Ein unabhängiger Zusammenschluss von österreichischen Frauen will 2018 ein neues Frauenvolksbegehren durchsetzen. Warum? Weil die Gleichberechtigung in Österreich sich seit 20 Jahren nicht weiterentwickelt hat. Teresa Havlicek im Interview.
„Because it´s 1997”
1997, vor ziemlich genau 20 Jahren, wurde in Österreich das erste Frauenvolksbegehren ins Leben gerufen. Ein Volksbegehren ist in Österreich ein Mittel der direkten Demokratie, mit dem ein Gesetzesentwurf durch die Bürger ins Parlament gebracht werden kann. Dafür müssen die Initiatoren des jeweiligen Begehrens innerhalb einer Woche mindestens 100.000 Unterschriften von Wahlberechtigten vorlegen. Der Gesetzgeber ist danach allerdings nicht an die Umsetzung des Begehrens gebunden, er muss es lediglich diskutieren.
Unter dem Motto „Alles, was Recht ist” führte ein überparteiliches Frauenreferendum vom 7. bis zum 14. April 1997 das erste Frauenvolksbegehren durch und stellte darin elf zentrale Forderungen auf. Die Verankerung der Gleichstellung von Männern und Frauen im Bundesverfassungsgesetz sollte konkret durch Maßnahmen wie zum Beispiel gleicher Lohn für gleiche Arbeit, die arbeits- und sozialrechtliche Gleichstellung von Teilzeitarbeit und geringfügiger Beschäftigung mit der vollen Erwerbstätigkeit und die öffentliche Förderung von Unternehmen nur dann, wenn Frauen dort auf allen Hierarchieebenen entsprechend ihres Bevölkerungsanteils vertreten sind, erreicht werden.
11,17 Prozent der Wahlberechtigten, was zur damaligen Zeit 644.665 Stimmen entsprach, unterschrieben das damalige Frauenvolksbegehren. Geändert hat sich seitdem wenig bis nichts – das sehen zumindest die Initiatoren des Frauenvolksbegehrens 2.0 so. Sie haben deshalb gerade eine Crowdfunding-Kampagne gestartet, um die Unternehmung eines neuen Frauenvolksbegehren 2018 möglich zu machen. Wir haben mit Teresa Havlicek, Sprecherin des unabhängig und ehrenamtlich agierenden Kollektivs darüber gesprochen, wie schlimm es um die Gleichberechtigung in Österreich bestellt ist, warum ein neues Frauenvolksbegehren nötig ist und was sie sich konkret davon erhoffen.
„85,6 Prozent der Österreicherinnen erleben mindestens einmal in ihrem Leben psychische Gewalt. 93 Prozent aller Alleinerziehendenhaushalte in Österreich werden von Frauen geführt. Viele davon sind armutsgefährdet. 42 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher unter 45 sehen arbeitende Mütter ,kritisch’. Der Gender-Pay-Gap ist seit dem Jahr 2000 sogar größer geworden.”, schrieb die Journalistin Hanna Herbst, die eine eurer Mit-Initiatorinnen ist, gerade in einem Artikel für Vice Österreich. Sieht es mit der Gleichberechtigung in Österreich wirklich so düster aus?
„Die aktuelle Situation ist wirklich tragisch. Wir sind ein reiches Land, das viertreichste der EU, aber 52 Prozent der Bevölkerung profitieren davon unverhältnismäßig wenig. Nur in Estland war der Gender-Pay-Gap 2016 größer. In Österreich lag er im vergangenen Jahr bei 22,9 Prozent. Politik wird hier hauptsächlich von älteren Männern gemacht, die an sexistischen Geschlechterklischees festhalten und sich jeder Veränderung entgegenstellen. Das zieht sich durch unser ganzes Wirtschafts- und Politiksystem: Steuerlich werden Alleinverdienerhaushalte bevorzugt, für Sozialleistungen wird das Partnereinkommen hinzugerechnet, wodurch viele Frauen keinen eigenen Anspruch auf zum Beispiel Mindestsicherung haben, und immer finanziell abhängig von ihren Partnern bleiben. Wenn man die mangelhaften Öffnungszeiten von Kinderbetreuungseinrichtungen kritisiert, sagen männliche Politiker dazu, dass sie darauf stolz sind, weil die Österreicher sich lieber selbst um ihre Kinder kümmern. Bis vor kurzem bekam man insgesamt sogar mehr Kinderbetreuungsgeld, wenn man das längste Karenzmodell mit drei Jahren in Anspruch nahm. Es gibt wahnsinnig viele Anreize für Frauen, nicht arbeiten zu gehen, die Wirtschaft sieht sie schlechthin nur als ,Dazuverdiener’. Doch das rächt sich in der Pension: Jede zehnte Österreicherin ist von Altersarmut betroffen, die Einkommensschere bei den Pensionen liegt bei 45 Prozent.”
Ihr seid ein sehr diverser Zusammenschluss von Frauen. Wie hab ihr euch gefunden, um ein neues Frauenvolksbegehren ins Leben zu rufen?
„Wir waren vor dem Frauenvolksbegehren nicht politisch organisiert, einige von uns kannten sich lose über verschiedene Netzwerke, andere haben sich erst über das Frauenvolksbegehren kennengelernt. Im Laufe des Jahres 2016 fanden wir uns immer öfter in besorgten Gesprächen über die politische Lage: Der österreichische Bundespräsidentschaftswahlkampf ging nur ganz knapp gegen einen rechtspopulistischen Kandidaten aus, der Frauen an den Herd wünscht und ein Problem mit Abtreibung hat. Zur Frustration über die letzten 20 Jahre Stillstand kam die Angst vor einem Rückschritt. Über einen Aufruf in einer feministischen Facebook-Gruppe fand sich das erste Plenum zusammen, und nach einigen Treffen entwickelte sich daraus unser Kern-Organisationsteam.”
Was kann man mit einem Volksbegehren in Österreich erreichen?
„Im ersten Schritt müssen wir 8.041 Unterschriften in Form von ,Unterstützungserklärungen’ sammeln, damit wir einen gültigen Antrag beim Innenministerium für ein Volksbegehren einbringen können. Der Innenminister setzt dann einen Eintragungszeitraum fest, in diesem Zeitraum müssen mindestens 100.000 Menschen das Volksbegehren unterschreiben, damit es im Parlament behandelt wird. Der Nationalrat ist dann dazu verpflichtet, das Thema zu diskutieren, nicht aber, auch einen Gesetzesentwurf im Sinne des Volksbegehrens einzubringen. Im schlimmsten Fall ändert sich politisch also auch durch ein Volksbegehren nichts, es ist aber ein wichtiges demokratiepolitisches Instrument um Bürger_innen einzubinden und Frauenrechte politisch und medial wieder mehr ins Zentrum zu stellen.”
Vor 20 Jahren gab es schon einmal ein Frauenvolksbegehren. Seitdem hat sich wenig bis nichts geändert. Warum könnte das dieses Mal anders sein?
„Durch das Internet ist es einerseits einfacher, eine breite Masse anzusprechen und zu mobilisieren, andererseits aber auch schwieriger, die Aufmerksamkeit der Menschen zu behalten als noch im Jahr 1997. Aber ich sehe einen Unterschied in der globalen, politischen Situation: Durch den weltweiten Trend hin zu autoritären, männlich geprägten, nationalistischen und anti-demokratischen Strömungen entwickelt sich ein starker weiblicher Widerstand. In nationalistischen Systemen werden Frauenrechte immer als erstes in Frage gestellt. Diese Situation hat vielen Frauen verdeutlicht, dass wir weltweit zusammenhalten müssen und dass politische Teilhabe als Frau unerlässlich ist, wenn wir einen riesigen frauenpolitischen Rückschritt verhindern wollen. Jetzt ist die Zeit für eine neue Frauenbewegung.”
Und was sind eure wichtigsten Ziele?
„Das wichtigste Ziel ist natürlich gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Das bedeutet neben mehr Einkommenstransparenz auch, dass die unbezahlte Sorgearbeit wie Kinderbetreuung oder Altenpflege besser aufgeteilt werden muss. Daher sind wir für eine Arbeitszeitreduzierung auf 30 Stunden bei vollem Lohnausgleich. Das würde es Männern wie Frauen erleichtern, neben einer vollen Erwerbstätigkeit auch diesen Sorgetätigkeiten nachzugehen.
Kostenlose Verhütung ist eine weitere wichtige Forderung: Österreich ist das einzige westeuropäische Land, in dem weder Verhütung noch der Schwangerschaftsabbruch in irgendeiner Form bezahlt wird. Dabei ist ein niederschwelliger Zugang zu Verhütung eines der wichtigsten Instrumente, um Frauen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Aber auch Quoten in den Parteien, bei Aufsichtsräten und Vorständen sowie ein massiver Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen sind uns besonders wichtig.”
Mehr bei EDITION F
Homo-Ehe: 2015 – und immer noch leben in der Vergangenheit – wie kann das sein? Weiterlesen
Warum ich einer Partei beigetreten bin und Sibylle Berg daran schuld ist. Weiterlesen
Mütter sollen arbeiten – aber bitte nur in Teilzeit. Weiterlesen