählt, dann macht mich das stutzig, denn das könnte von zu wenig
Durchsetzungsvermögen und Ehrgeiz zeugen. Ich vermisse bei den Young Talents ab
und an etwas Demut und den Willen zu lernen statt direkt leiten zu
wollen.“
Wie wichtig sind dir Auslandsaufenthalte
im Lebenslauf?
„Über den Tellerrand zu schauen, finde ich in jeder
Hinsicht wichtig. Sich nach der Schulzeit abzunabeln oder während des Studiums
in die große weite Welt zu gehen, hat erfahrungsgemäß noch nie geschadet. Ich
merke jungen Bewerbern recht schnell an, ob sie sich schon mal allein in
schwierigen Situationen durchkämpfen mussten oder bisher nur den Weg zur U-Bahn
alleine schaffen.
Flexibilität im Kopf und Improvisationstalent kann man sich
durch Reisen und fremde Umgebungen aneignen, aber auch durch andere Erfahrungen
fernab von Schule und Studium.“
Wie steht es mit dem sozialen Engagement des Bewerbers oder der
Bewerberin?
„Soziales Engagement ist sehr wichtig – nicht nur, weil es grundsätzlich sympathisch
und reflektiert wirkt. Eine Agentur ist eine Mikro-Gesellschaft auf engem Raum,
die viel Zeit miteinander verbringt. Da sind ein soziales Miteinander,
Achtsamkeit, klare Kommunikation auf Augenhöhe und Respekt die Grundlage für
ein tolles Arbeitsklima und gute Ergebnisse.
Aber Reibung erzeugt Wärme und
wenn es bei der Ideenentwicklung doch mal knallt, dann muss man eben frische Luft
schnappen und weiter geht’s. Zum Glück haben wir dafür in der Agentur unsere
Dachterrasse über den Dächern Hamburgs und eine Tischtennisplatte, wenn doch
noch was ausgetragen werden muss. Eben wie in einer Familie oder unter
Freunden.“
Sollte man sein Studium auf jeden Fall in der Regelstudienzeit beendet haben?
„Die Berufseinsteiger sind heute so jung! Abi mit 17,
Bachelor mit 20, Master mit 21. Und dann soll man wissen, was man will und ab
ins Berufsleben? Ich finde es toll, wenn jemand zielstrebig ist. Aber im
Berufsleben warten noch mehr Herausforderungen als die rein Fachlichen. Das
sagt einem selten jemand vorher.
Bei uns im Job hat man es mit Menschen zu tun,
die einen auf allen Ebenen fordern. Also kann ich den jungen Talenten da
draußen nur raten: Nehmt euch Zeit, euch auf allen Ebenen weiterzuentwickeln!
Diese Freiheit wird im Berufsalltag so schnell nicht mehr kommen, man sollte
sie sich aber immer wieder nehmen.“
Gilt es für dich als Nachteil, wenn man vor dem Abschluss
bereits ein Studium abgebrochen hat?
„Abbruch bedeutet in unserer Kultur, also gerade in
Deutschland, dass man scheitert. Diese Wahrnehmung geht schon in der Schule los
und endet auch nicht bei gescheiterten Startups. Das finde ich schade! Denn
scheitern heißt erstens den Mut zu haben, etwas zu versuchen, zweitens Mut es
selbst zu beenden und drittens bietet es die Möglichkeit beim nächsten Mal
genauer zu wissen, was man will und kann.
Vermeintlich Brüche im Lebenslauf
sollte man meiner Meinung nach nie vertuschen, sondern dazu stehen. Sie bieten
Anknüpfungspunkte im persönlichen Gespräch und werden zum Pluspunkt, wenn man
eine plausible Erklärung hat, die die eigene Persönlichkeit hervorbringt.
Natürlich hat alles Grenzen. Notorische Abbrecher, die nichts durchhalten, will
man natürlich nicht gern als Kollegen.“
Was ist für dich ein absolutes “No Go“ in
der Bewerbung oder im Bewerbungsgespräch?
„Bei der schriftlichen Bewerbung gehen
Flüchtigkeitsfehler und falsche Ansprachen gar nicht. Oft lese ich viel zu
lange Anschreiben, die ziellos wirken oder nicht sagen, was der Bewerber will. Im
persönlichen Gespräch gibt es mehr Potential es zu verbocken, aber auch den
Gesprächspartner komplett von sich zu überzeugen.
No Go’s sind Unpünktlichkeit,
unvorbereitet zu sein und generell dem Gesprächspartner das Gefühl zu
vermitteln, dass ihm die Chance egal sei.“
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