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Power-Dressing geht auch ohne Anzug – wie US-Serien das Bild der Businessfrau verändern

In den 90ern trugen die Frauen in Filmen Anzüge mit Schulterpolstern, um als Businessfrauen wahrgenommen zu werden. Heute zeigen viele US-Serien, dass es auch anders geht: Frauen in Führungspositionen tragen jetzt wieder Cocktailkleider, denn warum sollte Weiblichkeit und Erfolg nicht gut zusammenpassen? Eben.

 

Schluss mit Anzug und Schulterpolstern

Wenn Melanie Griffith im 80er-Jahre-Klassiker Die Waffen der Frauen heraus
findet wie man in der Geschäftswelt erfolgreich ist, verändert sich
auch ihr Äußeres. Die doppelt-auftoupierten Haare machen Platz für die
einfach-auftoupierte Version und ihre Kleidung wandelt sich. Farben
werden dezenter, das Sakko größer und die Schulterpolster breit.
Businesskleidung der 80er, dem ersten Jahrzehnt, in dem Frauen
selbstbewusst und selbstverständlich ihren Platz am Konferenztisch
einforderten, versteckte die weibliche Silhouette. (Nun gut, minus lange
Beine vielleicht.)

Wo beide Geschlechter Gleiches tun wollten,
versuchte man Unterschiede auch in der Kleidung zu vermeiden. Und
orientierte sich an denen, die zuerst da waren: Männern in Anzügen. In
den 90ern folgte auf den Laufstegen die erste Unisex-Kollektion von
Jean-Paul Gaultier.

Heute sieht der Power Dress erfolgreicher Frauen anders aus. Claire Underwood und Selena Meyers in den Politserien House of Cards und Veep tragen
enganliegende Röcke, aber vor allem figurbetonte Cocktail- und
Etuikleider. Die dürfen, insbesondere bei der imaginären Vizepräsidentin
Meyers, gern in Knallfarben oder Pastell daher kommen.

Macht und Sexyness

– 

eine unschlagbare Kombi

Ihre Garderobe ist nicht zufällig. Die Stilistinnen beider Serien
bestätigen, wie viel Gehirnschmalz in die Ausstattung der Figur floss.
Claires Kleidungsstil sollte machtvoll
sein, eine Rüstung, die bereits in der Optik klar macht, dass sie dem
Führungsanspruch ihres Mannes in nichts nachsteht. Macht und Sexyness, eine unschlagbare Kombi. Auch Selena Meyers ist sich am Ende der 3.
„Veep“

– Staffel sicher, ihr „fantastischer Arsch“ wird etwas mit ihrem
Aufstieg zu tun gehabt haben. Brauchte Reese Witherspoon 2001 in

„Natürlich Blond“

als
brilliante Anwältin noch eine gewisse ironische Distanz zu ihrem
Barbielook, gehen Bonbonfarben und Oval Office heute problemlos
zusammen.

Die VOGUE feiert den Look als neuen „Power Suit“,
der sich endlich traut, Weiblichkeit in den Vordergrund zu stellen. Und
die eigene Macht mit Sexyness zu zelebrieren. Schöner Nebeneffekt:
Aufmerksamkeit ist garantiert. Kleidung, die sagt: „Hier bin ich, ich
verstecke mich nicht.“ Feministisch ist das Ganze, schreiben andere.
Frauen dürfen in der männlich geprägten Businesswelt endlich
herausstechen
. Vorbei die Zeiten, in denen man versuchte, nicht
aufzufallen. Sich als Frau im Business stolz mit dem eigenen Körper zu
präsentieren, war vorurteilsbeladen. Nun treten insbesondere junge
Frauen hervor und wollen dem alten Mantra: „Wenn du zu sexy bist, hört
keiner auf deine Inhalte.“ nicht mehr glauben. Im Gegenteil, sie
genießen es, auf dem Bild mit den dunklen Anzugträgern als Frau im rosa
Cocktailkleid aufzufallen.

Sie machen den Trend vor:

Tatsächlich kennt man den Kleidungsstil im echten Leben auch von
US-Top Wirtschaftslenkerinnen wie Sheryl Sandberg oder Marissa Meyer,
deren legendäres VOGUE-Shooting (mit Tablet, High Heels und Modelfigur
im kobaltblauen Etuikleid auf der Sonnenliege) 2013 eine kleine
Kontroverse auslöste.

Nur in der Politik scheint er – entgegen der popkulturellen
Repräsentation – noch nicht ganz angekommen. Das mag an der
Zweischneidigkeit liegen, die das neue Power Dressing mit sich bringt.
Justin Trudeau, Kanadas Premierminister mit Pin-Up-Qualitäten, kann die
Berichterstattung über sein Äußeres als Nebenprodukt mitnehmen. Hillary
Clinton
hätte nicht das gleiche Glück. Trägt sie ihre berühmten
Hosenanzüge, wird ihr vorgeworfen, sie wolle sich desexualisieren. Zeigt
sie einen Hauch Haut, gibt es eine mediale Verarbeitung, die ihre
politische Agenda für eine Woche komplett in den Hintergrund rückt. An
dieser Stelle sei an Angela Merkels Opernballkleid und die damalige
bahnbrechende Erkenntnis der Medien (Oh, sie hat Brüste!) erinnert.
Attraktiv ja, das geht in der Politik – aber bitte nicht übertreiben.

Es scheint nicht einfach zu sein, die Kontrolle über das eigene Bild
zu behalten. Besonders nicht, wenn man sich in alten Fahrwassern bewegt.
Offen zur Schau gestellte weibliche Sexualität kann tatsächlich
machtvoll sein, denn sie erschreckt. Sollen Frauen doch eher schmücken
als sich selbstbestimmt auszustellen. Aber wird man wirklich nicht zum
Objekt, nur weil man sich als Subjekt versteht? Kann man die engen
Grenzen so verändern, dass Kleidung als das wahrgenommen wird, was
gedacht war – nämlich eine bewusste Verbindung von Sexyness und Macht,
eine Unterstützung der eigenen Position?

Power Dressing, aber bitte mit Top-Figur?

Oder ist das neue Power Dressing einfach nur Konformismus mit einem
altbekannten Schönheitsideal? Nicht umsonst machen beide Serienfiguren
eine Menge Sport und fallen in die Kategorie „Fit ist das neue dünn“. Während
sich Männer unter ihren Anzügen einen Bauchansatz leisten können,
vergeben die enganliegenden Kleider nichts. Power Dressing schließt auch
aus.

Außerdem, wenn es sich hierbei im Grunde um eine Verkleidung handelt,
einen Code, wie es ihn auch bei Anzug- und Krawattentypen in der
männlichen Businessmode gibt, wieso suchen wir uns dann keine komplett
neue Version? Oder ist das Spiel mit der weiblichen Figur genau das Gute
an der Sache? Werden weibliche Attribute mithilfe des Power Dressing
umgedeutet – vom Reiz hin zur Macht? Dann könnten Brüste und Po, könnte
die weibliche Silhouette, tatsächlich irgendwann für Erfolg stehen und
nicht nur für Sex.

Titelbild: Netflix/ House of Cards; Amazon/ Veep

Hinweis: Dieser Artikel ist zuerst auf makellosmag.de erschienen. Wir freuen uns, ihn auch hier veröffentlichen zu können.

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