Foto: Molly Adams | Flickr | CC BY 2.0

Warum mich Schönwetterfeminismus so wütend macht

Morgens das T-Shirt mit dem Girlpower-Spruch überziehen und abends die Klatschmagazine lesen? Ladies, entscheidet euch.

 

Das Gefühl der Resignation 

Ich wollte keine bissigen Artikel mehr schreiben. Ganz fest hatte ich mir das vorgenommen. Ich wollte es bei einem positiven, bestärkendem Tonfall belassen, weil ich müde war. Müde der Diskussionen mit Frauen, die mir erklären wollten, dass sie sich vom Feminismus bestimmt nicht ihren Lippenstift abschwatzen lassen würden – was niemand verlangt hat. So unendlich müde davon, Frauenrechte gegenüber Frauen verteidigen zu müssen. Aber heute bin ich wütend. Und es muss raus. Feminismus ist nicht bequem, auch für mich nicht und vermutlich werde ich auch für diesen Artikel wieder hübsche Breitseiten kassieren. Das ist okay. Das muss ich aushalten. Das Ziel ist es mir einfach wert.

Den Stein ins Rollen brachte eine Grafik von zwei Zitaten aus einem Artikel bei Spiegel Online und einem Beitrag von Promiflash, die ich auf Facebook postete, gesäumt von den Worten, dass für nicht wenige Frauen Klatschmagazine das Fenster zur Welt seien und dass dieser Umstand gravierende Folgen haben könne. An dieser Stelle möchte ich nicht auf den Diskurs eingehen, wieviele Frauen genau „nicht wenige” sind. Nicht repräsentative Studien von ARD/ZDF geben aber erste Hinweise darauf, die meinen persönlichen Eindruck bestärken, nämlich, dass bedeutend mehr Frauen als Männer keine Nachrichten konsumieren, sondern sich eher den seichten Unterhaltungsmedien zuwenden.

Wie unterschiedlich Medien über ein Ereignis berichten. Quelle: privat

Diese Gegenüberstellung der Berichterstattung löste Diskussionen aus. Mir ging es bei meinem Posting in erster Linie um die selektive Wahrnehmung der Klatschpresse, die Frauen auf die üblichen Themen reduziert: Mode, Kinder, Ehe. Auch die Wortwahl von Promiflash, die von der „spazierenden“ Amal spricht, stieß mir übel auf. Es schreibt auch niemand davon, wie Sigmar Gabriel zum Gipfeltreffen getänzelt ist. Dieses Verb ist für mein Empfinden im Kontext eines Auftrittes als Menschenrechtsanwältin einfach deplatziert. Die Wortwahl konterkariert das Anliegen von Frau Clooney und reduziert ihre Bedeutsamkeit auf die Wahl ihrer Kleidung.



Der Post der Tagesschau. Quelle: Tagesschau | Facebook

„Stell dich nicht so an”

Meine Kritik klingt kleinkariert? Ist es aber nicht, das zeigt dieses Gegenbeispiel deutlich. Die Facebook-Seite der Tagesschau sorgte anlässlich eines Zusammentreffens von Amal Clooney mit Angela Merkel mit einer Bildunterschrift für Furore. Obwohl zutreffend, denn die schauspielerische Leistung ihres Ehegatten spielte in diesem Kontext wirklich keine Rolle, waren diese wenigen Worte Anlass für zahlreiche Kommentare und Diskussionen. Sprache ist eben nicht egal. Die angesprochenen Veröffentlichungen liegen zwar schon einige Wochen zurück, das grundsätzliche Problem, auf das sie mich aufmerksam gemacht haben, ist aber leider zeitlos. 

Ich war nach meinem Posting doch, gelinde gesagt, erstaunt darüber, dass sich einige Frauen bemüßigt fühlten, die Klatschpresse zu verteidigen. Argument Nummer eins: „Ich brauche die Klatschpresse, um abzuschalten.“ Ja, als ob es sonst nichts gäbe. Als ob es eine lästige, aber unüberwindliche Notwendigkeit wäre, dem burnoutgefährdeten Gehirn hin und wieder Jennifer Lopez’ Cellulite in Großaufnahme vorzusetzen.

Feminismus betrifft all unsere Lebensbereiche 

Mir fehlt einfach das Verständnis dafür, wie man einerseits für die Gleichberechtigung kämpfen und dann diese Blätter voller Hohn und Spott mitfinanzieren kann und für deren bärenstarke Auflagen sorgt. „Aber die Herabwürdigung von Frauen fängt doch schon viel früher an, daran sind doch nicht die Magazine schuld.“ Ja, natürlich fängt das alles viel früher an, in der Familie, mit den Prinzessinnenfiguren der Kinderbücher, mit den Erwartungen und Vorstellungen unserer Großmütter und deren Großmüttern und immer so weiter.

NATÜRLICH ist dieses Rollenbild der Frau jahrhundertealt – aber die Yellow Press zementiert es. Und die Käuferinnen und Leserinnen der Yellow Press zementieren es. Sie machen die Spurrille dieser gedanklichen Autobahn mit jeder Seite tiefer und tiefer und tiefer. Sodass es sehr viel mühsamer sein wird, all diese Vorstellungen wieder aus unseren Köpfen zu kratzen, als eine drei Jahre eingetrocknete Lasagneschale wieder freizuspülen.

Feminismus nervt – weil er anstrengend ist. Das erzählt Sarah Bosetti in diesem großartigen Podcast in starker und wahrhaftiger Weise. Feminismus ist eben nicht sexy und so leicht über den eigenen Alltag zu streifen wie ein Sweater mit nettem Empowerment-Aufdruck. Es ist anstrengend, nach der Arbeit das Hirn ausschalten zu wollen und dabei nach Alternativen zu Gala und Co suchen zu müssen. Und es ist so verführerisch, beim Durchzappen auf der Couch bei GNTM hängen zu bleiben. Ich weiß das aus eigener Erfahrung, habe ich doch früher selbst exzessiv die „Frauenmagazine” dieser Welt konsumiert und deren Inhalte bis zur fast vollständigen Gehirnwäsche inhaliert.

Man muss seinen Horizont erweitern 

Zum Glück habe ich den Absprung geschafft – kalter Entzug. Das Gefühl, am Badetag im Schwimmbad würde neben Handtuch und Sonnencreme jetzt etwas fehlen. Die gute Nachricht: Man kann diese Dinge ersetzen. Mit Büchern zum Beispiel. Oder Magazinen wie dem neuen F Mag, das ich kürzlich auf thirtyplus rezensiert habe und von dem ich eindringlich hoffe, dass es ein Wiedersehen in Form einer zweiten Ausgabe geben wird. Etwas Neues zu probieren ist nach kurzer Eingewöhnungsphase irgendwann einfach ganz normal, wie Mandelmilch und Menstruationstassen. Man muss einfach mal anfangen.

Ja, Feminismus ist kein Ponyhof. Es zerrt an den Nerven, seine Texte auf gegenderte Sprache abzutasten, es ist anstrengend, sich nicht an Klatsch und Tratsch zu beteiligen – weil es immer anstrengend ist, alte Gewohnheiten zu überwinden. Ob ich aufhören will, zu rauchen oder ob endlich Schluss sein soll mit Intouch & Co – das Gehirn findet das erstmal Scheiße. Das ist unumgänglich.

Natürlich schließt auch meine Definition von Feminismus ein, dass wir alle die freie Wahl haben. Aber es tut mir leid, wenn jemand morgens laut brüllt, dass Frauenrechte total wichtig sind und abends dann mit der Gala im Bett liegt und sich genüsslich die Nachricht über den Zickenkrieg beim Bachelor reinzieht, dann bin ich, sagen wir, zumindest irritiert.

Feminismus ist eben auch der Kampf für andere 

Denn wenn es mir ernst ist, die Sache mit der Gleichberechtigung, mit dem Respekt für Frauen, dann muss mir das dieses Opfer doch schon wert sein. Dann darf ich kreativ werden und mir überlegen, bei welchen Tätigkeiten ich noch entspannen kann. Tätigkeiten, die keine Geschlechterklischees am Fließband reproduzieren und Frauen dazu verdammen wollen, ewig schlank, jung und sexy zu sein. Die uns, wenn wir es nicht sind, die Anzeigen ihrer Werbekund*innen auf den Hals hetzen, die uns unsere vermeintlichen Makel über Nacht wegzaubern. Die jedes Gramm zu viel oder zu wenig gnadenlos ins Licht der Öffentlichkeit zerren.

Für diese Magazine sind Frauen eine kaufkräftige Zielgruppe und sonst nichts. Und wir Frauen haben die freie Wahl, den Macher*innen zu zeigen, dass wir das als Agenda für uns nicht mehr akzeptieren. Aus Solidarität. Aus Vernunft. Aus freiem Willen und Ernsthaftigkeit. Ja, Feminismus darf ein bißchen weh tun. Wer es nicht einmal bis zur Auswahl seiner Zeitschriften schafft, der sollte doch noch mal drüber nachdenken, ob er wirklich bereit ist, etwas zu verändern oder ob bei dieser wenig progressiven Art von Schönwetterfeminismus tatsächlich schon Schluss ist.

Titelbild: Molly Adams | Flickr | CC BY 2.0

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