Jemima Kirke kennen viele vor allem als selbstbewusste Jessa in Lena Dunhams Serie „Girls”. In einem sehr persönlichen Interview hat sie nun über Selbstzweifel als Künstlerin und Mutter, die Angst vor dem Neuen und den Grund für ihre kurzen Haare gesprochen.
Jemima = Jessa?
Die meisten kennen Jemima Kirke wohl vor allem als selbstbewusste Jessa aus der Serie „Girls”. In der Serie fällt sie oft vor allem durch ihren starken Willen und ihren offenen Umgang mit ihrem Körper auf. Dass diese starke, extrovertierte Art aber nur eine Seite ist – und zwischen der Serienfigur Jessa neben einigen Parallelen, auch viele Gegensätze bestehen, ist uns spätestens seit ihrem Interview mit Refinery 29 vor einem Jahr klar.
Damals waren wir sehr beeindruckt von ihrem ehrlichen Umgang mit ihren Selbstzweifeln. Nun hat sie sich für „What´s Underneath” erneut sehr persönlichen Fragen gestellt. Das Besondere an dem Projekt des Mutter-Tochter-Gespanns Elisa und Lily von StylelikeU: Ihre Gesprächspartner ziehen sich während des Interviews immer weiter aus und legen damit mehr und mehr Schichten ab. Dabei geht es ihnen darum zu zeigen, was Kleidung für uns bedeutet und welche Menschen darunter wirklich stecken.
„I love clothes and i love dressing up. And i love beeing in costume. I like a story and in my head I do create a story ”
Darum geht es auch in dem Interview mit Jemima Kirke. Die Ängste und Selbstzweifel, die sie in dem Video mit uns teilt, zeigen, wie verletzlich sie als private Person wirklich ist, aber auch wie sehr sie dagegen ankämpft, sich davon bremsen zu lassen. Während der knapp 15 Minuten, sagt sie so viele kluge, ehrliche und weise Dinge, dass wir uns noch einmal neu in sie verliebt haben.
Ein Interview voller Weisheiten
Ziemlich zu Beginn erzählt sie zum Beispiel, warum sie sich ihre Haare abgeschnitten hat:
„Ich habe meine Haare geschnitten, weil ich das Gefühl hatte, dass sie mit das einzige waren, das mir das Gefühl gegeben hat, hübsch zu sein. Ich dachte mein Haar sei mein ,Go-to-Trick‘. Ich habe wirklich lange geglaubt, dass ich ohne mein langes Haar langweilig wäre.”
Ein Gefühl, das viele von uns wohl nachvollziehen können und von dem auch jemand wie Jemima Kirke nicht befreit ist. Aber anstatt sich weiterhin in dem Gefühl zu verkriechen, hat sie sich die Haare nun abgeschnitten – in einem schweren Moment. In dem Interview beschreibt sie, dass sie einen furchtbaren Streit mit ihrem Ehemann hatte. Sie war wahnsinnig wütend, verletzt, fühlte den Drang etwas selbstzerstörerisches zu machen – aber, warum auch immer, schnitt sie sich stattdessen die Haare.
In dem Interview wird deutlich, dass hinter dem, was in der Außenwahrnehmung, in der man Jemina oft mit ihrer Serienfigur gleichsetzt, wie ein typischer, impulsiver Akt der „Mir-ist-alles-egal”-Jessa wirkt, in Wirklichkeit viel mehr steckt. Es stimmt nämlich nicht, betont Jemima im weiteren Verlauf des Interviews, dass ihr egal sei, was andere Menschen denken:
„Ich glaube, ich habe einen gesunden Blick auf das, was Menschen über mich denken, aber ich bin überhaupt nicht freigeistig in irgendeinem Sinne. Ich bin gebeutelt von Neurosen, Selbsthass, Ängsten und dem Gefühl nicht genug zu sein.”
Viel mehr kämpft die Schauspielerin und Künstlerin mit zwei sehr gegensätzlichen Gefühlen, seitdem sie mit der Serie Girls so viel Erfolg hat: Auf der einen Seite gibt ihr der Erfolg einen großen Ego-Push, auf der anderen Seite stürzt er sie aber auch in starke Selbstzweifel. Sie hatte das Gefühl, nicht für die Rolle gecastet worden zu sein, weil sie etwas besonders gut konnte, sondern, weil sie aussah, wie sie aussah und eine besondere Ausstrahlung hatte. Das machte sie arrogant, aber auch traurig, denn es ging nicht, um das, was sie konnte, es ging um ihr Aussehen.
Sowieso, auch das wird im Gespräch deutlich, setzt Jemima, die eigentlich Künstlerin ist, sich selbst wahnsinnig unter Druck:
„Wenn du jetzt kein großartiges Kunstwerk kreierst, bist du nichts wert. So fühle ich mich jedes Mal, wenn ich mein Studio betrete.”
Während sie ihre Kleider Stück für Stück ablegt, spricht sie sehr offen über ihre Angst zu versagen – und hinterfragt dabei, warum sie bei sich selbst kein Scheitern zulassen will.
„Wer bist du eigentlich, dass du denkst, du müsstest keine schlechten Arbeiten machen, nicht üben und niemals Dinge erschaffen, für die sich keiner interessiert?”
Eine wichtige Frage, die viele von uns sich vielleicht einmal stellen sollten. In der Verweigerung des Scheiterns für uns selbst, liegt eben auch eine gewisse Arroganz, die es lohnt zu überwinden.
Im weiteren Verlauf des Interviews spricht Jemima auch über ihre Rolle als Mutter. Jemima Kirke ist mit Mitte Zwanzig das erste Mal Mutter geworden und hat mittlerweile zwei Kinder. In dem Gespräch wird deutlich, was für eine liebevolle Mutter sie ist. Aber es geht nicht um Perfektionismus. Jemima räumte ein, dass sie total unsicher ist, ob sie überhaupt in der Lage ist, eine gute Mutter zu sein: „Jeder sagt, niemand ist bereit für ein Baby. Ich war wirklich nicht bereit. Und ich habe wirklich nicht darüber nachgedacht, was ich da gerade tue.” Deshalb, gesteht sie ganz offen und ehrlich – unter Tränen in den Augen – war sie bei der Geburt ihrer Tochter völlig überfordert. Bis zu dem Zeitpunkt hatte sie einfach nicht darüber nachgedacht – und war dementsprechend geschockt:
„Die Schuld traf mich, in dem Moment als sie aus mir herauskam. Mir wurde klar: ,Oh mein Gott, was hast du gerade getan?` Ich hatte gerade eine leidende Person in die Welt entlassen.”
Eine Angst und Überforderung, die viele Mütter wahrscheinlich sehr gut nachvollziehen können – nur das kaum jemand darüber spricht. Dass Jemima Kirke damit so offen umgeht, ist daher ein wichtiges Statement, das hoffentlich mehr Frauen den Mut gibt, diese Gefühle nicht zu verstecken und den Mythos der perfekten Mutter endlich über Bord zu werfen.
In der Serie Girls hat Jessa lange Zeit ein Problem, sich an jemanden zu binden, immer wieder läuft sie davon. Ein Schutzmechanismus, den auch Jemima kennt. Freiheit und Liebe passen für beide nicht zusammen. Aber, so erzählt Jemima in dem Interview, das hat sich für sie geändert.
„Ich dachte Freiheit bedeutet, an nichts gebunden zu sein. Als Kind habe ich gelernt, dass Liebe einengt. Alleinsein bedeutete Freiheit. Ich bin dabei, das für mich neu zu definieren. Du kannst immer noch frei sein, wenn Menschen dich lieben.”
Wie recht sie hat! Und, ganz zum Schluss, auf die Frage, wie es ihr nun am Ende des Interviews geht, beschreibt sie ein Gefühl, dass wohl jeder kennt, der kurz davor steht, etwas neues anzufangen:
„Ich bin zuversichtlich, ich fühle mich bereit, aber auch immer noch ängstlich. Aber genau diese Angst wandelt sich mehr und mehr in Aufregung.”
Das Interview und das ganze Projekt zeigen einmal mehr, wie wichtig es ist, dass wir aneinander zuhören. Es lohnt sich!
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