Frau in weißem Shirt hält ein Bündel Geldscheine in Händen.
Foto: Karolina Grabowska | Pexels

Über Geld spricht man nicht?

Wie viel Rente bekommt eigentlich eine Nonne? Was verdient eine Jungschauspielerin und wie lebt man in einer Großstadt mit 825 Euro BAfÖG? Über Geld sprechen viele Menschen ungern, wir haben sie trotzdem gefragt.

Dieser Beitrag erschien erstmals bei EDITION F am 4. November 2021.

Alle reden ständig über Geld – indirekt: Über ihren letzten Urlaub, die Kinderbetreuung, die neuen Schuhe, ihr Lieblingsrestaurant. Aber wenige sprechen es aus, sprechen über Zahlen, über Kontostände, Honorare, Gehälter. Was verdienen eigentlich die Kolleg*innen? Sorgen Freund*innen bereits fürs Alter vor? Und wie viel hat der*die Partner*in eigentlich am Ende des Monats noch auf dem Konto?

Nicht nur im Arbeitsleben, sondern auch im Privatleben scheint ein Schweigegelöbnis über dem Thema Geld zu liegen. Geld ist das große Tabu – größer als Sex. Studien zeigen immer wieder, dass wir in Deutschland ungern unsere Kontostände offenlegen, egal ob hoch oder niedrig; dass viele Menschen viel zu wenig über Geld wissen und sich nicht trauen nachzufragen.

Aber wieso ist Geld eigentlich so ein Tabu, wie entstand der Glaubenssatz: „Über Geld spricht man nicht!“ und wie können wir ihn wieder verlernen? Die Finanzpsychologin Monika Müller sagt: „Geld hat eine sozialpsychologische Wurzel.“ Denn der Ursprung von Geld liege nicht im Tauschhandel, sondern von Anfang an im Statussymbol. Lange bevor Geld zum Tausch eingesetzt wurde, galt es als Emblem an der Kleidung als Zeichen für den gesellschaftlichen Stand – diese Funktion hat Geld bis heute nicht verloren. „Sprechen wir über Geld, vergleichen wir uns sofort: ,Habe ich mehr oder weniger Geld als andere?’ Und leider haben wir gelernt, dass Menschen mit mehr Geld wertvoller oder besonderer sind.“

Geld habe also keinen sachlichen, sondern einen emotionalen Wert für uns. „Wir müssen die Verknüpfung zwischen Geld und Selbstwert auflösen, um sachlich über Geld sprechen zu können. Solange das nicht getrennt ist, projizieren wir unseren eigenen Wert auf Geld. Wie viel ich wert bin, ist also davon abhängig, was ich verdiene und wie viel Geld ich habe – solange wir das selbst noch glauben, sind wir verstrickt“, sagt Monika Müller. Die Finanzpsychologin rät ihren Klient*innen dazu, über ihre eigene Geschichte zum Thema Geld nachzudenken: Was habe ich über Geld gelernt? Wie haben meine Eltern mit mir über Geld gesprochen und wie meine Lehrer*innen? Bin ich wirklich mehr oder weniger wert, wenn ich mehr oder weniger Geld habe?

Wir haben Rapperinnen, Pfleger*innen, Hebammen, eine Richterin, eine Nonne, Studentinnen und eine Lehrerin gefragt, ob sie mit uns über das Tabu sprechen wollen: über Geld – nicht anonym, sondern mit Gesicht und Namen. Viele sagten sofort ab, manche haben ehrlich gesagt, dass sie nicht über ihr Gehalt sprechen dürfen, das stehe so in ihren Arbeitsverträgen. Einige haben sich doch getraut. Die Schauspielerin Banafshe Hourmazdi spricht über den Balanceakt als Freiberuflerin zwischen Monaten mit viel und welche mit gar keinem Honorar. Die Nonne Schwester Veronika Fricke erzählt, was Luxus für sie ist. Die Psychologin Nadjeschda Taranczewski spricht über das Geld, das sie verdient und wieso manches Geld sich gut anfühlt und anderes weniger. Der Unternehmensberater Robert Franken wollte nicht mit uns über Geld sprechen und hat es am Ende doch getan, Zahlen will er aber nicht nennen. Und die Studentin Lena erklärt, wieso der BaFöG-Satz zu niedrig ist, um allein davon zu leben.

Banafshe Hourmazdi

Foto: Meltem Kaya, Styling: Merve Celikyurt, HMU: Peimaneh Yaghoobifarah

Als was arbeitest du?

„Ich bin Schauspielerin.“

Wie viel Geld verdienst du?

„Das ist sehr unterschiedlich. Wenn ich drehe, verdiene ich manchmal in einem Monat so viel wie Leute vielleicht in einem halben Jahr und dann gibt es Monate, wo ich einfach ZERO Einkommen habe. Ich mache auch sehr unterschiedliche Projekte. Wenn ich bei Filmen von Studierenden mitspiele, verdiene ich nichts, und wenn ich eine gut finanzierte Produktion mache, dann verdiene ich verhältnismäßig viel. Das gleicht sich dann aus mit den Projekten.“

Wie viel würdest du gerne verdienen?

„Ich würde gerne so viel verdienen, dass ich mir gar keine Sorgen mehr um Geld machen müsste. Angeblich gibt es da ja so ein Einkommen, ab dem das so ist, aber da ich nie regelmäßiges Einkommen habe, werde ich wahrscheinlich nie wissen, wie sich das anfühlt.“

Was gönnst du dir jeden Monat, das ein bisschen Luxus für dich ist?

„Guten Kaffee.“

Wofür reicht dein Geld monatlich nicht/welchen Wunsch kannst du dir mit deinem Einkommen nicht erfüllen?

„Ich würde gerne wissen, wie das ist, wenn ich mir nie, nie, nie Gedanken um Geld machen müsste. Wenn Menschen aus einer Familie mit viel Geld kommen, haben die einfach so ein anderes Selbstverständnis. Einem Freund von mir wurde mal die Kreditkarte geklaut und ich habe ihn fast dazu zwingen müssen, bei der Bank anzurufen und die Karte zu sperren, weil er keinen Bock auf die Hotline hatte. Ich würde gerne wissen, wie das ist, wenn ich dieses Selbstverständnis hätte. Aber vielleicht brauch ich dafür auch kein Geld, sondern einfach absolute Gelassenheit.“

Kannst du sparen?

„Ich versuche meinen Lebensstil mehr und mehr daran anzupassen, zu gucken, was ich wirklich brauche und je nach Arbeitslage spare ich dann in den Monaten. Auch in der Zeit, in der ich viel verdiene, gehe ich nicht jeden Tag drei Mal essen.“

Wie hoch wird deine Rente sein?

„LOL.“

Schwester Veronika Fricke

Foto: privat

Als was arbeitest du?

„Zuerst einmal bin ich Ordensfrau, ich lebe meine Berufung als Christin in einer religiösen Gemeinschaft. Außerdem habe ich Sozialpädagogik und BWL studiert. Im Moment arbeite ich in unserer Ordensverwaltung und bin für alle wirtschaftlichen, verwaltungsmäßigen Belange unserer Gemeinschaft in Deutschland verantwortlich.“

Wie viel verdienst du?

„Ich verdiene gar nichts. Ich habe mich dazu entschieden, meine Kräfte und Talente in den Dienst unserer Ordensgemeinschaft zu stellen. Wir bekommen alles Notwendige, was wir zum Leben brauchen. Da wir selber nicht über eigenes Geld verfügen, überlege ich in der Regel gut, was ich benötige. Damit relativiert sich manches vermeintlich Notwendige. Wenn ich einen Wunsch habe oder etwas Schönes sehe, hat sich bei mir eine innere kleine Kontrolleinheit eingebaut, die mich befragt, ob ich es wirklich benötige. Meistens ist es nur ein vorübergehender Wunsch, der sich dann wieder verflüchtigt. Das macht mich ziemlich frei im Gebrauch von Dingen.“

Wie viel würdest du gerne verdienen?

„Mir reicht, was ich habe. Mein Selbstwert hängt nicht am Geld. Da gibt es für mich andere Dinge wie zum Beispiel die Zeit in der Gemeinschaft oder Zeiten für Gebet, Stille, Lesen, Gartenarbeit. Diese Werte bestimmen eher meinen Selbstwert und sind nicht mit Geld zu bezahlen. Leider fehlt mir dieser Reichtum an Zeit manchmal und das vermisse ich dann schmerzlich.“

Was gönnst du dir jeden Monat, das ein bisschen Luxus für dich ist?

„Ich gönne mir möglichst jeden Tag ein Lächeln auf meinem Gesicht – über die Schönheit der Natur oder eine nette Begegnung. Das macht mich glücklich. Samstags schlafe ich gerne mal aus. Dann frühstücke ich erst gegen 9 Uhr. Das ist Luxus wie auch das Musizieren in freien Zeiten.“

Wofür reicht dein Geld monatlich nicht/ welchen Wunsch kannst du dir mit deinem Einkommen nicht erfüllen?

„Ich kann und will mir keine Weltreisen oder Ähnliches leisten. Ich würde gerne mal in einem Heißluftballon fliegen. Das ist aber in unserem Budget nicht vorgesehen und ist auch ein Luxus, den ich nicht von dem Geld meiner Gemeinschaft erfragen möchte.“

Kannst du sparen?

„Ja, ich kann sparen. Ich bekomme jeden Monat 20 Euro zur freien Verfügung. Wenn ich mir ein Buch oder Noten kaufen möchte, lege ich entsprechend von diesen 20 Euro Geld zurück. In meiner beruflichen Aufgabe spare ich für unsere Ordensgemeinschaft. Wirtschaftliches Handeln habe ich in meinem BWL-Studium gelernt und das wende ich für unseren Orden an. Sparen und wirtschaftlich auskömmliches Handeln ist in der momentanen Zeit nicht einfach, insbesondere wenn wir unser Vermögen ethisch-nachhaltig anlegen.“

Wie hoch wird deine Rente sein?

„Unsere Gemeinschaft wird für mich eine Mindestrente erhalten. Wir werden unser ganzes Leben als Ordensleute von ihr versorgt. Die Orden bilden für ihre Mitglieder entsprechende Rücklagen für das Leben im Alter. Darüber hinaus gibt es für mich keinen Renteneintritt. Ich bleibe bis zu meinem Tod Christin und versuche entsprechend zu leben.“

Nadjeschda Taranczewski

Foto: Julia Klein

Als was arbeitest du?

„Ich bin Diplom-Psychologin und Coachin für Persönlichkeitsentwicklung und Gründerin der Firma Conscious U GmbH, außerdem bin ich Autorin des Buches ,Conscious You: Become the Hero of Your Own Story‘.“

Wie viel verdienst du?

„Das schwankt von Jahr zu Jahr – aber es sind um die 350.000 Euro Umsatz. Am Ende bleibt natürlich immer erstaunlich wenig davon übrig.“

Wie viel würdest du gerne verdienen?

„Ich möchte nicht mehr, sondern anders Geld verdienen. Mit ,anders Geld verdienen‘ meine ich, dass ich mein Geld mehr über die ConsciousU-Programme verdiene und weniger durch meine Arbeit als Coachin. Ich möchte mehr Zeit investieren in das Schreiben und Konzipieren von unseren skalierbaren Programmen. Mit ConsciousU verdientes Geld ist somit ein direkter Ausdruck des Impacts, den ich in der Welt leiste. “

Was gönnst du dir jeden Monat, das ein bisschen Luxus für dich ist?

„Meine Frau und ich gehen sehr gerne gut Essen. Das empfinde ich nach wie vor als großen Luxus.“

Wofür reicht dein Geld monatlich nicht/welchen Wunsch kannst du dir mit deinem Einkommen nicht erfüllen?

„Ich habe genug Geld für die Dinge, die ich für mich oder uns tun möchte. Aber ich hätte gerne mehr Geld, das ich in die Projekte anderer Menschen investieren kann, die sinnvolle Dinge in der Welt bewegen.“

Kannst du sparen?

„Ich spare in Form von diversen Rentenfonds. Ich glaube allerdings nicht daran, dass Sparen mir Sicherheit bringt. Mein Freund und Mentor Peter Koenig sagte mir einmal: ,Wenn du für dein Alter vorsorgen willst, dann investiere in deine Bildung, deine Gesundheit und deine Beziehungen.‘ Dieser Rat ist ein Mantra für mich geworden und ein Großteil meines Geldes investiere ich in diese drei Bereiche.“

Wie hoch wird deine Rente sein?

„Das weiß ich tatsächlich nicht. Aber es wird reichen, vor allem weil ich großes Vertrauen in die Tragfähigkeit der drei oben genannten Investitionsbereiche habe.“

Robert Franken

Foto: Marine Goyert

Als was arbeitest du?

„Ich bin selbstständig und berate Organisationen zum Thema Transformation und Unternehmenskultur mit einem Schwerpunkt auf Diversity, Inclusion & Belonging (DIB). Ich sensibilisiere Teams für Stereotype und versuche, die Hebel im Unternehmen oder der Organisation auszumachen, mit denen sie die Strukturen nachhaltig verändern können.“

Wie viel verdienst du?

„Ich werde als Berater nach Aufwand und investierter Zeit bezahlt. Dafür habe ich eigene Tagessätze und Honorare für Vorträge und Workshops.“

Wie viel würdest du gerne verdienen?

„Ich fände es gut, wenn sich meine Vergütung daran orientieren würde, was ich mit meiner Arbeit effektiv bewirke.”

Was gönnst du dir jeden Monat, das ein bisschen Luxus für dich ist?

„Ich gehe häufig mittags zum Essen in ein Restaurant oder einen Imbiss.“

Wofür reicht dein Geld monatlich nicht/ welchen Wunsch kannst du dir mit deinem Einkommen nicht erfüllen?

„Nichts, wovon mein Seelenheil abhängen würde. Wir haben einen recht kleinen Footprint: eine kleine Mietwohnung, kein Auto, kein Wohneigentum.“

Kannst du sparen?

„Ich kann mal mehr, mal weniger zurücklegen – je nach Auftragslage. Ich bin dabei extrem privilegiert, da ich Aufträge auch ablehnen kann, wenn sie mich zeitlich oder energetisch überfordern, beziehungsweise wenn die Chemie nicht stimmt.“

Wie hoch wird deine Rente sein?

„Das hängt davon ab, wie viel ich in den nächsten 15 bis 20 Jahren zurücklegen kann. Die gesetzliche Rente ist aufgrund meiner Selbstständigkeit sehr überschaubar.“

Lena

Foto: privat

Als was arbeitest du?

„Ich studiere im fünften Semester Sonderpädagogik, engagiere mich nebenbei ehrenamtlich in der Fachschaft Inklusion, arbeite seit fünf Jahren umweltpädagogisch im Zoo und gebe Bildungsseminare für junge Erwachsene.“

Wie viel verdienst du?

„Da ich in einer Scheidungsfamilie groß geworden bin, in der Unterhaltsfragen bis heute ungeklärt sind, wollte ich mein Geld durch Arbeit und Engagement selbstständig verdienen, um unabhängig vom Geld meiner Eltern leben zu können. Zusätzlich dazu habe ich ein Stipendium von 300 Euro monatlich und bekomme vom Bund den BAföG-Satz gemessen am Einkommen und Vermögen von mir und meinen Eltern. Durch meine freiberufliche Tätigkeit verdiene ich je nach Auftrag unterschiedlich oft und unterschiedlich viel Geld und habe dadurch keine Sicherheit, wenn ich krank werden sollte oder vergessen würde, eine Rechnung zu schreiben. Nichtsdestotrotz kommen je nach Engagement zum monatlichen Geld ca. alle zwei bis drei Monate 400 bis 700 Euro durch meine Arbeit dazu.“

Wie viel würdest du gerne verdienen?

„Ich fände es gut, wenn aus Landes- oder Bundesmitteln ehrenamtliche Arbeit finanziell gefördert werden würde. Wenn allgemein gesellschaftlich Ehrenämter mehr geschätzt werden würden, könnte es aus öffentlichen Mitteln als Anerkennung eine kleine Aufwandsentschädigung geben. Das BAföG, das ich in Kombination mit dem Geld vom Stipendium bekomme, erleichtert mir mein Leben enorm. Ohne die Stipendiumpauschale würde der BAföG-Satz für das Leben in einer Großstadt wie Köln nicht ausreichen. Der BAföG-Satz sollte zumindest so hoch sein, dass alle Menschen unabhängig vom soziokulturellen Hintergrund selbstbestimmt und unabhängig von Verwandten ihrem Bildungsweg und ihrer Berufung nachgehen können.“

Was gönnst du dir jeden Monat, das ein bisschen Luxus für dich ist?

„Auch mit BAföG und Stipendium versuche ich das Geld, das ich nicht unbedingt zum Leben brauche, zu sparen. Mit dem Stipendium kann ich mir aber auch mal den Luxus eines Kurztrips leisten oder auch mal etwas teurere, aber dafür nachhaltig, fair und biologisch hergestellte Produkte kaufen. Mein Lebensstil hat sich durch das Geld also verbessert, weil ich damit dem, was mir wichtig ist, vermehrt nachgehen kann. Ich kann sicherer und sorgloser leben.“

Wofür reicht dein Geld monatlich nicht/welchen Wunsch kannst du dir mit deinem Einkommen nicht erfüllen?

„Ohne das Stipendium, nur von BAföG, könnte ich in einer Großstadt wie Köln nicht problemlos leben, da die Miete dort viel zu hoch ist. Um ein Platz in einem Studierendenwohnheim mit günstigeren Zimmern zu bekommen, braucht man viel Glück. Ohne meine Nebenjobs könnte ich auch nicht reisen oder beim Konsum auf nachhaltigere Produkte achten.“

Kannst du sparen?

„Ich spare zumindest monatlich das Geld, das ich auch im Anschluss an mein Studium dem BAföG-Amt zurückzahlen muss. Das ist aber auch nur möglich, weil ich durch das Stipendium abgesichert bin und durch meinen Nebenverdienst Hobbys etc. bezahlen kann.“

Wie hoch wird deine Rente sein?

„Da ich noch nicht fest angestellt war und als Kleinunternehmerin nicht einmal den Steuermindestsatz verdiene, zahle ich noch nicht in die Rente ein.“

Let‘s talk about Money – Was machen wir mit Geld und was macht Geld mit uns?

Du willst noch mehr Input zum Thema? Alle Inhalte aus dem Themenschwerpunkt findest du jederzeit auf unserer Überblicksseite. Hier geht’s lang.

Anzeige