Foto: Rawpixel

Bin ich eine schlechte Mutter, weil ich manchmal einfach nur wegrennen möchte?

Ich liebe mein Kind sehr, aber manchmal beneide ich die kinderlosen Single-Menschen in meinem Umfeld, um ihre Unabhängigkeit, ihre Freiheit und ihren Egoismus.

 

Ist das Glas halb voll oder halb leer?

Okay zugegeben, ich bin ein sehr schwankender Charakter, das war schon immer so. Soll heißen, ich bin genauso schnell plötzlich gut drauf, wie ich Hals über Kopf schlecht drauf sein kann. Und das ganze meistens auch ohne großen
Anlass und vor allem ohne Vorwarnung. Ziemlich anstrengend für mein
Umfeld. Aber ich kann euch sagen, auch ziemlich anstrengend für mich
selbst. In diesen Momenten des abrupten Gefühlswandels kann ich mich
nämlich selbst am allerwenigsten ausstehen.

Um aber noch mal auf mein nahes Umfeld einzugehen: Die, die man liebt, bekommen es bekanntlich am meisten ab. Überschwängliche Freude und misepetrige Gesichtsgulaschmomente werden ungefiltert vor die Füße des Ehepartners gerotzt – sorry dafür! Aber ich kann eben nicht anders. Ich versuche es schon über dreißig Jahre. Und danke an dieser Stelle, dass du das immer so toll mitmachst (du hättest eine Wahl … gehabt).

Das größte Glück der Welt 

Ich kenne das mit meinen Gefühlsschwankungen bei mir also schon und kann bis heute nicht damit umgehen. Das ist eigentlich frustrierend genug! Aber momentan macht es mir doch etwas Sorgen. Denn eigentlich müsste ich die glücklichste Person auf diesem Planeten sein. Eine von denen halt: Ich habe einen großartigen Partner, eine ziemlich arg süße und gelungene Tochter, eine grandiose Familie, die besten Freunde überhaupt, einen klasse Job, tolle Kollegen, eine Wohnung, einen vollen Kühlschrank – eben eigentlich alles, was man sich wünscht. 

Und trotzdem bin ich gerade in einer Phase, in der ich mich sehr oft unglaublich unglücklich fühle. Ich fühle mich eingesperrt, obwohl ich so viele Freiheiten habe. Plötzlich beneide ich die kinderlosen Singles in meinem Umfeld, die einfach das tun können, worauf sie Lust haben und das fast immer. Ausflüge machen, ohne dabei ein Kind im Schlepptau zu haben, das nach zehn Minuten sagt: „Ich will nach Hause“, „Meine Füße tun weh“, „Ich hab‘ Hunger“, „Ihr seid blöd“. Abends einfach weggehen, ohne vorher zur Eventplanerin zu werden. In den Urlaub fahren, dort in ein Restaurant gehen, ohne wie auf der Flucht sein Essen aussuchen und hinunterschlingen zu müssen und zum schnellen Vergnügen – weil man will ja auch Spaß haben – noch zackig einen viertel Liter Wein runterzukippen, denn das Kind muss dringend ins Bett, weil es schon längst „drüber“ ist. 

Ich weiß, es liegt in der Natur des Menschen, zu denken, das Gras sei beim Nachbarn grüner als bei einem selbst. Mein Gras ist auch grün, aber das andere sieht gerade so verlockend aus.

Ich will manchmal nicht nur Mama sein 

Ich nenne das Kind jetzt einfach beim Namen, auch wenn ich Sorge habe, was man über mich denken könnte: Ich bin gerade wohl mit meiner Rolle als Mama nicht glücklich! Ich stecke sozusagen in einer „Muddilife-Crisis”. Ich liebe meine Tochter über alles auf der Welt, aber das Mamasein ist nicht immer meine Welt. Es engt mich oft ein. Es überfordert mich, es belastet mich mit Ängsten, die ich nicht haben möchte und überhäuft mich mit Selbstzweifeln und Gewissenskonflikten, auf die ich gut verzichten könnte – aber nicht auf meine Tochter! Am liebsten würde ich gerade flüchten. Irgendwohin. Weit weg! Etwas erleben! Ein Abenteuer!

Wenn mich dieses Gefühl überkommt – und das kommt, wie anfangs erwähnt, ziemlich plötzlich – muss ich raus. Am besten in die Natur. Laufen. Alleine. Manchmal, wenn der Partner nicht zu Hause ist, auch mit Kind im Wagen (weil sie gehfaul ist. Habe ich das auch erwähnt?). Luft, Bäume, Weite, atmen, runterkommen … 

Einfach mal durchatmen 

Dann beruhige ich mich langsam. Habe ein schlechtes Gewissen wegen meiner vorangegangenen Gedanken und Gefühle. Dann möchte ich meinen Partner in den Arm nehmen, meiner Tochter sagen, wie sehr ich sie liebe und mir selbst eine knallen. Manchmal weine ich ein bisschen, danach geht es oft auch besser.

Aber was ist jetzt die Lösung für dieses Problem? Was macht man, um mit so einer Muddilife-Crisis umzugehen? Muss ich nur meine Frisur ändern? Mich tätowieren lassen? Oder shoppen gehen? Brauche ich einen Therapeuten, weil ich ein ernsthaftes Problem habe? Bin ich am Ende leicht schizophren? Oder leide ich nur unter der Krankheit des 21. Jahrhunderts: Langeweile und chronische Unzufriedenheit? Ich bin jedenfalls ratlos und möchte diese Gefühlsschwankungen nicht haben. Ich möchte glücklich sein, weil ich allen Grund dazu habe. Kennt ihr diese Gefühle?

Dieser Artikel ist zuerst auf Anna-Lenas Blog Killepupmitlala erschienen. Wir freuen uns, ihn auch hier veröffentlichen zu können. 

Mehr bei EDITION F

Ich spiele nicht gern mit meinem Sohn – bin ich eine schlechte Mutter? Weiterlesen

Die genervteste Mutter der Welt – von Tagen, an denen nichts gut zu sein scheint. Weiterlesen

An alle Mütter: Wir dürfen Fehler machen, und wir dürfen erschöpft sein. Weiterlesen

Anzeige