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Vieles spricht gegen meinen Berufswunsch – warum ich es trotzdem durchziehe

Meine Aussicht als Journalistin: Arm und arbeitslos. Das suggerierte mir zumindest mein Berufsberater in der elften Klasse und zahllose Bekannte. Abgehalten hat mich das nicht. Denn schließlich weißt nur du selbst, was das Richtige für dich ist.

Später so: arm und arbeitslos

„Du willst Journalismus studieren?“ „Jap.“ Der Typ von der Berufsberatung – ich war damals in der elften Klasse – runzelte die Stirn. „Dir ist aber bewusst, dass es später nicht ganz einfach wird, einen Job zu finden? Und wirklich viel Geld wirst du damit auch nicht verdienen…“ Ich weiß noch genau, wie ich in diesem trostlosen Raum saß, mit grün verblasstem Teppichboden und kargen Wänden und mich fragte, was ich hier eigentlich machte. Denn das, was der Typ mir sagte über die ach so großen Risiken, die ich mit diesem Beruf einging, zeugte weder von Expertise, Offenheit noch von Unterstützung. Ich konnte es einfach nicht mehr hören. Denn es war ja nicht nur er, sondern auch zahlreiche Bekannte, die meinen Eltern (die Journalismus übrigens toll fanden!) immer wieder sagten, dass es eventuell für mich schwierig werden könnte. Dass die technischen Berufe ja so viel sicherer sind und als Frau in den Naturwissenschaften hat man direkt für das ganze Leben ausgesorgt.

Was mich rückblickend am meisten daran nervt, ist nicht nur diese beschränkte Sichtweise, die mir auch heute noch zu oft begegnet, sondern auch dieses altmodische Denken in eine Richtung: Wir studieren, um unser Geld zu verdienen. Alles andere könnte „schwierig“ werden. Was bedeutet überhaupt schwierig? Schwierig, genug Geld zu verdienen und eine Festanstellung zu finden? Schwierig, mich weiterzuentwickeln und später Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen?

Die Generation Y und ihre Planlosigkeit

Dass uns als Generation Y, Generation Fragezeichen, Millennials, erste Generation der Digital Natives oder wie wir sonst noch so bezeichnet werden, der Stempel „planlos“ aufgedrückt wird, mag in gewisser Weise stimmen. Wir sind planlos, weil wir schlichtweg zu viele Möglichkeiten haben. Wir können Oenologie oder Cruise-Industry Management studieren oder auch einen Spacemaster machen. Wir können in Deutschland studieren, im Ausland leben oder mit Erasmus in andere Kulturen hineinschnuppern. Wir können uns unser eigenes kleines Business aufbauen, das Studium unterbrechen oder komplett auf Eis legen. Ja, wir leben mit einer gewissen Orientierungslosigkeit – den Lebensplan müssen wir uns schon selber schaffen. Nur wie?

Sicherlich nicht mit der Hilfe meines Berufsberaters, der es nicht lassen konnte, mir in seinen Augen viel sicherere Wege aufzuzeigen aka: „Mit deinem Schnitt könntest du doch auch Medizin studieren, wäre das nichts für dich?“. Genauso wenig hilfreich sind die zahllosen Selfhelp-Gurus, die uns mit ihrem Rat, nach unserem eigenen Lebenssinn zu suchen, mit noch mehr Fragezeichen zurücklassen. Dazu kommen noch unsere „Freunde“ auf Facebook, die uns meistens dann, wenn wir nicht wissen, wo vorne und hinten ist, mit ihren Fotos von der Barkeeper-Ausbildung in New York, ihren Weltreisen oder Marathonerfolgen zusätzlich den Mittelfinger zeigen.

Warum müssen wir überhaupt alle studieren?

Apropos „sichere Wege“ und „den eigenen Weg finden“: „Weg“ ist übrigens auch so ein Unwort, das mir gar nicht gefällt. Wer gibt denn den Weg vor? Wer sagt, dieser Weg ist richtig, und links und rechts wartet der falsche? Anstatt unserer Planlosigkeit und meinetwegen auch unsere Orientierungslosigkeit mit spießigen Studienvorschlägen entgegenzuwirken, Studienabbrüche als Scheitern darzustellen oder Kunst als brotloses Handwerk zu verkaufen, sollte unsere Planlosigkeit als Chance begriffen werden. Es ist doch völlig okay, sich nicht gleich festlegen zu müssen. Es ist auch okay, später nicht in dem Fach zu arbeiten, das man studiert hat und es ist auch völlig okay, gar nicht zu studieren!

Erst Mitte September zeigte die neue Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung, dass zwar 53,3 Prozent aller Schüler über eine Hochschulzugangsberechtigung verfügen, aber noch lange nicht die geforderten sozialen sowie fachlichen Kernkompetenzen vorweisen können. Gerhard Wolf, Professor an der Uni Bayreuth, macht in der Studie deutlich, dass mit der Übergabe des Abiturzeugnisses noch lange nicht die Studierfähigkeit gesichert ist:

„Man könne – so heißt es – von überbehüteten Studienanfängern, über die noch vor kurzem der elterliche Helikopter kreiste, keine allzu große Eigenständigkeit und kein solides Selbstbewusstsein erwarten, um das sich nun die Hochschulen kümmern sollten. Viel fehlt da nicht mehr, dass nach einem Umbau der Universitäten in große Coaching-Zonen gerufen wird.“

Weiter, so Wolf, sei vor allem das Erleben von Scheitern ein wichtiges Fundament für das Entwickeln von Selbstbewusstsein, doch das ist vor allem von der Politik nicht gewollt. Vielmehr sollen die Universitäten möglichst viele Studenten in möglichst kurzer Zeit erfolgreich durch das System schleusen und ja keine Studenten zurücklassen. Es geht noch weiter:

„ […] konsequenterweise plant man in NRW, die Universitäten für Studienabbrecher finanziell zu bestrafen.“

Wenn ich das also richtig verstehe, wird uns hier suggeriert, dass Scheitern schlecht ist. Dass gerade das Hinfallen und Aufstehen, was nicht nur essentiell ist für die persönliche Weiterentwicklung, sondern auch dafür, am Ende mit dem Beruf glücklich zu werden, finanziell bestraft werden soll?! Da die meisten anscheinend sowieso viel zu jung ins Studentenleben starten und vielleicht besser in nicht-akademischen Berufen oder auch in einer Ausbildung aufgehoben wären: Dann doch lieber zwei Jahre planlos umherirren, sich meinetwegen selbst auf Bali suchen und wieder verlieren und verschiedene Dinge ausprobieren bis man für sich selbst die richtige Entscheidung trifft. Und von einem engstirnigen Berufsberater, der meint, einem die harte Realität vor Augen führen zu müssen (wohlgesagt in einem Berufsfeld, das er nur von der heimischen Lokalzeitung kennt), sollte man sich erst recht nicht beirren lassen.

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