Gutes Leben, Arbeiten und Familie in der Großstadt unter einen Hut zu bringen – das bringt uns manchmal bis an unsere Grenzen. Gerade deshalb verdienen wir Anerkennung.
Alles selbstverständlich …
Aus gegebenem Anlass muss ich heute über die Achtung gegenüber Frauen sprechen. Oder vielleicht vielmehr über die Achtung gegenüber unseren Mitmenschen. Oder doch vor allem gegenüber Frauen. Oder, noch besser: Gegenüber denen, die uns nahe stehen und die wir eigentlich lieben. Ich habe heute morgen lange mit einer Freundin gesprochen, deren Partner – wie es scheint – wenig Achtung hat vor ihr und dem was sie tut. Die Wertschätzung ihr gegenüber tendiert zu null. Abgesehen davon, dass sie das gemeinsame Kind quasi alleine groß zieht, wird ihre Arbeit (der sie zusätzlich zur Versorgung des Kindes auch noch nach geht) und Zeit permanent als weniger wichtig eingestuft als seine. Wonach beurteilt er das?
Nach dem Gehalt? Da frage ich mich, in welchem Jahrhundert hier gerade gelebt wird. Man kann so natürlich rechnen. Man kann sich darauf einigen, dass derjenige, der mehr Geld verdient, damit auf seine Weise für die Familie sorgt. Das berechtigt aber nicht dazu, die Leistung des Partners oder der Partnerin als weniger wichtig anzusehen. Wer so rechnet, rechnet rein kapitalistisch und vernachlässigt alle anderen Ebenen: die soziale, die nachhaltige – von der seelischen mal ganz abgesehen. Was mich in einer solchen Lebensauffassung am meisten schmerzt, ist die geringe Achtung und Wertschätzung, die in einem solchen Verhalten mitschwingt.
Ich kenne meine Freundin. Sie ist eine vor Lebensfreude sprudelnde, energische, fröhliche und kreative, eine schöne und anmutige, sensible und ehrliche, eine umsichtige, mitdenkende und mitfühlende Frau. Sie sorgt sich sogar noch um ihren Mann, wenn der zum wiederholten Male 14 Stunden am Tag arbeitet und sie mit allem alleine lässt. So sehr hat sie alle Seiten im Blick. Ich stehe dann daneben und frage mich, wo guckt er gerade eigentlich hin? Was daran sieht er nicht mehr? Denn wenn er es sehen würde, würde er sich vielleicht einfach mal glücklich schätzen, dass diese tolle Frau ihr Leben (immer noch) mit ihm teilen will. Vielleicht würde er ihr dann auch einfach mal sagen, was für eine großartige Frau sie ist. Was für eine tolle Mutter. Wie schön. Wie klug. Wie lebensfroh.
Wertschätzung nur zu denken, reicht nicht
Gerade wenn es in einer Beziehung schwer ist, kann es helfen sich mal wieder bewusst zu machen, was für ein Geschenk der andere Mensch eigentlich ist. In unserer Gesellschaft sind wenige von uns gezwungen, das Leben mit einem anderem Menschen zu teilen. Wir suchen uns das aus. Und wenn da jemand abends in der Küche steht, und schon den ganzen Tag gerockt hat – inklusive Kita-Chaos, fröhlichem Unterrichten, Einkaufen, trösten, spielen, Arbeit vorbereiten, Emails beantworten, Rechnungen bezahlen, Essen kochen – dann kann man diesen Menschen auch einfach mal in den Arm nehmen und ihn daran erinnern, was für eine tolle Person er ist. Anstatt mit der Person über die liegen gebliebene Wäsche zu streiten.
Natürlich – das ist mir wichtig – gilt das nicht nur für Frauen. Seinen männlichen Partner wertzuschätzen ist ebenfalls wichtig und manchmal durchaus eine Aufgabe. Gute Freundinnen zu ehren ist auch nicht immer leicht, zum Beispiel, wenn man gerade völlig verschiedene Meinungen zu einem wichtigen Thema hat. Achtung und Wertschätzung, ja, Liebe für andere auch noch zu empfinden, wenn sie sich ganz anders verhalten, als wir uns das wünschen, das ist wahrlich eine große Herausforderung.
Auf einem Zettel meines Yogi-Tees stand dann auch letztens ganz passend: „Nicht lieben weil, sondern trotzdem”. Da kann man dann auch mal ein bisschen seufzen – und lachen, denn wie oft standen wir schon genau an dem Punkt, dass wir über einen geliebten Menschen nur noch den Kopf schütteln konnten. Lieben, trotzdem. Punkt.
Recht haben macht nicht glücklich
Es bringt nichts, den anderen immer wieder anzuklagen und sich selbst permanent im Recht zu sehen. Im Recht zu sein bringt uns meistens nicht mal ein besseres Gefühl. Und überhaupt, was wissen wir am Ende schon, was richtig und was falsch ist?
Für mich gibt es zum jetzigen Zeitpunkt eigentlich nur eine Lösung. Selbst Wertschätzung zu verteilen. Zuerst einmal an meine Freundin. Manchmal können wir als Frauen, Freundinnen, Schwestern, Helferinnen und Unterstützerinnen unsere Achtung und Wertschätzung geben. Das ist dann nicht das gleiche wie die Wertschätzung vom Partner. Aber es ist direkt und machbar und hilft auf jeden Fall.
Sag deiner Freundin, wie toll sie ist
Also meine Liebe, ich achte dich für die Kraft, mit der du dein Leben meisterst. Ich achte dich dafür, dass du immer noch so wunderbar lachen kannst. Ich schätze dich für deine ansteckende Lebensfreude. Ich liebe die Art, wie du auf der Bühne spielst und die Authentizität und Leidenschaft, mit der du deine Arbeit machst. Ich achte dich dafür, dass du dein Kind mit soviel Liebe und Freude erziehst. Und ich achte dich dafür, dass du unterrichtest und anderen Menschen Sprachen auf so leichte Weise beibringst. Ich achte dich dafür, dass du immer noch weiterlernst und dich stetig weiterbildest. Ich schätze deine Großzügigkeit. Ich liebe deine Weisheit und Unbedingtheit. Ich schätze deinen Mut. Ich liebe deine Stärke. Ich erlebe dich als eine Inspiration für mich. Danke!
Wann sagen wir uns das schon mal gegenseitig? Viel zu selten! Dabei ist ein Weiterleben mit solchen Worten viel leichter. Beschwingter. Irgendwie gibt eine solche Rückmeldung Kraft und lässt uns wieder bei uns selbst ankommen. Sogar auf der Arbeit hat ein solches Feedback Inspiration und Tatkraft zur Folge. (Nicht umsonst heisst es in Ratgebern für Führungskräfte positives Feedback steigere die Leistungsfähigkeit und das Arbeitsklima). Oder auch einfach: Echte und ausgedrückte Achtung und Wertschätzung! Wann immer ich solche Worte weiter gebe: Sie öffnen das Herz der Frau, die sie hört. Wann immer ich solche Worte selber höre, bin ich dankbar und tief berührt.
Sei besser als der andere
Jemand anderem kann ich diese Wertschätzung auch geben – nämlich dem Mann (in dem Fall – ihrem Mann). Ich schätze mit welchem Einsatz er seine Arbeit macht und auf diese Weise mit für seine Familie sorgt. Ich schätze seinen Elan und sein Commitment. Ich achte seine Kreativität. Ich schätze seine Verbindlichkeit. Ich achte seine Intelligenz und seinen Willen, sich um Dinge zu kümmern. Ich schätze seine Durchsetzungsfähigkeit. Ich schätze, dass er immer noch da ist und seinen Mann steht, auch wenn er das Leben nicht immer leicht findet. Ich liebe die Art, wie er mit seinem Kind spielt und es zum Lachen bringen kann.
Wenn ich schon gerade dabei bin – denn das macht tatsächlich Freude und fühlt sich gut an – gebe ich es schnell noch einer anderen Freundin weiter. Und morgen meiner Mutter. Und meinem Vater. Dem ist das wahrscheinlich ein bisschen peinlich, Väter eben, aber egal. Und Sonntag einer anderen Freundin. Und vielleicht noch einer.
Wertschätzung auch für dich selbst
Im Geiste mache ich es dann auch gleich noch für ein paar Menschen, mit
denen ich im Moment wenig Kontakt habe. Wir haben uns auseinander gelebt, manchmal wissen wir nicht mehr genau, worüber wir noch sprechen sollen.
Und jetzt kann ich es mir auch selber sagen. Mal in den Spiegel sehen und sagen: Hey, ich schätze dich wert. Empowerment fängt einfach bei uns selbst an. Uns als Frauen selbst zu achten und zu ehren. Für unsere Leidenschaft, unser Commitment, unsere Begeisterung. Für unsere Liebe. Uns selbst zu achten und wertzuschätzen für diesen ganzen Kraft- und Balanceakt, den wir jeden Tag vollbringen. Egal in welcher Lebenssituation – wir tun immer unser Bestes. Wir machen es so gut, wie wir es können. Und meistens ist das einfach – verdammt gut. Selbst wenn es sich nicht immer so anfühlt. Den Weg wertzuschätzen, den wir gehen ist wichtig. Und auch ziemlich viel Spaß.
Wenn es niemand sonst tut, können wir es immer selbst tun. Auch in diesem Punkt sind wir unabhängig. Unabhängig genug, um uns selbst wertzuschätzen, egal, wie sich das außen manifestiert.
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