Als Chef*in ist es nicht immer leicht, die Nerven zu behalten. Wie kann es gelingen, in turbulenten Zeiten Gelassenheit zu bewahren?
Stress macht impulsiv
Unter Druck und Stress hektisch zu reagieren, ist menschlich, aber selten sinnvoll. Doch Gelassenheit kann man lernen. Der*die beste Mitarbeiter*in hat die Kündigung eingereicht, der Großauftrag ging an die Konkurrenz, neue Technologien stellen den ganzen Markt auf den Kopf und dann ist im Flyer auch noch ein Tippfehler – an manchen Tagen möchte man als Führungskraft am liebsten alles hinwerfen. Geht aber nicht, denn der Laden muss ja weiterlaufen. Wenn es doch nur einen Weg gäbe, gelassener mit Problemen umzugehen. Gute Nachrichten: den gibt es.
Der Schlüssel, um unseren Stress aufzulösen, ist der Zusammenhang zwischen unseren Gedanken und unseren Gefühlen. Wir fühlen so, wie wir denken. Im Alltag achten wir jedoch selten darauf, welche Bilder und Worte uns durch den Kopf gehen. Stattdessen schenken wir den Ereignissen in unserer Umwelt die ganze Aufmerksamkeit und glauben dann, unsere Gefühle würden von diesen Vorkommnissen abhängen. Damit verpassen wir die Gedanken, die die eigentliche Ursache unserer Gefühle sind.
Wir reagieren alle unterschiedlich
Nehmen wir einmal an, vier Führungskräfte verlieren den Großauftrag an die Konkurrenz. Der*die eine wird ängstlich und sieht seinen Job in Gefahr. Der*die zweite wird wütend und fasst die Situation als persönliche Beleidigung auf. Der*die dritte ist frustriert, sieht sich als hilfloses Opfer und jammert. Und der*die vierte sieht es optimistisch als Ansporn und neue Herausforderung.
Warum reagiert jeder anders? Wenn die Gefühle vom äußeren Ereignis, hier dem Verlust des Auftrags, abhingen, müsste dann nicht jede Person dasselbe empfinden? Der entscheidende Punkt ist: Zwar erleben alle vier dieselbe Situation, aber jeder bewertet sie anders. Unsere Selbstgespräche und Gedanken prägen unsere Gefühle und nehmen damit Einfluss auf die unterschiedlichsten Reaktionen: „Die wirtschaftliche Entwicklung macht mir Angst.“ oder „Wie der mich behandelt, ärgert mich.“ Damit sprechen wir so, als ob Menschen, Dinge und Situationen mit uns machen könnten, was sie wollen. Doch nicht die Situation, sondern unsere Bewertung der Situation, bestimmt unsere Gefühle.
Die Verantwortung für unsere Gefühle tragen wir selbst
Für die Freiheit, selbst bestimmen zu können, wie wir uns fühlen, müssen wir die bequeme Haltung aufgeben, den Umständen die Schuld dafür zu geben. Viele Menschen ärgern sich über stressige Situationen, aber das müssen sie nicht tun. Sie könnten auch anders reagieren, vor allem, wenn sie sich ihrer Wahlmöglichkeiten bewusst wären. Weder anderen Menschen noch den äußeren Umständen können wir die Schuld geben, wie wir uns fühlen. Wir sind selbst für unsere Gefühle verantwortlich. Auf das Ereignis A folgt nicht zwangsläufig das Gefühl C. Dazwischen liegt immer B, nämlich unsere Bewertung. Das mag für einige eine unangenehme Wahrheit sein, wenn sie es bisher gewohnt waren, andere Menschen oder die Umstände dafür verantwortlich zu machen, wie es ihnen geht.
Doch auch, wenn wir den Zusammenhang zwischen Denken, Fühlen und Handeln erkannt haben, kann es natürlich zu Stresssituationen kommen. Letztlich ist Stress – so absurd es klingen mag – ein Geschenk, denn er erinnert uns an ein unerfülltes Bedürfnis. Sie haben das Stressgefühl Zeitnot? Dann brauchen Sie Prioritäten. Nur leider setzen wir oft die falschen Prioritäten.
Prioritäten ins Verhältnis setzen
Wer Zeit hat, 80 Stunden in der Woche zu arbeiten, sollte sich auch Zeit dafür nehmen, eine Stunde im Wald zu verbringen. Sie müssen sich Pausen selbst erlauben. Vielen von uns fällt das schwer, weil wir es in einer Gesellschaft, die auf Leistung und Optimierung getrimmt ist, nie gelernt haben. Schon als Kinder werden uns Pausen als Zeitverschwendung vermittelt. Deshalb denken wir später: Ich kann in meiner Pause doch besser fünf E-Mails beantworten und so vielleicht noch einen Auftrag bekommen.
Ein neuer Auftrag ist ja auch erst einmal nichts Schlechtes und lässt uns nachts vielleicht besser schlafen. Wenn aber der*die Chef*in irgendwann nicht mehr kann, weil er*sie sich Pausen verweigert, hat die ganze Firma ein Problem. Deshalb ist es für Führungskräfte besonders wichtig, nicht nur für ihre Firma und ihre Mitarbeiter*innen zu sorgen, sondern auch für sich selbst. Dafür reicht es nicht aus, mal einen Achtsamkeitskurs zu besuchen. Gelassenheit muss ein Teil des Alltags werden. Schaffe dir Auszeiten für Ruhe, Erholung und Entspannung. Die äußere Welt ändert sich dadurch nicht – aber du erlebst sie ganz anders.
Lächle mehr als andere – das allein bringt schon ein Stück Gelassenheit
Wenn du in eine Situation gerätst, die dich aus der Fassung bringt, tue erst einmal: nichts. Lehne dich für einen Augenblick zurück. Angenommen du arbeitest zehn Stunden am Tag, in diesen 600 Minuten bist du für deine Kund*innen, Lieferant*innen und Mitarbeiter*innen da. Du kannst in einer von diesen 600 Minuten für dich selbst sorgen und damit Stress vorbeugen. Setz dich hin, schließe für eine Minute die Augen und tue nichts, außer deine Gedanken einfach kommen und gehen zu lassen. Und dann lächle. Nicht unnatürlich und übertrieben wie ein Honigkuchenpferd, es geht einfach darum, dass sich die Mimik ein wenig entspannt. Dieser kleine Reset-Mechanismus hilft dir, dich neu zu sortieren. Anschließend beschäftige dich mit der Frage: Was ist das Beste, was ich jetzt tun kann?
Natürlich gibt es Probleme, die so groß sind, dass sie sich weder wegatmen noch weglächeln lassen. Gelassenheit ist nicht die Lösung aller Probleme – sie ist die Brücke zwischen dem Problem und seiner Lösung. Wenn du tagsüber ein Problem hast und abends in den Wald gehst, ist das Problem am nächsten Tag wahrscheinlich immer noch da. Doch du kannst es anders angehen und lösen – gelassen und nicht gestresst. Und es bestenfalls als Möglichkeit sehen, Erfolg zu haben.
Klare Ansagen führen zu mehr Gelassenheit
Fordere von deinen Angestellten freundlich und bestimmt ein, was du von ihnen erwartesr. Zeige eine klare Haltung. Das erfordert eine ehrliche, positive und wertschätzende Kommunikation. Viele Menschen tun das entweder gar nicht oder viel zu spät. Auch gestandene Führungskräfte haben oft Angst zu sagen, was sie brauchen. Dahinter stecken Glaubenssätze aus unserer Kindheit: Sei stark, sei perfekt, beeil dich, streng dich an. Eine solche Haltung macht uns vielleicht erfolgreich, weil wir uns um das Wohl anderer kümmern. Bei uns selbst kann sie aber schnell zu Stress führen. Denn wenn du nicht sagst, was du brauchst, wirst du es sehr wahrscheinlich auch nicht bekommen. Natürlich kann es sein, dass du ein „Nein“ zu hören bekommst. Das weist du aber erst, wenn du es probiert hast – und diesen Schritt gehen die meisten nicht.
Dieser Artikel ist bereits auf Michaela Knabes Blog erschienen. Wir freuen uns, dass sie ihn auch hier veröffentlicht.
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