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Ein Baby? Warum jetzt? Warum nicht?

Anna Sophie wurde mit 25 Mutter, hatte das nicht besonders geplant und antwortet auf Sara Westerhaus’ Text „Warum ich mich nicht entscheiden kann, ob ich ein Baby will“.

 

Muss man ein Baby planen?

Anfang Oktober schrieb Sara Westerhaus hier bei uns darüber, warum sie sich nicht für ein Kind entscheiden kann und welche Zweifel, Sorgen und Ängste für sie mit der Frage: Baby oder nicht? verbunden sind. Heute antwortet ihr Anna Sophie Pietsch, die Mutter eines zweijährigen Sohnes ist: 

Als ich mit 25 Jahren schwanger war, wurden mir von Freunden, Bekannten, entfernten Bekannten und fast Fremden eine Reihe merkwürdiger Fragen gestellt. Zu meinen Highlights gehörte: „War das geplant?“, worauf ich bewusst spröde mit einem kurzen „Nö“ antwortete. Sollte der Fragende sich doch denken, was er wollte. Ja, auch mir war damals bewusst, dass es in unserer karriereorientierten und individualisierten Gesellschaft nicht unbedingt „normal“ ist, mit Mitte Zwanzig ein Baby zu bekommen.

Mir mal die simple Frage nach dem „Warum“ zu stellen, traute sich damals jedoch trotzdem keiner. Dabei wäre das doch die naheliegendste Frage gewesen: Warum jetzt? Warum nicht in fünf oder zehn Jahren? Aber hätte ich darauf überhaupt eine Antwort geben können? Und kann es überhaupt eine Antwort auf eine so emotionale Frage geben? 

Ich selbst habe mir die Frage nach dem „Warum“ eigentlich nie richtig gestellt. Das wurde mir aber erst jetzt so richtig bewusst, als ich bei EDITION F Saras Artikel las, in dem sie sich selbst die alles entscheidenden Fragen stellt: Will ich jetzt ein Kind? Wäre das nicht zu mutig? Was spricht dagegen? Muss ich mich und meine Wünsche für mein Baby aufgeben? Bin ich nicht viel zu egoistisch für ein Kind?

Wow, dachte ich, das sind viele Überlegungen. Und mir wurde klar: Das hatte ich damals einfach übersprungen. Im Grunde hatte ich mir nur drei simple Fragen gestellt:

Will ich kinderlos bleiben? Nein!

Will ich erst mit Mitte/Ende 30 Mutter werden? Nein!

Haben der Mann und ich dieses verrückte Gefühl, mit unserer schier endlosen Liebe jetzt sofort etwas Nützliches anstellen zu müssen? Ja!

Die Antworten auf diese Fragen führten neun Monate später zu einem kleinen Hübilein und erst als es schon da war, fing ich an, mir ein paar der Fragen zu stellen, die Sara sich in ihrem Artikel schon vor der Zeugung eines möglichen Babys stellt. Denn es gab diese Tage, an denen ich unsere Entscheidung für ein Baby als reichlich naiv bezeichnet hätte. Denn natürlich war mir nicht klar gewesen, was es bedeutet, rund um die Uhr für ein kleines Still-Baby verantwortlich zu sein. Und natürlich war es anstrengender als gedacht, mit einem sechs Monate alten Baby, das nachts manchmal stündlich aufwachte, ein Vollzeitpraktikum zu absolvieren. Aber wir haben es geschafft, weil wir es mussten. Und wir haben es gut geschafft, ganz ohne uns zu trennen oder uns als Individuen selbst zu vergessen.

Weg mit den Erwartungen!

Sicherlich ging das nicht, ohne so einige Erwartungen einfach mal über Bord zu werfen. Seien es die Erwartungen, die man selbst an sich hat, oder die teils abstrusen Erwartungen anderer Menschen: Weg damit! Babys haben in Kneipen nix zu suchen? Warum, wo heute doch ohnehin überall Rauchen verboten ist? Säuglinge sollten noch nicht von ihren Eltern getrennt werden? Quatsch, zwei Stunden Kino für die Eltern mit Großelternbetreuung für das Dreimonats-Baby sollten doch drin sein! Auf der Geburtstagsfeier schmeckt der Wein so gut? Dann pumpe ich die Milch eben ab, schütte sie weg und das Baby bekommt mal Pulvermilch! Mit ein wenig Pragmatismus und dem Mut, eigene Wege zu finden, lässt sich so manche Normalität ohne großes Gewese ganz einfach leben.

Für Selbstverwirklichung und Alleingänge ist das erste Jahr mit Baby natürlich trotzdem nicht unbedingt der optimale Zeitpunkt. In Hübis ersten Lebensmonaten war ich oft froh, wenn ich mal eine halbe Stunde in der Badewanne verschwinden konnte. Und meistens wurde das Baby natürlich trotzdem genau dann wach, wenn ich gerade meine Badewannenlektüre aufklappte. Also wurde das Baby mit zu Wasser gelassen und in der Badewanne gestillt. Entspannt war ich immerhin ein bisschen, sauber waren wir beide, es hätte schlimmer kommen können.

Die totale Selbstaufgabe habe ich aber niemals praktiziert. Zwischen Egoismus und Selbstaufgabe gibt es noch so viele Graustufen, die man als neue Mutter prima entdecken kann. Wie so oft sollte man sich als Frau auch hier einfach dagegen wehren, sich in bestimmte Muster pressen zu lassen. Keine von uns muss diese oder jene Art von Mutter sein, muss diese oder jene Dinge tun oder nicht tun. Die Familie sind wir, der Mann, das Hübchen und ich – und demnach entscheiden auch nur wir, was für uns geht und was nicht.

Teamwork ist alles

Der Mann spielt natürlich eine besondere Rolle in der Frage nach dem „Warum“. Für uns war es damals einfach eine Gefühlssache. Wir wollten ein Baby, und zwar sofort. Vielleicht sollten Paare, die das nicht so stark fühlen, besser noch warten. Vielleicht aber auch nicht, denn wer weiß, wohinter sich so ein Kinderwunsch alles verstecken kann? Ich selbst kann natürlich nur für mich sprechen und da gilt: Das Gefühl war stark und ich habe danach gehandelt. Ein Glück also, dass der Mann mich nach der Geburt nicht sitzen gelassen hat. Denn zu zweit ist so ein Kind deutlich besser zu ertragen zu versorgen: Der Mann hat Elternzeit genommen, als ich mein Abschlusspraktikum machen und meine Masterarbeit schreiben musste. Der Mann hat das Baby versorgt, wenn ich zum Yoga oder zum Reiten ging. Der Mann und ich haben uns die tägliche Hausarbeit geteilt. Das einzige, was er naturgemäß nicht gemacht hat, war, das Hübchen zu stillen, auch wenn wir mehrmals über diese künstlichen Brüste gesprochen haben, die es irgendwo in Übersee extra für Väter zu geben scheint.

Seit unser Hübi älter ist, schläft er auch häufiger bei seinen Großeltern, und wir dürfen uns mal wieder fühlen wie Mitte Zwanzig und kinderlos. Was uns mir nie gelingt, weil schon nach kurzer Zeit die Sehnsucht nach dem Kind an uns an mir zerrt. In jedem Fall gilt aber: Ein Kind bedeutet nicht das Ende. Ich mache nach wie vor das, was mir gefällt. Ich mache es vielleicht seltener oder muss mich dafür besser organisieren und abstimmen, aber ich mache es.

War ich naiv? Oder mutig?

Ist es nun gut oder schlecht, dass ich mir die Frage nach dem „Warum jetzt?“ damals nicht gestellt habe? War ich naiv? Oder war ich mutig? Für mich stellen sich diese Fragen einfach nicht. Ich habe einfach das gemacht, worauf ich Lust hatte und vor allem habe ich mir und dem Mann vertraut. Ich habe darauf vertraut, dass wir alles gemeinsam schaffen und dass wir uns unsere kleine Familie schon so zurechtbiegen werden, dass es für uns passt.

Vielleicht ist es dieses Vertrauen, dass den Frauen und Männern fehlt, die sich den Kopf über ihren Kinderwunsch zerbrechen. Heute, zwei Jahre nach Hübis Geburt, geht mir selbst manchmal dieses Vertrauen flöten. Meistens kreisen meine Sorgen ums Berufliche und ich frage mich, ob ich jemals einen Job finden werde, der mich fordert und zufrieden macht, der mir aber gleichzeitig Zeit und Raum für meine Familie lässt. Ich habe dann Angst, als Mutter niemals beruflich erfolgreich zu sein, obwohl ich mir das so sehr wünsche. In solchen Momenten denke ich, dass es naiv war, vor dem Berufseinstieg ein Kind zu kriegen und dass ich doch besser wie die deutsche Durchschnittsakademikerin erst mit 35 hätte schwanger werden sollen. Dabei weiß ich genau: Für mich wäre das nicht das Richtige gewesen, auch wenn andere Frauen mit genau diesem Weg bestimmt sehr glücklich werden.

Meine Entscheidung für ein Baby mit Mitte Zwanzig bedeutete für mich, dass ich spätestens seitdem meinen eigenen Weg gehe. Vielleicht ist der manchmal steinig, wie diese Heulsuse mit den gelben Sonnenbrillengläsern immer im Radio singt, aber meine Güte, ich trage ja eh am liebsten flache Schuhe. Manchmal ist es vielleicht besser, sich manche Fragen einfach nicht zu stellen. Mit einer Mischung aus Entschlossenheit, Pragmatismus und ganz viel Liebe fürs Kind (denn ja, diese Liebe gehört tatsächlich zu den stärksten Gefühlen, die ein Mensch so fühlen kann) kriegt man das zu zweit schon ziemlich gut hin.

Nachtrag:

Huch, dieser Text ist ja ein richtiger Mutmacher geworden! Das ist toll, denn ich möchte das Kinderkriegen ausdrücklich empfehlen, weil es erstens einfach Spaß macht und weil es zweitens unbedingt normaler werden muss, dass gut ausgebildete Frauen und Männer in ihren besten Jahren einfach das tun, wonach ihnen auch ihrer Biologie nach der Kopf steht: Kinder kriegen!

Trotzdem möchte ich nicht verschweigen, dass es einen empfindlichen Punkt gibt, der mich so manches Mal hat verzweifeln lassen, und das ist die mangelhafte Kinderbetreuung in unserem Land. Kinder werden in Deutschland als privates Glück (oder Unglück) angesehen und jedes Paar steht nach der Geburt des Babys selbst in der Verantwortung, sich um eine vernünftige Betreuungslösung zu kümmern. Unterstützung von Jugendamt oder freien Trägern erfährt man sehr wenig bis gar nicht. Hier sind Sorgen also angebracht und ich möchte jedem Paar, das demnächst ein Kind kriegen will, unbedingt empfehlen, sich so früh wie möglich mit dem Thema Kinderbetreuung auseinanderzusetzen und möglichst so eine tolle erste Tagesmutter zu finden, wie wir sie damals für unser sechs Monate altes Hübchen hatten.

Dieser Text erschien zuerst im Blog „Kinder haben …und trotzdem leben!“. Darin schreibt Anna Sophie Pietsch, angehende Online-Redakteurin und Mutter eines zweijährigen Sohnes, mit einer guten Portion Augenzwinkern über ihren alltäglichen Spagat zwischen Kind und Vollzeitjob. Wir freuen uns, dass sie ihren Text auch bei uns veröffentlicht.


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