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Warum die Schule uns nicht aufs Leben vorbereitet

„Gute Noten schreiben ist Pflicht – sonst wird nichts aus dir. Also mach es jetzt so, wie dein Lehrer es sagt.“ Leistungsdruck, fehlende Selbstbestimmung, kein Platz für Fehler und eigene Entscheidungen – Das Bildungssystem implantiert uns so manche Glaubenssätze, die uns sogar im Erwachsenenalter noch das Leben schwer machen.

 

Kinder stehen von Anfang an unter Druck 

Erst neulich dachte ich wieder daran, als ich über ein interessantes Video von Prof. Dr. Harald Lesch gestolpert bin. Darin stellt er infrage, ob Kinder und Jugendliche sich heute noch bilden können oder, ob sie nur noch ausgebildet werden, um in der Wirtschaft zu funktionieren.

Also wenn ich meinen Sohn anschaue und die Kinder meiner Freunde, muss ich sagen: Auch wenn die Kids ganz selbstverständlich in die Schule gehen und zumeist Freude empfinden – das Bildungssystem schafft nicht wirklich optimale Voraussetzungen für ein selbstbestimmtes und angstfreies Leben. Und genau diese Art der Vorbereitung aufs Leben sorgt dafür, dass uns der Druck und die Angst vor Fehlern bis ins Berufsleben hinein begleiten. Aber ihr könnt euch aus diesen Zwängen und falschen Vorstellungen der Schulzeit befreien.

Tschüss Unbeschwertheit, hallo Leistungsdruck!

Jeder kennt dieses mulmige Gefühl, das ganz tief im Bauch sitzt und das besonders vor wichtigen Präsentationen, Prüfungen und Bewährungsproben im Job entsteht: Es ist die Angst vorm Versagen. Die Angst davor, den eignen Erwartungen und denen des Umfeldes nicht standhalten zu können und Fehler zu machen. 

Und dieses Empfinden entsteht nicht erst im Berufsleben. Es kommt schon aus der Schulzeit: Ein Schüler muss gute Noten schreiben, damit er einen guten Abschluss macht, und wenn er den nicht hat, kann er nicht das Wunschstudium absolvieren. Hallo Leistungsdruck, hallo Angst! Leider frisst Angst das Hirn und eben oft auch die Karriere.
Mit Angst ist es kaum möglich, etwas zu leisten und euer volles Potenzial abzurufen. Ich finde, da beißt sich die Katze in den Schwanz. Seid doch mal ehrlich: Ihr würdet bestimmt niemals locker mit einem Kunden verhandeln, wenn ihr wüsstet, dass euer Job davon abhängt oder die Firma pleite geht, wenn dieser Auftrag nicht kommt. Eine Blockade, die genauso entsteht, wenn die eine letzte Klassenarbeit über die Versetzung entscheidet.
Damit diese Angst nicht zum Karrierekiller wird, lohnt es sich, daran zu arbeiten. Der erste Schritt ist es, sich diese Angst überhaupt bewusst zu machen. Denn nur so könnt ihr diesen Glaubenssatz „du musst“ überhaupt angehen. Natürlich solltet ihr eine gute Leistung abliefern und den Kunden oder das Projektteam überzeugen. Aber genau das wollt ihr doch auch. Ihr habt diesen Job, weil ihr euch dafür entschieden habt. Geht also auch mit Entschiedenheit gegen eure Zweifel vor. Streicht die Angst als Motivator für euer Tun und sucht euch eure eigenen nachhaltigeren Motive, warum ihr in eurem Tun erfolgreich sein wollt. Vielleicht wollt ihr euch persönlich weiterentwickeln und reifen. Klasse! Dann her mit eurer vollen Power.

Fehler sind Definitionssache

Und wenn euch dabei ein Fehler unterläuft? Na und! Ihr seid nicht mehr in der Schule, wo Fehler noch mit schlechten Noten bestraft werden. Lasst euch davon nicht mehr geißeln, denn kein Mensch ist perfekt.

Natürlich ist es sinnvoll, aus Fehlern zu lernen. Schließlich bietet die Reflexion von Geschehnissen wichtige Erkenntnisse für die Zukunft. Ich finde allerdings – ganz im Gegensatz zum Mindset, das uns schon in der Schule implantiert wurde: Ihr müsst nicht aus euren Fehlern lernen – zumindest nicht immer.
Und wer definiert überhaupt Fehler? Der Lehrer in der Schule, der beschließt, dass nur der Lösungsweg A der richtige ist? Der Chef, der meint, nur sein Ergebnis würde Erfolg versprechen? Dass wir Fehler überhaupt als Fehler ansehen, definieren oft andere. Da ist es ein Leichtes, sich einzureihen und zuzustimmen: Ich habe einen Fehler gemacht.
Aber wann habt ihr das letzte Mal hinterfragt, ob es auch für euch ein Fehler war? Denn schließlich habt ihr die Entscheidung getroffen, es so zu machen. Ihr hattet eure Gründe, so zu reagieren, den Kunden genau so zu beraten und die Kinder genau so zu erziehen. Und wenn ihr euch in dieser Situation dafür entschieden habt, es so zu machen, war es doch kein Fehler! Vielleicht ist eure Entscheidung nicht aufgegangen oder die Situation hat sich anders entwickelt, als ihr das erwartet habt, aber deswegen war das noch lange nicht euer Fehler.

Selbstbestimmung beginnt bei euch selbst

Nur, das mit den eigenen Entscheidungen ist so eine Sache. Die wenigsten Menschen treffen wirklich selbstbestimmt ihre Entscheidungen.
Es ist doch so: Den Leistungsdruck bekommen Kinder automatisch zur Einschulung in die Schultüte gesteckt, im Tausch dürfen sie an der Eingangstür ihre Selbstbestimmung abgeben. Schließlich herrschen in der Schule Disziplin und Gehorsam. Das gehört auch dazu. Wie würde es denn sonst in einer Klasse mit 30 Kindern zugehen?

Aber wie sollen Kinder dann selbstbestimmtes Handeln lernen? Und vor allem wenn es bei Kleinigkeiten schon so absurd wird: Die Tochter einer Freundin zum Bespiel darf mittwochs bei einer bestimmten Lehrerin kein Salamibrot mehr als Vesper dabei haben, da die den Wurstgeruch nicht mag. Und was macht das Kind beziehungsweise die Eltern? Die wollen es der Pädagogin recht machen und verzichten auf die Wurst als Belag. Hallo?! 

Traut euch!

Und so geht es doch im Job weiter. Die wenigsten Mitarbeiter würden es wagen, dem Chef zu widersprechen. Schließlich wurde uns in der Schule das Ja-und-Amen-Sagen eingebläut. 

Natürlich soll das nicht heißen, dass ihr nun eurem Chef permanent Kontra geben und euren eigenen Kopf durchsetzen sollt. Aber überlegt euch ganz bewusst, warum ihr welche Entscheidung trefft. Was bringt sie euch und welche Auswirkungen hat sie? Wenn ihr euch der Sache sicher seid, dann trefft eure Entscheidung und redet nicht anderen nach dem Mund, nur weil es von euch erwartet wird. 
Nun will ich nicht nur aufs Schulsystem schimpfen. Ich kenne viele tolle Lehrer, die sehr auf die kleinen Individuen eingehen und den Kindern nur das Beste mitgeben wollen. Es gibt viele einzigartige Menschen, die trotz Schulbildung ein selbstbestimmtes und angstfreies Leben führen. Aber denkt immer daran, ihr habt es in der Hand, manche unliebsamen Glaubenssätze gegen viel stärkere einzutauschen. Nicht alles, was die Schulen, die Gesellschaft oder euer Umfeld für richtig empfinden, ist es auch für euch.

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