(c) EYECANDY

„Warum sollte man Sex haben, wenn er nicht gut ist? Das macht einfach keinen Sinn“

„Peace, Bitches. Nimm dich, wie du bist – mehr brauchst du nicht“. Der Titel von Evelyn Weigerts Buch macht unmissverständlich klar: Es geht um Selbstakzeptanz. Aber wie schafft man es, Frieden mit dem eigenen Körper zu schließen und weniger auf die Meinungen anderer zu hören?

Bitch – ist das nun eine Beleidigung oder eine empowernde Selbstbezeichnung? Als ich Evelyn Weigert frage, was sie meint, fährt sie sich durch die Haare, tut kurz so, als ob sie wirklich darüber nachdenkt und erklärt dann fröhlich, man müsse nicht immer alles so ernst nehmen. Mit den „Bitches“ meint sie all die anderen Frauen, die wie sie manchmal an ihrer Coolness zweifeln, sich an manchen Tagen für ihren Körper schämen oder sich nicht immer super smart ausdrücken. Es geht darum zu sagen: „Peace, Bitches. Es ist alles nicht so dramatisch, wie wir oft denken. Am Ende sitzen wir alle im selben Boot.’“

„Ich finde es einfach mega gut zu wissen, dass man nicht allein ist mit der Scheiße.“

Evelyn Weigert

Gerade auf Instagram geht es viel um das große Thema Selbstliebe. Hassen wir uns jetzt heimlich, weil wir nicht zugeben, dass wir das Selbstliebegame nicht beherrschen?

„Wenn ich mich so in meinem Freundinnenkreis umschaue, habe ich schon das Gefühl, dass wir uns immer noch schämen. Klar, viele Themen werden jetzt offener angesprochen, vielleicht reicht es aber für den Anfang auch überhaupt schon zu sagen, dass man sich schämt. Ich finde es einfach mega gut zu wissen, dass man nicht allein ist mit der Scheiße.“

Du sagst, du hast keine Lust mehr, dein Leben ständig auf Instagram-Tauglichkeit zu überprüfen. Was meinst du damit?

„Wir wissen alle, wie Körper wirklich aussehen, wenn man sie nicht inszeniert und wir alle wissen, dass alles, was auf Instagram gepostet und geschrieben wird, vorher genauestens durchdacht ist. Das ist problematisch, weil dadurch unrealistische Körperbilder entstehen. Ich versuche, mich davon freizumachen und zu zeigen: So sieht übrigens ein Körper aus, wenn man ein Kind bekommen hat! Aber auch ich poste von dem Shit noch das beste Bild.“

Nach dem Motto: Mehr Realität auf Instagram, aber man muss sich auch selbst wohl damit fühlen?

„Jede*r muss jetzt body positive sein. Aber ich finde, das eine hat nichts mit dem anderen zu tun. Warum soll ich mich selbst verarschen? Das macht mich am Ende des Tages nicht glücklicher. Was mich glücklicher macht, ist mich auszutauschen und die Dinge mit Humor zu nehmen. Ich finde es zum Beispiel mega lustig, wenn ich mit meiner Schwester und meiner Mama unsere Schwachstellen benenne und wir gemeinsam drüber lachen.
Selbst die schönsten, vermeintlich perfektesten Frauen haben ihren persönlichen Struggle. Warum sind meine Nippel immer noch so groß, obwohl ich nicht mehr stille? Das auszusprechen ist meine Art, damit klarzukommen.“

In deinem Buch erzählst du, wie du mit Freundinnen darüber sprichst, dass deine Brüste nach zwei Schwangerschaften nicht mehr wie vorher aussehen, woraufhin eine von ihnen dir rät, sie operieren zu lassen. Warum kommt so etwas trotz der Zweifel nicht infrage?

„Bei mir ist es oft so, dass ich einmal aussprechen muss, was sich verändert hat oder was mir an mir auffällt und ich dann aber merke, dass ich meine Brüste beispielsweise gar nicht so scheiß finde. Dass sie sich verändert haben, ist dann vielmehr eine Feststellung. Ich verstehe, dass meine Freundin in dem Moment nach einer Lösung gesucht hat. Aber die braucht es manchmal gar nicht.“

„Selbst die schönsten, vermeintlich perfektesten Frauen haben ihren persönlichen Struggle.“

Evelyn Weigert

Oft weiß man ja auch nicht genau, welche Reaktion jemand mit so einer Feststellung über den eigenen Körper erwartet. Möchte die Person Zuspruch, Protest oder einen Tipp? Welche Erwartungen hast du persönlich an eine gute Freundinnenschaft?

„Das Wichtigste für mich ist Ehrlichkeit. Mit Menschen, die ehrlich und witzig sind, habe ich eine besondere Chemistry. So geht es mir mit meiner besten Freundin, mit der ich am Telefon heule und fluche und am Ende immer lache. Aber auch mit meinem Ehemann. Ich kann gar nicht genau sagen, warum ich den so absurd liebe. Vor einigen Jahren hätte ich noch behauptet, dass jemand wie er nicht mein Typ ist.“

Du schreibst, dass du dich früher viele Jahre beim Dating verstellt hast, um Männern zu gefallen und dich dadurch nie wirklich fallen lassen konntest. Du hattest bestimmte Erwartungen, wie dein Partner sein sollte. Wie hast du dich davon freigemacht?

„Entspannung ist die halbe Miete. Manche Dinge kann man nicht rational angehen und erklären, die fühlt man einfach. Ich glaube daran, dass wir auf die Welt kommen und ein gutes Bauchgefühl haben. Leider hatte ich das zwischenzeitlich irgendwie verloren und habe mehr auf das gehört, was andere gesagt haben.“

Nicht nur in Sachen Dating, auch in deinem Sexleben hast du es geschafft, dich lockerer zu machen. Dabei diente dir ein Mini-Vibrator in der Handtasche als Reminder. Was hat es damit auf sich?

„Viele Frauen verstecken ihren Vibrator in einer Schublade neben dem Bett. Genauso heimlich gehen sie vor anderen mit ihren Bedürfnissen um. Ich habe ziemlich lange gebraucht, bis ich beim Sex gesagt und gezeigt habe, was ich möchte. Auf einer Reise habe ich mir dann einen Mini-Vibrator gekauft, den ich wie eine Binde oder ein Accessoir in der Handtasche mitnehmen kann. Bei einem der ersten Dates mit meinem Mann habe ich ihn rausgeholt und er fand das total cool. Ich möchte ein Sexleben, bei dem ich genau wie er auf meine Kosten komme.

„Ich habe ziemlich lange gebraucht, bis ich beim Sex gesagt und gezeigt habe, was ich möchte.“

Evelyn Weigert

Das war die beste Entscheidung meines Lebens. Und ich bin stinksauer, dass mir das nicht schon viel früher in den Sinn gekommen ist. Warum sollte man Sex haben, wenn er nicht gut ist? Das macht einfach keinen Sinn.“

Du schreibst, dass du dich früher oft beim Sex selbst beobachtet hast und beispielsweise in bestimmten Stellungen den Bauch eingezogen hast…

„Ja, oder ich habe mich gefragt, wie mein Arschloch aussieht. Völliger Quatsch, als ob irgendein Typ sich in dem Moment so genau darauf konzentriert und analysiert, wie es aussieht?“

Wie kommt man aus diesem ständigen Beobachten raus?

„Ich würde mich gerne mal mit den Augen der Menschen sehen, die mich lieben. Als ich meinem Mann erzählte, dass ich mich auf einer Party geärgert habe, weil ich mir neben der einzigen anderen schwangeren Frau wie ein Trampel vorkam – in meinen Augen war sie eine wunderschöne Elfe mit kleinem Bauch – musste er sehr laut lachen. Er konnte überhaupt nicht verstehen, was da in meinem Kopf vor sich ging.

„Ich würde mich gerne mal mit den Augen der Menschen sehen, die mich lieben.“

Evelyn Weigert


Ich glaube, wir alle sind viel liebevoller zu uns und unseren Körpern, wenn wir sie aus einer anderen Perspektive betrachten.“

Ich finde es beeindruckend, wie sicher du mit dir selbst bist, obwohl es in deiner Vergangenheit Situationen gab, in denen du ziemlich verunsichert wurdest. Mit 15 wurdest du von der Schule geworfen, weil du im Kunstunterricht einen Penis getöpfert hast. Was war da los?

„Total absurd, oder? Wir sollten eigentlich alle eine Schale formen. Als mir das nicht gelingen wollte, habe ich angefangen, einen sehr schönen Penis zu töpfern. Alle waren total begeistert, selbst die Lehrerin – bis sie sah, dass die anderen es mir nachtaten und auch anfingen, Penisse zu formen. Da war ich auf einmal die Unruhestifterin.
Heute sehe ich, wie ungerecht das war und kann zum Glück drüber lachen. Aber damals war das echt die Hölle. Ich komme aus einem Dorf in Bayern, die Story hat sich superschnell rumgesprochen. Dabei war ich einfach nur eine neugierige Teeangerin, aufgeschlossen, kreativ und eigentlich ziemlich witzig. Es gibt Jugendliche, die Drogen nehmen und wirklich schlimme Dinge tun, wegen der man sie der Schule verweist. Ich habe damals komplett das Vertrauen in Erwachsene und vor allem in Pädagog*innen verloren.“

Was hat dir geholfen, nicht den Glauben an dich selbst zu verlieren?

„Ich hatte zum Glück immer auch Leute um mich herum, die es gut mit mir meinten und die mich immer wieder auf die richtige Bahn gebracht haben. Einen ganz großen Anteil daran hat meine Familie, die mir einfach immer einen offenen Blick geschenkt hat. Das sind echt coole Leute einfach. Ich wünsche allen da draußen, die wie ich einen etwas anderen Weg gehen, dass sie erkennen, dass ihr Lebensweg vielleicht zurecht ein anderer ist und es okay ist zu schauen, wohin er sie führt.“ 

Vielen Dank für das Interview!

„Peace, Bitches!“

Evelyn Weigert nimmt kein Blatt vor den Mund und spricht schonungslos offen über alles, worüber Frauen sonst gar nicht oder nur verschämt sprechen. Ihre Fans lieben sie für ihre direkte und unangepasste Art, alles – aber vor allem sich selbst – auf die Schippe zu nehmen. Hinter ihrem derben Witz steckt aber auch ein ernster Kern: Selbstakzeptanz, offener Umgang mit Tabuthemen und Nicht-Immer-Allen-Gefallen-Müssen – damit eckt sie an und inspiriert alle dazu, endlich weniger Wert auf die Meinung anderer zu legen.

Ullstein Buchverlage, 11,99 Euro, support your local bookdealer!

Anzeige