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„Du hast einen viel zu hohen Anspruch!“ – so geht man am besten mit ungefragtem Feedback um

Unsere Community-Autorin Stephanie findet, dass wir Feedback nur dann annehmen sollten, wenn wir uns kritisch mit uns und unseren Zielen auseinandergesetzt haben.

 

Kritik lässt uns wachsen

Wenn man aus dem Stegreif drei Stärken und drei Schwächen aufzählen müsste,  was würde einem wohl leichter fallen? Ich glaube, wir selbst sind unsere größten Kritiker und uns fällt immer erstmal ein, was wir nicht so gut können. Vielleicht seid ihr ja auch — so wie ich — Perfektionisten,  die sich permanent hinterfragen und besonders stark kritisieren. „Hätte ich mich in der Situation doch lieber anders verhalten!” oder „Warum habe ich mich dort schon wieder so aus der Fassung bringen lassen?” Diese Fragen habe ich mir im Laufe des Jahres oft gestellt und mich im Nachhinein immer wieder über mich selbst geärgert. Am Ende sogar darüber, dass ich mich über mich selbst ärgere.

Und dann gibt es ja nicht nur die Kritik, die wir an uns selbst richten, sondern auch das Feedback, das wir hier und dort von Außenstehenden erhalten – sowohl positives, als auch negatives. Um sich selbst zu optimieren, sich weiterzuentwickeln und besser in dem zu werden, was man tut, ist dieses Feedback sehr notwendig und wichtig. Es kann tatsächlich Gold wert sein!

Ungefragtes Feedback

Im Alltag ist es jedoch oft so, dass Feedback unbedacht ausgesprochen wird. Sehr schnell können diese ad hoc getätigten Aussagen verunsichern. Zum einen macht hier natürlich immer der Ton die Musik und zum anderen sollte gerade bei kritischen Äußerungen stets die konstruktive Komponente nicht fehlen.

Folgendes kritische Feedback habe ich im Laufe des Jahres in unterschiedlichen Situationen erhalten:

„Du bist zu innovativ, du passt hier einfach nicht rein!“

„Du bist sehr ehrgeizig!“

„Du hast einen viel zu hohen Anspruch an andere Menschen!“

„Du bist zu innovativ, du passt hier einfach nicht rein!“

Ganz die Perfektionistin, die ich bin, habe ich mich natürlich mit diesen Aussagen auseinander gesetzt. Und klar, im ersten Moment haben sie mich verunsichert. Verunsichert deshalb, weil sie eben nicht konstruktiv waren. Was heißt das, zu innovativ zu sein? Muss ich einen Gang zurückschalten? Sicherlich muss man bei aller Innovation schauen, niemanden abzuhängen. Aber ein „Du passt hier nicht rein” ist schon hart zu verdauen. Hat diese Person überhaupt das Recht, darüber zu urteilen, wer wo reinpasst?! Dennoch klingt dieses Feedback nach und in bestimmten Situationen erinnere ich mich an solche Aussagen zurück. Sie machen mich zum einen traurig und lassen mich andererseits zu einer noch größeren Rebellin werden, als ich es sowieso schon bin.


Wollte man mir zu verstehen geben, dass mein Ehrgeiz verbissen wirkte? Was soll ich darunter verstehen, dass ich einen zu hohen Anspruch an Menschen habe? Dass ich auch mal Fünfe gerade sein lassen muss? Dass ich aufpassen muss, damit sich die hohe Erwartungshaltung an mich selbst nicht auf andere überträgt? Doch wer definiert das richtige Maß an Anspruch eigentlich? Und grundsätzlich entspricht es meinen Vorstellungen doch viel eher, andere zu unterstützen, damit wir alle besser werden — o hne mir überhaupt anmaßen zu wollen, dass ich es besser wüsste als andere. 

Kritikfähig durch Selbstreflexion

Feedback ist ein Geschenk  — das stimmt. Aber eines sollte man nicht vergessen: Feedback ist auch immer eine ganz subjektive Sache und am Ende entscheidest nur du darüber, ob du dieses Geschenk auch tatsächlich annehmen willst. Und eine Sache habe ich in den letzten Jahren gelernt: Nur wenn man sich selbst kennt, kann man entscheiden, welches Feedback man annehmen möchte! Um sachlich mit kritischem Feedback umgehen zu können, ist es wichtig, vorab für sich selbst zu definieren, welches Feedback man annimmt und welches man verwirft. Und dafür ist es unerlässlich, sich selbst gut zu kennen!

  • Wer bist du?
  • Was kannst du gut?
  • Worin liegen deine Stärken?
  • Wo siehst du selbst deine Schwächen?

Es ist zudem wichtig, sich bewusst zu machen, dass es in Ordnung ist, Schwächen zu haben. Wir können nicht in allem gut und schon gar nicht in allem der oder die Beste sein. Wollen wir unsere Energie damit vergeuden, an unseren Schwächen herumzudoktorn? Oder ist es gar zielführender, sich voll und ganz auf seine Stärken zu fokussieren und diese auszubauen?

Diese Entscheidung kannst du allerdings nur fällen, wenn du für dich selbst vorab definiert hast, was genau überhaupt die eigenen Ziele sind!

Und, wo siehst du dich in zehn Jahren?

Eine der vermutlich am häufigsten gestellten Fragen in Personalgesprächen ist die nach der eigenen Vision. Wo siehst du dich eigentlich in zehn Jahren? Doch bleiben wir mal realistisch: Wer kann das schon so genau sagen? Gerade jetzt in den Zeiten der Digitalisierung, wo sich doch nahezu unaufhaltsam alles verändert, ist es beinahe unmöglich, darauf eine passende Antwort zu geben!

„Ich weiß überhaupt nicht, was meine Ziele sind. Es gibt so viele Möglichkeiten, ich kann vieles gut, aber nichts davon herausragend gut und worauf soll ich mich überhaupt fokussieren?” — Ich glaube, wir alle haben uns an dem einen oder anderen Punkt in unserem Leben diese Fragen gestellt und auch jetzt höre ich sie in Gesprächen immer und immer wieder.

Seit vielen Jahren handhabe ich es so, wie es der Buchtitel von Frank Behrendt empfiehlt: „Werde zum Häuptling deines Lebens”. Denn nur du selbst bestimmst, wo es hingehen und langgehen soll. Lasse dein Leben nicht von anderen oder von Umständen und Eventualitäten bestimmen. Du selbst kannst zum Steuer greifen und die für dich passende Richtung einschlagen!

Am Ende ist es unerlässlich, sich mit der Frage nach den eigenen Zielen auseinander zu setzen, um fokussiert zu handeln und für sich selbst einzustehen. Und um zu wissen, welches Feedback einen dem eigenen Ziel wieder ein Stückchen näher bringt.

Was willst du gewesen sein?

In der Female Future Force Academy hat Michael Kurth (aka Curse) übrigens eine spannende Methode vorgestellt, die einem bei der Frage „Wo siehst du dich in zehn Jahren?” nicht direkt die Schweißperlen auf die Stirn treten lässt. Die sogenannte Schaukelstuhl-Methode!

Statt nämlich in die Glaskugel und somit in die Zukunft zu schauen, kann es für viele unter uns einfacher sein, einfach mal zurückzuschauen. Stellt euch euch selbst vor mit 85 Jahren, wie ihr auf euer Leben zurückblickt. Was werdet und wollt ihr alles erreicht haben? Was davon wollt ihr in zehn Jahren erreicht haben, was schon in fünf, was in drei und was schon im nächsten Jahr?

Mir hat es sehr dabei geholfen, auf spielerische und träumerische Art zu überlegen, was ich grundsätzlich alles in meinem Leben erreichen will  —  und vor allem wann ich es erreicht haben will. Schnell wurde mir bewusst, bei welchen Sachen ich mir Zeit lassen kann und welche ich schnell erreichen möchte.

Sucht euch eure Feedback-Geber gezielt aus!

Wie bereits angedeutet, habe ich in diesem Jahr einige Feedbacks erhalten, die mich an der ein oder anderen Stelle verunsichert haben und bei denen ich mich letztendlich dafür entschieden habe, sie nicht anzunehmen.

Wenn ihr euch selbst, eure Ziele und eure Prinzipien kennt, könnt ihr auch beim Thema Feedback entscheiden, der Häuptling eures Lebens zu werden! Sucht euch Personen, denen ihr vertraut oder zu denen ihr aufschaut. Manchmal sind die besten Ratgeber nämlich nicht die Menschen, die tagtäglich um euch herum sind. Vielleicht sind sie euch in manchen Dingen zu nah oder wollen euch nicht kränken. 

Mir hat in diesem Jahr ein Ratschlag sehr weitergeholfen, den ich von einer Person erhalten, die einen völlig neutralen Blick auf die Sache hatte. Hier habe ich mir das Feedback tatsächlich proaktiv eingeholt. Blicke von außen können Wege aufzeigen, die ihr bislang nicht in Betracht gezogen habt. Sie können euch auf den Boden der Tatsachen zurückholen oder euch in euren Visionen bestärken — und das auf neutrale Weise, ohne zu stark mit den euch beschäftigenden Problemstellungen vertraut zu sein.

Glaubt an euch selbst, setzt euch konstruktiv mit euch und euren Zielen auseinander und denkt daran, dass ihr nicht jedes Feedback annehmen müsst. Es ist immer subjektiv. Nur wenn ihr selbst wisst, wo ihr hinwollt, könnt ihr entscheiden, ob euch das wohlwollende, konstruktive Feedback tatsächlich dabei hilft, besser zu werden in dem, was ihr euch selbst vorgenommen habt!

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