Wie macht man eigentlich Karriere? In einem Jahrzehnt im Job habe ich vieles gelernt. Heute will ich dieses Wissen weitergeben.
Ist man mit zehn Jahren Berufserfahrung schon Expertin?
Mittlerweile blicke ich auf ein Jahrzehnt Berufserfahrung zurück. Als Expertin habe ich mich bis vor Kurzem allerdings nicht gesehen. Deshalb war ich auch etwas überrascht, als mir vor ein paar Tagen mein alter Geschäftsführer eine Intro zu einer von ihm neuen Angestellten gemacht hat. Er schlug vor, dass wir uns doch mal kennenlernen sollten. Ich, Beate, sei vom Typ her seiner neuen Kollegin Hannah sehr ähnlich und hätte es ja vom Trainee zum COO geschafft. Nun sollte sich diese Hannah dazu mit mir austauschen.
Die Wege meines damaligen Geschäftsführers und meine kreuzten sich schon lange nicht mehr und so ganz wusste ich nicht, ob ich mich mit Hannah treffen sollte und wenn ja, warum? Was sollte ich denn schon erzählen? Warum ich heute da bin, wo ich bin? Ist das überhaupt zu beschreiben und einer fremden Person nahe zu bringen? Als ich in diesem Zusammenhang darüber nachdachte, wie ich es als „Digital Newbie” in eine heute verantwortungsvolle Führungsposition in einer Performance-Marketing-Agentur schaffen konnte, entstanden die folgenden Gedanken.
Ich bin überzeugt, dass es nicht das eine Patent-Rezept gibt, um von einem Lebenspunkt zu einem gewünschten anderen zu gelangen. Vor allem ist es immer mit Arbeit und Anstrengung verknüpft, das Energielevel, das man braucht, um sich fortzubewegen, zu Lernen und stetig ein Müh über sich selbst hinauszuwachsen, fast durchgehend aufrecht zu erhalten. Das Rezept kann ich also nicht vorgeben – aber vielleicht ein paar Zutaten nennen, die jede und jeder natürlich darauf abklopfen muss, ob sie zur eigenen Persönlichkeit passen.
A long time ago – Wie alles anfing
Nach meinem viereinhalbjährigen Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaft und etlichen Nebenjobs und Filmproduktionen in den Semesterferien, hatte ich mit Abschluss meines Diploms genug vom – für mich – zu hippen Künstler- und Filmleben. Ich hatte eine Fachrichtung erlernt und just in dem Moment, in dem ich fertig ausgebildet war, wollte ich etwas anderes machen. Ungünstiger Zeitpunk. Das war 2012. Damals bin ich in Berlin gestrandet. Ich hatte einen Facebook-Account und schon einmal von diesem Amazon gehört. Ansonsten waren mir die Möglichkeiten des Internets noch völlig fremd, aber es ergab sich die Möglichkeit eines Traineeships bei einer Online-Essenbestell-Plattform.
Ich ergriff diese Chance, ohne einen blassen Schimmer zu haben, auf was ich
mich da inhaltlich eingelassen hatte. Natürlich ist es nicht schön, tagein, tagaus
mit mehreren Kilo Fragezeichen im Kopf zur Arbeit zu gehen, nachdem man gerade sein Diplom in der Tasche hat. Man denkt, jetzt geht es direkt aufwärts und jeder Arbeitgeber zehrt sich nur danach, einen ach so kompetenten Mitarbeiter einstellen zu dürfen. Die Realität sieht dann aber ganz anders aus. Von Gehaltsabstrichen brauche ich gar nicht erst anzufangen – damals gab es noch keinen Mindestlohn.
Um ehrlich zu sein: Von Online Marketing oder später Performance Marketing hatte ich nicht die leiseste Ahnung. Aber ich war mir nicht zu schade, noch einmal bei Zero zu starten. Mein kleines, erstes „Arbeitsbüchle“, in dem ich mir damals das Online-Marketing-Einmaleins beibrachte, habe ich noch immer.
(Was ist nochmal ein TKP und ein CPC und wie berechnet sich eine CTR?)
Ausgelutscht aber wahr: „Der Weg ist das Ziel“
Heute bin ich sehr dankbar, dass ich den Mut hatte und immer noch jeden Tag
aufs neue haben muss, mich auf etwas völlig Fremdes einzulassen und dass ich
erleben durfte, dass es funktioniert und dass mein Ego es vertragen kann,
sich einzugestehen, dass man eben nicht alles kennt oder kann.
Während meiner Zeit als Trainee wurde mein Vorgesetzter zum CMO befördert und da hatte ich ihn; den AHA-Moment: Ich will auch irgendwann CMO sein! (Was dann doch COO wurde)
Dieser Gedanke war befremdlich, weil ich gerade am Ende meines Traineeships war und mit dem Wunsch auch die Fragen aufkamen, wie ich denn da um Gottes Willen hinkommen und wie ich solch ein Wissen aufbauen kann, das es für solch eine Rolle braucht.
Ich kann nicht mehr genau sagen, warum es bei mir in diesem Moment Klick gemacht hat. Ich habe dieses Gespräch heute sehr häufig mit vielen meiner jüngeren Mitarbeiter, wenn ich sie in Entwicklungsgesprächen frage: „Was möchtest du denn?“
Die verhasste HRler Frage: „Wo siehst du dich in fünf Jahren?“
Aber ab einem gewissen Zeitpunkt haben diese Fragen ihre Berechtigung. Denn nur, wenn man weiß was man möchte, wo der Weg circa hinführen soll, dann kann man sich vorbereiten, sich überlegen, was man dafür braucht und welche Weggefährten man vielleicht dabei haben sollte und möchte, auf dieser Reise.
Um das Ziel zu erreichen, muss man erst einmal den ersten Schritt auf dem Weg gehen. Egal wie angsteinflößend das auch sein kann, weil man nicht weiß, was hinter der nächsten Ecke auf einen wartet. Wenn ich dieses Gespräch mit meinen Kolleginnen und Kollegen habe, ist oft ein unwohles Auf-dem-Stuhl-hin-und-herrücken angesagt und ich merke, wie schwer es ihnen fällt, diese Frage auszuhalten, geschweige denn sie zu beantworten. Ich finde das für den Moment auch nicht im Geringsten verwerflich, aber jeder Mensch sollte sich ab einem gewissen Punkt entscheiden, was er möchte. Vor allem dann, wenn man in der aktuellen Situation unglücklich ist.
Hier gibt es kein richtig oder falsch. Ob Experte oder Generalist, ob Operativer oder Stratege – man muss einfach die Rolle finden, die am besten zu einem passt. Wenn man überhaupt nicht weiß, wo es persönlich hingehen soll, empfehle ich immer wieder ein weißes Blatt Papier.
Die Visualisierung meiner Wünsche
Auf diesem Papier sollte man die folgenden Fragen für sich beantworten: Was kann ich gut? Welche Aufgaben bereiten mir Bauchschmerzen? Welche Tätigkeiten machen mir Spaß? Bei welchen Fähigkeiten habe ich das Gefühl, ich trage ein Lächeln auf den Lippen oder vielleicht sogar bei meinen Kollegen eines hervorzaubern? Und dann heißt es Schwerpunkte setzen und an den Schwächen arbeiten.
Das ist mitunter mit viel Arbeit verbunden, aber ohne Fleiß kein Preis. Schon in der Steinzeit mussten die Urmenschen jeden Tag aufstehen und entweder Beeren sammeln oder Bären jagen gehen (oder wie man auch immer genau vor tausenden von Jahren an Nahrung gekommen ist). Aber eins ist klar: Sie mussten jeden Tag aufstehen und etwas tun. Und wenn man zum Anführer werden oder das beste Stück Fleisch haben wollte, dann musste man vielleicht auch mal die Extrameile gehen, über das bekannte Jagdrevier hinaus.
Was will ich mit diesem Urzeit-Bild sagen? Dass man verdammt nochmal seine Arschbacken zusammenkneifen muss, wenn man etwas erreichen möchte!
Ich befasse mich viel mit den Theorien über die unterschiedlichen Generationen (X, Y, Z) und ich gebe ehrlich zu: Ich bin sehr schlecht darin, diese Entwicklung zu akzeptieren. In meinem Kopf ist die Rechnung weiterhin simpel: Ohne Fleiß kein Preis.
Wer erfolgreich sein will, muss aktiv werden
Keiner sollte sich bis zur Erschöpfung aufopfern, egal für welche Tätigkeit. Und ich bin kein Befürworter von 50 Stunden-plus-Arbeitswochen inklusive Wochenende-Arbeit oder Ähnlichem. Aber meine ständigen Wegbegleiter waren und sind Eigenschaften, die in meinem Umfeld nicht immer als selbstverständlich gelebt werden: offene Kommunikation und Ehrlichkeit, Proaktivität, Fragen stellen und das selbstständige Suchen und Finden von neuen Aufgaben.
Ohne Leidenschaft geht es nicht. Wenn man mehr erreichen will, sollte man bereit sein, mehr zu geben. Damit meine ich nicht Überstunden, sondern die Entwicklung von echtem Interesse für seinen Tätigkeitsbereich. Wenn einem seine tägliche Arbeit keine Freude bereitet, dann sollte man schleunigst das weiße Blatt in die Hand nehmen und schauen, was einem Spaß bringen würde. Einen Job zu haben, der einem kein positives Gefühl verschafft, wenn man die Arbeitsstätte verlässt, ist meiner Meinung nach verschwendete Lebenszeit.
Die Lösung hier ist es nicht, einen Job zu suchen, in dem ich nach der Stechuhr nach acht Stunden Arbeit den Stift fallen lassen kann, sondern eine Tätigkeit zu finden, bei der es mir nicht einmal auffällt, dass schon acht Stunden vergangen sind.
Drei Schlüssel für eine erfolgreiche und glückliche Karriere
Das hört sich nun alles nach einem rosaroten Arbeitsplatz an, mit täglicher Glitzerkonfettibombe und Einhörnern, die regelmäßig für gute Laune sorgen. So einfach ist es natürlich nicht. In allen Jobstationen hatte ich große Hürden, fachliche und persönliche Herausforderungen und Momente, die einem zum Lachen oder Weinen bringen aber auch in den Wahnsinn treiben, zornig und wütend machen, zu überwinden.
Und ja, solche Situationen wird es, meiner Meinung nach, immer geben, dessen sollte man sich bewusst sein. Aber es gibt Wege, damit umzugehen und auch das sollte man vor Augen haben. Meine drei Schlüssel, um mit all diesen Herausforderungen gut umgehen zu können:
1. Starke Freunde, die mich unterstützen, aber vor allem auch mich und mein Handeln in Frage stellen.
2. Mindestens einen Verbündeten in meinem näheren Arbeitsumfeld (in der Ausrichtung, den Ansichten und im Herzen).
3. Regelmäßige Selbstreflexion.
Nimm dir Zeit für dich
Man sollte sich nie davor scheuen, sich selbst zu reflektieren. Zu schauen, was
gut und was nicht gut lief, für was seine Kollegen schätzen, aber vor allem auch, womit man ihnen das Leben schwer macht. Und natürlich sollte man sich auch mit der Frage beschäftigen, warum man sich selbst das Arbeitsleben ab und an zu schwer macht und wie man das ändern kann. Man sollte sich einfach regelmäßig Zeit für und mit sich nehmen. Zeit nehmen, zurückzublicken. Zu schauen, woher man eigentlich kommt, wer man ist und wer man sein möchte. So wie ich das mit diesen Zeilen gemacht habe.
In meinem Lebenslauf stand früher immer ganz kitschig folgendes Zitat von Konfuzius: „Suche dir eine Arbeit, die du liebst und du brauchst keinen Tag in deinem Leben mehr zu schuften.” Dankbar erkenne ich, dass ich genau das gefunden habe. Und genau das werde ich auch Hannah erzählen.
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