Foto: Carina Stöwe | www.travelrunplay.de

Wie geht das: Reisen auf der Panamericana – und währenddessen arbeiten?

Carina ist ein Jahr lang im VW Bulli durch Südamerika gereist – und hat immer dann gearbeitet, wenn es eine Internetverbindung gab. Sie schreibt von der Unabhängigkeit und Abhängigkeit des digitalen Nomadentums.

 

An manchen Tagen geht einfach nichts

Konzentration, Fokus, Ziele erreichen… eine Gras-Fahne weht mir um die Nase und die Boxen werden noch ein Stück lauter gedreht. Bum-tzi-bum-tschak – nach zwölf Monaten in Südamerika hat meine lateinamerikanische Musiklautstärkenschmerzgrenze soeben ein neues Level erreicht. 

Ich verfluche meine Mantras und klappe den Rechner mit Schwung zu. Die zunehmend einlullenden Grasschwaden in der Luft und das spitzer werdende Giggeln aus der Boxenecke versichern mir, dass in Cartagena an diesem Abend nichts Produktives mehr zustande kommt. Auch von meiner Seite nicht. 

Es gibt Tage wie diesen, da geht einfach nichts. Neben dem inneren Motivationskampf, mal wieder auf Inbox Zero zu kommen und die 246 neuen Kommentare auf Youtube zu beantworten, machen mir heute mal wieder die äußeren Umstände einen Strich durch die Rechnung. 

Das Ultimum an Freiheit

Seit einem Jahr reise ich mit meinem Freund und unserem VW Bulli durch Südamerika. Ein Traum, den wir uns erfüllen, ein großes Abenteuer – das finden sowohl Freunde auf Facebook, mit denen ich länger keinen Kontakt hatte, als auch flüchtige Bekanntschaften, wenn ich ihnen erzähle, was ich gerade so treibe. Die Panamericana zu bereisen, ist immer noch eine der größten Sehnsuchtsvorstellungen, das Ultimum an Freiheit und Unabhängigkeit. Und dann auch noch in dem dazu passenden Gefährt, dem VW Westfalia. Ich würde alles richtig machen, heißt es dann. 

Was sie nicht wissen, ist, dass das weitaus größere Abenteuer darin besteht, neben diesem Monster-Road-Trip auch noch ein Online-Business zu schaukeln. 

Für Außenstehende sind sie fast unsichtbar und doch reisen sie immer mit: meine Arbeit als freischaffende Filmemacherin, mein Blog, mein Youtube-Kanal und die Community, die damit gewachsen ist. 

Das alles war mit im Gepäck, als ich in Argentinien meinem ersten Gletscher gegenüberstand und am Abend im Café mit den anderen Gringos um den Slot in der Internetverbindung wettklickte. Oder als der Bulli in den steilen Straßenschluchten von Potosis einfach den Geist aufgab und mir einen gewaltigen Strich durch die Deadline machte, die ich am kommenden Tag reißen musste. Und auch als ich in Cusco am Campingplatz mit der schnellsten Internetverbindung der Welt eine Standleitung zu meiner Geschäftspartnerin Mandy nach Berlin eingerichtet hatte, um unser E-Book für Laufeinsteiger zu launchen. Oder eben wie heute, an diesem ganz normalen Abend im Hostel-Alltag, in den ich mit meiner Get-shit-done-Mentalität gerade nicht so richtig reinpasse. 

Von der Suche nach der nächsten Dusche und dem schnellsten Wifi

Als Overlander – wie man im Insiderjargon Menschen nennt, die mit einem Wagen die Welt bereisen – muss man nicht allzu viele Dinge bei der Wahl der Schlafmöglichkeiten beachten. Bett, Küche, Essen und Habseligkeiten hat man in seinem kleinen Haus auf zwei bis vier (oder mehr) Rädern immer mit dabei, weswegen man gut und gerne auch mal ohne größere Umstände ein paar Tage in der Wildnis campieren kann. Wenn ein Fluss oder ein See in der Nähe ist zum Baden a.k.a. Duschen – umso besser. 

Der wichtigste Faktor bei der Suche nach einem Standplatz ist meistens die Sicherheit und so kommt man manchmal nicht drum herum, an so unromantischen Orten wie Tankstellen oder, insbesondere in Städten, in Hosteleinfahrten unterzukommen. So wie am heutigen Abend.

Der eindeutige Vorteil dieses Stückchens an Sicherheit und Zivilisation ist für mich, außer einem ordentlichem Realitätscheck, die damit (meist) einhergehende Internetverbindung zur Außenwelt und zu meinem Job. Ich mache diesen großen Trip der Freiheit und Unabhängigkeit und doch bin ich abhängig. Das bringt meine Arbeit im Internet mit sich und meinen Freund von Zeit zu Zeit auf die Palme.

Jede Selbstständige kennt das Phänomen der „nur noch einen Stunde…“, die viel zu schnell verfliegt und plötzlich ist es mitten in der Nacht und man sitzt immer noch am Laptop zwischen Faultiervideos auf Youtube und der letzten Umsatzsteuervoranmeldung.

Wenn man auf Reisen arbeitet, gibt es dieses Phänomen ebenfalls. Nur dass man diese eine Stunde, die glorreiche Zeit, in der man endlich eine stabile Verbindung gefunden hat, voll und ganz mit sinnvollen Tätigkeiten füllt und sich nicht ablenken lässt. Die Faultiere warten sowieso in echt und in Farbe im nächsten Baum.

Durch die zwangsläufige Internetabstinenz habe ich im letzten Jahr gelernt, effizienter zu arbeiten. Die Tatsache, dass ich meinen Rechner aufgrund der fehlenden Stromversorgung im Bulli nur an Orten mit Steckdose aufladen kann und ganze vier Stunden und 15 Minuten im Videobearbeitungs-Modus oder neun Stunden und 23 Minuten im Schreibmodus habe, tut ihr übriges. Viele Gurus und Mentoren predigen, dass man nur mit einer ordentlichen Arbeitsroutine ein Business stemmen kann. Ich sage: Meist reicht es einfach aus, die Internetverbindung zu kappen. Den Versuch, auf meinem Road Trip eine Arbeitsroutine zu entwickeln, habe ich schon lange aufgegeben, und das Business läuft trotzdem.

(M)eine Art zu reisen

Einige Male wurde ich gefragt, warum ich mir das überhaupt antue, auf der Reise zu arbeiten und ob ich den Trip überhaupt genießen könne. Das ist der Punkt, den ich nicht allen Fragenden verständlich machen kann, aber bestimmt dir, wenn du diesen Beitrag liest:

Ich habe mich selbstständig gemacht, um mich verwirklichen zu können, um die kühnsten Träume in meinem Kopf in die Realität umzusetzen und mein Leben nach meinen Vorstellungen zu gestalten. Dazu gehört auch die Freiheit, meine Arbeit von überall auf der Welt aus erledigen zu können. Und momentan ist das in meinem Bulli auf der Panamericana Richtung Norden. Anders als das Standard-Modell „Oh nein, ist schon wieder Montag?!“ macht mir meine Arbeit verdammt viel Spaß und so ist sie für mich kein Zeitfresser, sondern ein entscheidender Faktor, um meine Reise „komplett“ zu machen. Mit all ihren Stromversorgungs- und lahmen-Internet-Hürden.

Das ist auch der Grund, warum ich diesen Abend noch nicht abschreibe. Ich verlasse das dröhnende Hostel und schlage mich durch das wuselige nächtliche Treiben im hitzigen Cartagena ins nächste Café, bangend um den Zustand der Wifi-Geschwindigkeit. Es ist prall gefüllt, laut und chronisch A/C-unterkühlt. Ich suche mir eine Ecke und schlürfe am zweiten Chai-Tee, den ich in diesem Jahr in die Finger bekomme und schlage meinen Laptop auf. Um halb elf werde ich zusammen mit den letzten dieser Zeilen rausgekehrt. Das ein oder andere Youtube-Video war zugegebenermaßen involviert.

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