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Geld macht nicht glücklich – oder doch?

Mehr Einkommen sorgt für mehr Lebenszufriedenheit. Das ergab eine neue Untersuchung und widerspricht damit einer Studie von 2010. Aber das mit dem Geld und dem Glück ist nicht so simpel, wie es scheint.

Frenetisch die Fuffis durch den Club schmeißen, im Geldspeicher baden, den Mars kolonisieren oder eine Autofabrik in Brandenburg bauen – muss alles nicht sein. Aber Geld tut schon ganz gut. Nur: Tut immer mehr Geld auch automatisch immer besser?

Bisher war die Annahme, dass das Wohlbefinden zwar durchaus mit dem Einkommen steigt – allerdings nur bis zu einem Betrag von heute umgerechnet etwa 74.500 Euro pro Jahr und Haushalt. Danach, so eine viel beachtete Studie zweier Nobelpreisträger von 2010, wäre ein Plateau erreicht und es täte sich nicht mehr viel in Sachen Wohlbefinden und Zufriedenheit.

Inzwischen gibt es jedoch eine Untersuchung, die ein bisschen was anderes sagt. Der US-Psychologe Dr. Matthew Killingsworth von der University of Pennsylvania hat mithilfe von Daten aus einer App die Verbindung zwischen Glück und Einkommen neu analysiert. Dafür hat er 1.725.994 Eingaben von mehr als 33.000 festangestellten US-Amerikaner*innen ausgewertet.

Ergebnis: „Höhere Einkommen waren zuverlässig mit größerem erlebten und bewerteten Wohlbefinden assoziiert“, heißt es in der Arbeit. Und zwar auch über die besagten 74.500 Euro hinaus. „Die Beziehung zwischen Einkommen und erlebtem Wohlbefinden war auffallend linear: Es gab kein Plateau“, schreibt Killingsworth. Das, so heißt es weiter, könne mit unterschiedlichen Methoden im Vergleich zur Studie von 2010 zusammenhängen; über die App wurde zum Beispiel das emotionale Befinden der Teilnehmenden in Echtzeit gemessen. Macht immer mehr Geld also doch immer glücklicher – selbst Menschen, die schon mehr als genug haben? 

Die Antwort lautet, wie so oft im Leben: Kommt darauf an. Vor allem darauf, was jemand unter Glück, Wohlbefinden und Zufriedenheit versteht. Und das hängt unter anderem damit zusammen, wodurch ein Mensch motiviert wird. Wer extrinsisch, also durch äußere Faktoren, motiviert ist, kann mehr Geld mehr Glück abgewinnen als jemand, der*die intrinsisch motiviert ist und eher auf Erfahrungen anspricht.

Individuelle Glückslevel

Auch bestimmte Werte, Einstellungen und persönliche Bedürfnisse spielen eine Rolle. Jemand, der*die mehr Freiraum braucht, wird mit der finanziellen Unsicherheit in einer Selbstständigkeit besser umgehen können und weniger Existenzängste haben als ein Mensch, dem Stabilität wichtig ist.

„Selbst wenn eine fette Gehaltserhöhung oder ein großer Karrieresprung erfolgen und für mehr Glück, Wohlbefinden und Zufriedenheit sorgen, ist der Effekt vorübergehend; das Mehr wird irgendwann zum Standard.“

Außerdem hat jede*r ein individuelles Glückslevel, auf das er*sie sich auch nach größeren Ausschlägen immer wieder einpendelt – die sogenannte hedonistische Adaption. Selbst wenn also eine fette Gehaltserhöhung oder ein großer Karrieresprung erfolgen und für mehr Glück, Wohlbefinden und Zufriedenheit sorgen, ist der Effekt quasi vorübergehend; das Mehr wird irgendwann zum Standard.

Wenn Geld einen gewaltigen Unterschied macht

Doch auch die Lebenssituation spielt eine Rolle. In Killingsworths Erhebung kommen zum Beispiel nur festangestellte Erwachsene vor – keine Leute ohne Arbeit, Selbstständige oder Rentner*innen. Die sind jedoch logischerweise häufiger von Geldnöten und Existenzängsten betroffen. Und für Menschen, die wenig haben und jeden Cent zweimal umdrehen müssen, macht mehr Geld einen gewaltigen Unterschied. Menschen, die nachts wach liegen, weil sie nicht sicher sind, wie sie die Miete bezahlen sollen. Die sich schämen, weil sie wieder nicht ins Restaurant mitkommen können und stattdessen eine Packung Fertignudeln über zwei Tage strecken. Die kein Geld haben für eine teure Zahnbehandlung, Medikamente oder auch nur für eine Tageskarte für die öffentlichen Verkehrsmittel. Für die jeder Tag ein Kampf ist. Um seelische und körperliche Gesundheit. Um Würde. Ums Überleben.

„Für Menschen, die wenig haben und jeden Cent zweimal umdrehen müssen, macht mehr Geld einen gewaltigen Unterschied.“ 

Da ist das Streben nach mehr Geld ein vernünftiger und solider Weg zum Glück, wie Studien belegen. Im Vergleich dazu mag der nächste größere Flachbildfernseher, der Zweitwagen aus der Fabrik in Brandenburg oder die dritte Yacht zwar erbaulich sein, nichts davon verbessert aber merklich und nachhaltig das Leben. 

Ein gutes Leben

Für ein immer höheres Einkommen muss man in der Regel auch ziemlich viel Zeit mit Arbeit verbringen. Zeit, die für Dinge wie Freund*innen, Familie, Gemeinschaft, Zweisamkeit, Kreativität und Erlebnisse fehlt. Hinzu kommt: Wer ein stabiles Einkommen und ein paar Rücklagen – und damit finanzielle Sorgenfreiheit – erreicht hat, kann auch durch immer mehr Geld keine auftauchenden Probleme wie beispielsweise Einsamkeit oder eine schwere Krankheit lösen.

„Ob mehr Geld wirklich glücklich macht? Fragt die, die keins haben.“

Vor zehn Jahren schrieb die australische Palliativ-Pflegerin Bronnie Ware ein Buch mit dem deutschen Titel „5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen“Darunter die Punkte: „Ich wünschte, ich hätte nicht so viel gearbeitet“, „Ich wünschte, ich hätte mich mehr um meine Freund*innen gekümmert“ und „Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, mir selbst treu zu sein“. Jeder Mensch muss am Ende des Lebens allein beurteilen, ob es ein gutes Leben war. Wie Glück, Wohlbefinden und Zufriedenheit für ihn*sie ausgesehen und ob die Prioritäten gestimmt haben. Und auch, welche Rolle Geld wirklich dabei gespielt hat. 

Wer viel hat, braucht zum Glücklichsein nicht unbedingt immer mehr. Wer aber wenig hat, für den*die kann mehr Geld ein großer, weltverändernder Segen sein. Also, ob mehr Geld wirklich glücklich macht? Fragt die, die keins haben.

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