Hierzulande wird man ja gerne davor gewarnt, sich selbständig zu machen. Deshalb hat Lydia mal aufgeschrieben, was das Gründen für sie so toll macht.
Elf angenehme Wahrheiten übers Gründen
„Mensch, bei so einer Geburt passieren ja eine ganze Menge Dinge, die dir vorher KEINER sagt“, beschwerte sich eine frischgebackene Mama mal
bei mir. Ich will jetzt nicht ins Detail gehen – es war ziemlich
unappetitlich. Aber ich hatte tatsächlich auch noch nie davon gehört.
Ähnlich ist es mit dem Gründen: Man denkt, man weiß schon alles darüber,
hat x schlaue Artikel (oder gar Bücher) gelesen, ein
Existenzgründerseminar gemacht und sich mit anderen Gründerinnen
ausgetauscht. Aber auch mit dieser gründlichen Vorbereitung fehlen einem immer ein paar wichtige Dinge, die man erst
mitkriegt, wenn man es tut. Und während das Thema Geburt wohl eher
verklärt wird, ist das Thema Existenzgründung in unserem Land ziemlich
angstbesetzt. Deshalb jetzt hier – Trommelwirbell – elf angenehme Wahrheiten übers Gründen:
1. Glücksmomente
Das Wichtigste zuerst: Kein Mensch hat mir gesagt, wie glücklich das macht! Dieser Moment, als ich mein erstes eigenes Produkt in der Hand hielt (was ich natürlich gleich noch im
eiskalten Lager direkt von der Palette gerissen und ausgepackt habe) – unbezahlbar!
Oder wenn meine Onlineshop-App auf dem Handy „ka-ching“ macht, weil
eine neue Bestellung eingegangen ist. Ich freu mich immer so! Manchmal ertappe
ich mich, wie ich mit einem Grinsen auf dem Gesicht durch den Tag spaziere beziehungsweise fahre. Und das, wo doch Skepsis mein zweiter Vorname ist.
2. Lob
Nachdem ich jahrelang so gut wie gar kein Feedback für meine
Arbeit bekommen habe, genieße ich es jetzt, dass ich ständig welches bekomme –
meistens auch noch positiv: von Freunden, Bekannten, Geschäftspartnern, Kunden,
Followern, Lesern. Danke übrigens!
3. Arschlochquote
Ich hab in kurzer Zeit ziemlich viele neue Kontakte geknüpft und unglaublich
sympathische und interessante Menschen kennengelernt. Ist schon schön, wenn man
es sich aussuchen kann, mit wem man seine Lebenszeit verbringt. Die
Arschlochquote geht jedenfalls gegen Null. Wer kann das schon von sich sagen?
4. Inspiration
Ich lasse mich ja selbst sehr gern inspirieren und sauge alles auf, was nicht bei
drei auf dem Baum ist. (Schräge Metapher, hehe…) Es macht aber auch umgekehrt
Spaß: Wenn ich für andere eine Inspiration sein darf mit dem,
was ich mache.
5. Eigene
Welt
Ich baue mir gerade meine Welt, wie sie mir gefällt. Von den Arbeitszeiten über
meine eigenen Artikel und Produkte, die sinkende Arschlochquote bis hin zu
meinen Finanzen. Das befriedigt mich sehr.
6. Zufriedenheit
Früher hab ich manchmal (ziemlich selten eigentlich) Leute getroffen, die wirkliche Zufriedenheit mit sich selbst, den anderen und der Welt ausgestrahlt
haben. Wow, dachte ich dann immer, da möchte ich auch mal hinkommen! Das ist noch mal
anders als diese einzelnen Glücksmomente – mehr so eine Gesamtstimmung. Und genau diese Zufriedenheit legt sich gerade über mein gesamtes Leben – auch dahin, wo vorher die
Unzufriedenheit rumgammelte.
7. Wachstum
Für mich ist die Selbständigkeit nicht nur äußeres (wirtschaftliches), sondern
auch inneres Wachstum. Denn wenn man sein Produkt erst einmal auf den Markt geschmissen hat, kann man sich
hinter niemandem mehr verstecken: hinter keinem Unternehmen, keiner Marke und
keinen Kollegen. Und je besser ich mich selbst kennenlerne, verstehe und
akzeptiere, desto besser klappt’s auch mit dem Rest der Welt.
8. Erfolg
Erfolg ist schön, ja. Oder man sieht es wie Audrey Hepburn, die sagte:
„Erfolg ist, wie wenn man einen wichtigen Geburtstag hat und feststellt, man ist genauso wie vorher.“
Natürlich
möchte jeder Gründer Erfolg haben. Aber erst mal müsste man ja
definieren, was Erfolg überhaupt sein soll. Da gibt’s ja verschiedene
Vorstellungen:
„Erfolg ist, wenn man sich selbst mag, wenn man mag, was man tut, und wie man es tut.“
-Maya Angelou
Wir neigen ja dazu, Erfolg in Geld zu messen. Muss aber nicht sein:
„Was ist schon Geld? Ein Mensch ist erfolgreich, wenn er morgens aufsteht und abends ins Bett geht und dazwischen tut, was er tun will.“
– Bob Dylan
Jedenfalls gibt
es ein ganz großes Missverständnis, was den Erfolg angeht: Man sieht ihn
nämlich in voller Schönheit erst, wenn er da ist. All die Zeit und Energie (und
natürlich die finanziellen Mittel), die vorher investiert wurden, bleiben für
den Betrachter unsichtbar. Deshalb sieht es immer so aus, als habe jemand „plötzlich“ Erfolg. OK, man kann natürlich auch einfach mal Glück haben. Aber in
der Regel pflastert man sich Stein um Stein seinen Weg. Das war mir selbst
nicht so klar, weil ich immer relativ weit oben eingestiegen bin. Diese Aufbauarbeit
ist mir neu, aber sie macht echt Spaß.
9. Lernen
Oh man, was ich in den letzten Monaten alles gelernt habe! Ich hab ein Spiel entwickelt und
herausgegeben, einen Blog und einen Onlineshop
aufgesetzt, eine Lesung gehalten, Produktfotos gemacht, Strichcodes gekauft
(sehr spannend übrigens), Verpackungen ausgesucht, Produkte und Versandkosten
kalkuliert und so weiter. Ganz viele erste Male. Allein dadurch, dass man alles allein
machen muss, wird man halt vielseitig.
10. Niederlagen
Keine Angst, ich stimme hier nicht in den Chor derer ein, die Scheitern geil
finden. Scheitern ist nach wie vor blöd und eine Riesenwatschen fürs Ego. Was
aber OK ist, sind Niederlagen. Fußballer kennen das. Rückschläge sind nur die andere Seite der Medaille
Erfolg. Ohne Niederlagen kein Erfolg, ohne Trauer keine Freude, ohne Verlust
kein Gewinn. Vor allem ist man nach jeder Niederlage schlauer: Man weiß, wie
man es nicht machen sollte. Wenn man das einmal kapiert hat, wird es leichter,
mit Rückschlägen und „Fehlern“ umzugehen. Dann kann man sich sogar
ein bisschen darüber freuen.
11. Spaß
Ich glaube, ich habe es bereits gelegentlich erwähnt: Gründen
macht Spaß! Es ist total aufregend. Ich bin auch bei dem 81. Blogartikel
noch aufgeregt, wenn ich den „Publizieren“ -Knopf drücke. Oder wenn
ich die Bestellung für einen Kunden zusammenpacke. Gründen ist lehrreich bis
zur Selbsterkenntnis. Und dermaßen erfüllend, dass man auf vieles verzichten
kann. Ein bisschen so, wie wenn man frisch verliebt ist und von Luft und Liebe
lebt. Daneben gibt es natürlich jede Menge Arbeit, Unsicherheit und Sorge.
Aber ganz ehrlich: Der Spaß wiegt alles auf.
Dieser Artikel erschien zuerst auf Lydia Krügers Blog Büronymus. Wir freuen uns, ihn auch hier veröffentlichen zu können.
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