Soziale Netzwerke, Blogs, Smartphone-Anwendungen sind feste Bestandteile unseres alltäglichen Lebens. Sie sind Segen und Fluch zugleich. Für mich ist es 2017 daher an der Zeit für digitalen Minimalismus.
Tschüss 2016!
Jetzt, so kurz vor dem Jahreswechsel, kommen die meisten von uns endlich mal zur Ruhe. Wir genießen die Zeit mit unseren Liebsten bei gutem Essen, resümieren das zurückliegende Jahr und wagen einen Blick nach vorn. Vor uns liegt das Jahr 2017. Frisch, unberührt, gänzlich unbelastet. Es ist wie eine leere Leinwand, die uns so viel ermöglicht. Was wollen wir mit dieser weißen Fläche machen? Was soll darauf erscheinen? Indem wir uns Gedanken über unsere Ziele für 2017 machen, machen wir uns (gewollt oder nicht) Gedanken über gute Vorsätze.
Als ich an einem Blogartikel zu eben diesem Thema für einen meiner Kunden saß, fing ich automatisch an, über meine persönlichen Ziele und Vorsätze nachzudenken. Ich mag die Vorstellung, meine persönliche Reise auf diese Weise ein Stück weit zu beeinflussen und zumindest eine ganz grobe Richtung vorzugeben. Natürlich lass ich mich auch gern treiben und überraschen, doch sind wir mal ehrlich: So ganz ohne Plan funktioniert es doch selten.
Während ich also so vor mich hin sinniere und „nebenbei“ den Artikel schreibe, fällt mir plötzlich ein, was mein großes Ziel, mein Vorsatz für 2017 ist. Ich will digitalen Minimalismus.
Habe da mal nachgezählt…
Ich habe elf Social Media-Kanäle in sieben verschiedenen Netzwerken und neun dazugehörige Apps auf dem Smartphone. Ich habe zwei eigene Blogs und schreibe (berufsbedingt) für etliche andere. Ich bin in 36 Facebook-Gruppen und habe im genannten Netzwerk rund zehn Kontakte, bei denen ich keine Ahnung habe, warum wir „befreundet“ sind. Ein ähnliches Trauerspiel auf Snapchat. Hier habe ich rund 40 Kanäle gefunden, deren Storys mich langweilen oder schlicht nicht interessieren. Dank der App „QualityTime” weiß ich, dass ich mein Smartphone wochentags mehr als drei Stunden nutze. Am Wochenende ist es zum Glück weitaus weniger Zeit, aber – drei Stunden! Das muss man sich einmal vorstellen. Was mach ich in all der Zeit? Mein Bauchgefühl sagt mir: Nichts. Oder zumindest nichts von wirklichem, greifbaren Wert.
Ich bin ein großer Verfechter der Digitalisierung, finde, dass sie uns gerade im beruflichen Kontext enorm voranbringt. Die Wahrheit ist aber auch, dass mich mein eigener digitaler Lifestyle extrem müde macht. Ich bin ausgelaugt und brauche Veränderungen.
Aus Digital Detox wird digitaler Minimalismus
Ich habe im zurückliegenden Jahr mehrere Versuche unter dem Motto „Digital Detox” gestartet. Das große Ziel: die Zeit am Smartphone radikal eindämmen und die daraus entstehende freie Zeit genießen. Eine Erkenntnis von vielen: mein Handy gehört zu mir. Ohne es fühle ich mich nicht komplett. Klingt freakig, ist aber so. In letzter Zeit muss ich allerdings immer häufiger feststellen, dass mein Smartphone nicht nur Freund, sondern auch Feind sein kann.
Ich ärgere mich über die rassistischen und hetzerischen Tendenzen auf Facebook und darüber, dass das Unternehmen nichts dagegen unternimmt. Ich ärgere mich über die einfallslosen Snaps von angeblichen Snapchat-Experten.
Ich ärgere mich über die noch viel einfallsloseren Instagram-Storys, die mich seit der ersten Sekunde restlos überfordern. Wer sind all diese fremden Leute? Warum sollte ich mich plötzlich dafür interessieren, wie sie sich ein Glas Wasser
einschenken oder es sich mit der neuesten Ausgabe von Magazin XY auf der Couch bequem machen? Ich ärgere mich über all die Blogger, die mir erklären wollen, wie dieser oder jener Social Media-Kanal funktioniert und die ja alle sooooo individuell und anders sind – nicht.
Doch am allermeisten ärgere ich mich über mich selbst. Weil ich die Hetzer-Kommentare stundenlang lese. Weil ich mir die einfallslosen Storys reinziehe. Weil ich noch mehr 08/15-Bloggern folge. Anstatt endlich mal meine Pocket-Liste voller interessanter Beiträge abzuarbeiten, konsumiere ich einen Haufen Mist. Mein digitaler Lifestyle gleicht einer Müllhalde. Es ist an der Zeit, aufzuräumen. Es ist Zeit für Minimalismus.
Schritt #1: Ausmisten
In den letzten Jahren hat sich ganz schön was angesammelt in meinem digitalen
Kosmos. Kontakte, die mein Leben nicht mehr berühren, Accounts, die mich nur kurzweilig unterhalten haben, Apps, die „jeder Freelancer auf dem Smartphone haben muss“, aber mir trotzdem nicht weiterhelfen. Mein digitaler Minimalismus beginnt wie jedes andere Minimalismus-Projekt: ich miste aus. Doch anstatt Klamotten, Taschen und Schuhen sind es Instagram-Feeds, Facebook-Freunde und Smartphone-Anwendungen, die aus meinem Leben verbannt werden.
Weg mit all den unnützen Dingen, die nur unnötig meine Zeit rauben und mich kein Stück weiterbringen. Das Resultat: sofort einsetzende Leichtigkeit und das Gefühl, durchatmen zu können. Es ist schon komisch, wie sehr einen immaterielle beziehungsweise digitale Dinge einengen können, oder?
Schritt #2: Beschränken
Ich bin ein Mensch, der in sozialen Netzwerken überdurchschnittlich aktiv ist. Ich habe nicht nur das obligatorische Facebook-Profil, sondern betreibe auch zwei Fanseiten (es gab Zeiten, da war ich „Redakteur“ bei sechs verschiedenen Seiten). Außerdem bin ich bei Instagram, Twitter, Snapchat und neuerdings auch Pinterest aktiv. Vor ein paar Monaten wollte ich mal weg vom Mainstream und habe das Netzwerk Wasabi ausprobiert. Bis jetzt ist der Knoten jedoch nicht geplatzt.
Was ich sagen will: Ich bin, so wie viele andere Blogger auch, Hans Dampf in allen Gassen – und das tut mir nicht gut. Für 2017 habe ich mir deswegen vorgenommen, mich zu beschränken. Keine neuen Netzwerke, keine neuen Zweit-Accounts. Stattdessen: Beschränkte Zeit in den Netzwerken, die mir auch tatsächlich nützen.
Schritt #3: Prioritäten setzen
Womit wir bei einem ganz entscheidenden Punkt wären: Welcher Aspekt von meinem digitalen Lifestyle bringt mir wirklich etwas und wobei handelt es sich um unnötigen Ballast? Seit Wochen frage ich mich beispielsweise, was mir Facebook noch bringt und ob sich die Zeit lohnt, die ich in das große Boss-Netzwerk stecke. Digitaler Minimalismus bedeutet für mich daher auch, Prioritäten zu setzen. Das, was wirklich wichtig ist, erhält (noch) mehr Beachtung, alles andere muss zurückstecken. So kann ich mir beispielsweise vorstellen, dass ich 2017 mehr Zeit auf Pinterest als auf Facebook verbringen werde. Wer ist alles mit dabei?
Schritt #4: Strukturieren
Vor ein paar Wochen hatte ich so etwas wie ein Schlüsselerlebnis (klingt dramatischer als es war). Ich ging meiner täglichen Arbeit nach und plante im Kopf verschiedene andere Projekte – und zwar alle parallel. Plötzlich schien mein Gehirn die Nase voll zu haben und blockierte radikal. Mit einem Mal hatte ich das Gefühl, mir ist alles zu viel. Ich musste erst einmal tief durchatmen und machte mich gleich darauf auf die Suche nach einer Lösung. Was ich fand, war Struktur.
Struktur ist etwas wirklich Herrliches. Sie gibt mir das Gefühl, die Kontrolle zu haben, lässt mich produktiv sein und fördert auf gewisse Weise auch meine Kreativität. Nach meiner kurzen Blockade habe ich mich dazu entschieden, meine einzelnen Projekte auf die fünf Wochentage zu verteilen. Jeden Montag Projekt A, jeden Dienstag Projekt B und so weiter. Es funktioniert erstaunlich gut und so will ich auch versuchen, meine anderen digitalen Aktivitäten im nächsten Jahr auf ähnliche Weise zu strukturieren.
Schritt #5: gezielte Auszeiten
Diesen Schritt muss ich vermutlich gar nicht groß und breit erklären. Digitaler Minimalismus bedeutet für mich auch, sich gezielte Auszeiten zu gönnen und Handy, Tablet, Laptop und Co. einfach mal die kalte Schulter zu zeigen. Vielleicht lege ich mir eine Bücher-Liste für das nächste Jahr zu. Oder putze mal wieder alle Küchenschränke gründlich. Es ist ja nicht so, als hätten wir ohne digital Lifestyle nichts zu tun…
Keine Lust auf digitalen Burnout
Für mich ist mein Vorhaben auch ein Stück weit Prävention. Ich nehme die Gefahren vom übermäßigen Smartphone-Konsum inzwischen ernst und weiß, dass ich zur „Zielgruppe” vom digitalen Burnout gehöre. Der digitale Minimalismus ist nicht nur ein erster Schritt in die richtige Richtung, sondern auch schlicht und ergreifend die logische Konsequenz aus meinem bisherigen Handeln. Digital Lifestyle ist toll – solang er den analogen nicht negativ beeinflusst.
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