Foto: Andrea Sömmer

Kampf gegen Rassismus: „Ich hab in meinem Postfach einen extra Ordner: ,Brauner Mist’“

Der Verein „München ist bunt!“ gehört zu den treibenden Kräften des Widerstandes gegen rechtsextremistische Bewegungen. Unsere Community-Autorin Andrea Sömmer hat mit der Aktivistin und Vorsitzenden Micky Wenngatz gesprochen.

 

Gemeinsames Ziel: Kampf gegen Rechts

Micky Wenngatz ist im Vorstand der Münchener SPD und Sprecherin gegen Rechtsextremismus – außerdem hat sie den Verein „München ist bunt!“ gegründet, mit dem sie für Toleranz und gegen Rassismus und Rechtsextremismus kämpft.

Warum bezeichnest du dich selbst als Aktivistin?

„Im Wort Aktivist steht aktives Handeln und ich bin von Natur aus schon ein Mensch, der gern die Dinge in die Hand nimmt und handelt. Aktiv handelt heißt ja auch von sich aus handeln und nicht reagieren und das spricht auch für meinem Charakter.“ 

Wie sieht dein Aktivismus konkret aus?

Das Wort Aktivismus wird ja in der Politik gern negativ behandelt. Viele sagen, man solle strategisch vorgehen. Aber als Aktivistin denke ich sehr wohl nach, was ich will und wie ich dahin komme. Man kann das Ganze auch überlegt in die Hand nehmen. Ich glaube, ich bin ganz gut im Organisieren und vor allem auch im vernetzten Organisieren. Mittlerweile hat ,München ist bunt! ein gewisses Image und das macht es mir leichter zu kommunizieren.“

Wo bist du eher aktivistisch tätig, in der Politik oder in dem Verein „München ist bunt!“?

Da steckt in beidem sehr viel Herzblut. Es reicht für beides und ich könnte auch gar nicht sagen, wo mehr drin steckt. Ich höre oft: ,Mensch was du alles machst, wo nimmst du die Energie her?’ Ich nehme ich die Energie her aus dem, wie sich mein Aktivsein dann eben auch bemerkbar macht. Wenn ich sehe, wie viele Menschen dem Ruf von ,München ist bunt! folgen und sich anschließen, dann ist das für mich ein große Quelle der Energie.“

Was hast du bisher geschafft? Worauf bist du stolz?

Eines der herausragenden Ergebnisse der letzten Jahre ist, dass ich reden und was vorschlagen kann und ich weiß, dass die CSU von ihrem rechten Rand, die SPD und die Linke sich an einen Tisch setzen und für das gemeinsame Ziel  – gegen Rechts – zusammenkommen. Ich rede auch mit Katholiken, Protestanten, Vertretern der Muslime und die schaffe ich alle unter dem bunten Schirm zu vereinen.“ 

Wie gehst du mit Gegenwehr um?

Die Gegenwehr ist ja immer recht unterschiedlich. Aufgrund meiner Aktivitäten habe ich einen gewissen Bekanntheitsgrad. Nicht nur bei denen, die unter dem bunten Schirm sind, sondern eben auch bei Neonazis. Immer wenn wir zu einer Gegendemo aufrufen, bekomme ich zum Beispiel Unmengen von Emails mit dem größten Mist. Ich habe in meiner Emailstruktur einen extra Ordner, der heißt: Brauner Mist. Da landet das dann alles und wenn es zu krass ist, schalte ich auch mal den Staatsschutz ein. Auf der Straße werde ich auch oft erkannt und dementsprechend von der Seite angemacht.“

Das ist vielleicht auch ein Grund, warum sich viele scheuen aktiv zu werden, weil sie Angst vor sowas haben. Wie gehst du mit dieser Angst um?

„Ich kann das total verstehen, wenn man diese Angst hat. Ich habe da eine Strategie, die gilt aber nur für mich. Die Bedrohungen und Beschimpfungen kommen per Email und auf Internetseiten.  Es werden dort auch Fotos von mir gezeigt. Da wird geschrieben, wo ich arbeite und auf der Straße werde ich eben auch öffentlich beschimpft mit ,du Fotze und das ist noch das harmloseste. Aber diese Beschimpfungen sind für mich immer ein Zeichen, noch aufrechter zu gehen. Es kann nicht sein, dass das die Grundstimmung bei uns wird. Das ist ja deren Masche. Andere fertig machen und ihnen sagen, dass sie nichts wert sind. Mein Ziel ist es immer zu sagen, solange es euch gibt, muss es auch Menschen wie mich geben.“

Das war doch sicher auch ein harter Lernprozess, mit diesem Gegenüber umzugehen?

Klar, man kommt ja nicht so auf die Welt. Es gab Zeiten, da hat meine Frau gesagt: Ich bin heilfroh, dass wir kein Auto haben, so können sie uns wenigsten nicht die Reifen zerstechen. Also es ist schon schwer und man muss lernen, damit umzugehen. Es gibt ja auch viele andere Menschen, denen es so geht wie mir. Man gibt sich gegenseitig die Kraft, um zusammen aufrecht dagegenzustehen.“

Gab es da mal einen auslösenden Moment in deinem
Leben, der dich zur Aktivistin gemacht hat, oder warst du mal Schulsprecherin oder so etwas?

Genau das. Ich war seit ich denken kann, Klassensprecherin. Immer aus dem Wunsch der Gerechtigkeit heraus. Mir war es immer zutiefst zuwider, wenn eine Klassenkameradin oder -kamerad ungerecht behandelt wurde. Da bin ich dann immer aufgestanden und hab gesagt: Stopp, so geht das nicht. Und danach ging es natürlich weiter. Ich habe in Bad Tölz gelebt und habe dort erlebt, wie Menschen mit anderer Hautfarbe diskriminiert wurden und zwar aufs Schärfste. Und das auch noch in einer Stadt, die es eigentlich gewohnt sein müsste. Bad Tölz war ja Garnisonsstadt der Amerikaner. Später kam ja dann noch mein Outing hinzu und das prägt.“ 

Wie kamst du denn auf den Namen „München ist bunt“?

Ich werde oft von Touristen gefragt, was wir denn da machen, und wenn ich dann versuche, ,bunt zu übersetzen, kommt oft ,Diversity heraus – also Vielfalt. Aber Vielfalt war uns damals noch zu lang und bunt kam irgendwann mal in einem Brainstorming auf und es passte super zur grafischen Gestaltung unseres Logos.“

Hast du Ziele, die du unbedingt erreichen willst?

Da muss ich jetzt richtig nachdenken (lacht). Ja, also mein Ziel wäre es natürlich, dass mein Aktivismus nicht mehr vonnöten ist und dass die Gesellschaft gelernt hat, dass Anderssein ein Gewinn ist. Wenn man zum Beispiel in Ruhe Händchen haltend über die Straße gehen kann und keine Blicke im Rücken spürt.“

Andrea: Und was würdest du dann organisieren, wenn es deinen Aktivismus nicht mehr braucht?

Oh, da gibt es viel. Aber ich würde mich gern zurückziehen, weg vom Konsum, back to the roots. Meine Äpfel von meinem Baum pflücken. Nicht mehr getrieben sein von Terminen, obwohl ich das in der Regel gar nicht bin, also getrieben Terminen. Aber wenn sie mal nicht mehr da sind, wäre das toll, und dann würde ich mich mal auf mich selber konzentrieren. Ich glaube, das wäre noch mal was.“

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