Was wisst ihr eigentlich über euren Beckenboden? Beckenboden-Expertin und Zweifach-Mama Henrike Albers erklärt hier alles zu Anatomie und Aufbau und stellt eine easy Trainingsübung vor.
Was hat das eigentlich noch einmal mit unserem Beckenboden auf sich?
Im Laufe der Schwangerschaft, Geburt und Rückbildung begegnet er uns: der Beckenboden. Dann, wenn es heißt: „Und jetzt den Beckenboden anspannen“! Aber mal ganz ehrlich: Was hast Du dabei gedacht? „Äh, ja … dann spanne ich mal … ähm ja … ich kneif mal meinen Po zusammen – und irgendwer hat mal erzählt, das ist so, als müsste man dringend Pipi.“ Das denken neunzig Prozent aller frisch gebackenen Mamas! Niemand weiß so wirklich, wie und was man da machen soll.
Jeder von uns hat einen Beckenboden, doch warum begegnet er uns meistens erst, wenn wir ein Kind bekommen haben? Ganz einfach: Der Beckenboden arbeitet die meiste Zeit, ohne dass wir ihn bewusst anspannen müssen. Er macht seinen Job ziemlich selbstständig, ist immer aktiv, aber durch eine Schwangerschaft wird er geärgert und geschwächt, erst dann merken wir, wofür wir ihn brauchen. Seine wichtigste Aufgabe ist zu verhindern, dass wir uns in die Hose machen und ungewollt Urin oder Stuhlgang verlieren! Nach einer Geburt muss er sich erholen und wieder zu Kräften kommen und das ist manchmal gar nicht so leicht.
Um den Beckenboden anzuspannen, muss man erst einmal wissen, wo und was der Beckenboden ist, denn wir können ihn von außen nicht sehen.
Hallo, Beckenboden!
Der Beckenboden ist, wie der Name schon sagt, in unserem Becken. Er besteht aus drei Schichten. Man kann auch sagen, dass der Beckenboden wie ein „elastischer Gurt“ in unserem Becken liegt. Ein Zusammenschluss vieler verschiedener Muskeln und Bindegewebe.
Das sind die drei Schichten:
1. Die innere Schicht: das sogenanntes Diaphragma pelvis.
2. Die mittlere Schicht: das Diaphragma urogenitale.
3. Die unterste Schicht: die Schließmuskeln
1. Innere Schicht (Diaphragma pelvis):
Der hintere Beckenbodenteil verläuft zwischen den Sitzbeinen, dem Steißbein und den Schambeinen. Diese Schicht hebt die Beckenorgane an, sichert die Kontinenz und verhindert, dass wir beim Sex zur Toilette müssen. Außerdem verengt er die Scheide bei Anspannung (gut für den Sex), verengt Harnröhre und den Analkanal.
Das ist gemeint, wenn verlangt wird: „Hebe deinen Beckenboden leicht an“ und „schließe Harnröhre, Scheide, After“
2. Mittlere Schicht (Diaphragma urogenitale):
Der vordere Beckenbodenanteil hat eine dreieckige Struktur, er verläuft quer zwischen den Sitzbeinhöckern bis zum Schambein, sichert die Kontinenz und verschließt die Harnröhre.
Das ist gemeint, wenn verlangt wird: „Zieh deine Sitzbeinhöcker leicht zusammen“ und „schließe deine Harnröhre“
3. Unterste Schicht (Schließmuskeln und Schwellkörper):
Die unterste Schicht legt sich wie eine Acht um Scheide, Harnröhre und After, spannt sich beim Orgasmus an und verhindert Harndrang bei sexueller Erregung.
Das ist gemeint, wenn verlangt wird: „Schließe Harnröhre, Scheide und After.“
Dann gibt es noch ein mechanisches Zentrum, das den meistens von uns als „Damm“ bekannt ist. Dieses ist der sehnige Bereich zwischen Scheide und Anus. Diese Stelle reißt manchmal bei der Geburt oder es wird im dringenden Fall ein „Dammschnitt“ gemacht, wenn es nötig ist, um mehr Platz für das Kind zu schaffen.
Darum ist es so wichtig, den Beckenboden nach einer Geburt zu trainieren
All diese Schichten arbeiten nur gemeinsam. Sie sind eng miteinander verbunden. Der Beckenboden muss anspannen, um unsere Kontinenz zu sichern, stützt unsere Organe von unten, hilft unsere Lendenwirbelsäule zu stabilisieren und spielt eine große Rolle beim Sex.
Wie jeder Muskel kann der Beckenboden anspannen und locker lassen sowie hat dabei jeweils eine andere Funktion. Im Gegensatz zu fast allen anderen Muskeln, arbeitet der Beckenboden aber 24 Stunden am Tag. Er ist also immer angespannt – ein echter Fulltime-Job.
Locker lassen muss er, damit wir aufs Klo gehen können. Nur so können sich Blase und Darm entleeren. Lässt Du Deinen Beckenboden nicht locker, kann sich die Blase nicht richtig entleeren. Dadurch kann es im ungünstigen Fall zu häufigen Blasenentzündungen kommen. Außerdem kann ein zu stark gespannter Beckenboden Schmerzen verursachen, etwa beim Sex.
Wir müssen die Beckenbodenschichten aber auch bei der Geburt locker lassen, damit das Kind seinen Weg auf die Welt findet.
Der Beckenboden ist ein gemütlicher Zeitgenosse
Die meiste Zeit ist der Beckenboden gemütlich unterwegs, da er viele langsame Fasern besitzt und so lässt er sich etwas Zeit, wenn wir ihn anspannen und locker lassen. Er kann ganz allein arbeiten, ohne dass wir ihm bewusst mitteilen, was er zu tun hat, aber wir können ihn auch ganz bewusst anspannen. Seine „Slow-Motion“ reicht allerdings nicht immer aus. Manchmal muss er einen Spurt hinlegen und schnell anspannen. Das machen dann die schnellen Fasern. Von denen gibt es zwar weniger, aber diese sind besonders wichtig für das reflektorische Anspannen beim Husten oder Niesen, um zu verhindern dass ein Tröpfchen in die Hose geht.
Ganz allein kann aber auch der Beckenboden nicht arbeiten. Er bekommt Unterstützung von den Bauchmuskeln, die gemeinsam mit ihm dafür zuständig sind, dass die Bauchorgane an Ort und Stelle bleiben und das Becken aufrecht bleibt. Das kann allerdings ganz schön schwer sein, wenn man sein Baby viel trägt, dabei müssen Bauch- und Beckenbodenmuskeln Höchstleistung bringen!
Auch die Hüftmuskeln sind teilweise mit ihm verbunden und arbeiten mit ihm im Team. Unser Zwerchfell, unser großer Atemhilfsmuskel, unterstützt ihn ebenfalls bei seinem 24-Stunden-Workout. Es ist ein ganz schön komplexes System. Hier kommen deshalb ein paar Tipps wie man ihn richtig anspannt, damit man seinen Beckenboden spüren und trainieren kann. Das braucht etwas Übung, aber es lohnt sich!
Eine gute Basic-Übung für den Beckenboden
Am einfachsten ist das Anspannen des Beckenbodens, wenn du in den Vierfüßler-Stand gehst. So hat er es einfacher, da er nicht das Gewicht der inneren Organe tragen muss. Wenn es dir aber lieber und praktischer ist, kannst du auch im Sitzen üben.
1. Deine Ausgangstellung im Vierfüßler:
Begib dich auf deine Matte und gehe auf alle Viere. Deine Knie stehen unter deinen Hüftgelenken. Füße und Knie sollten hüftbreit geöffnet sein. Deine Handgelenke stehen unter deinen Schultergelenken. Deine Hände sind geöffnet.
Strecke deine Wirbelsäule lang und nimm die Schultern weg von den Ohren. Deine Schulterblätter ziehst du an die Wirbelsäule heran.
2. Deine Ausgangsstellung im Sitzen:
Setze dich an die Stuhlkante, die Füße hüftbreit und fest auf dem Boden. Das Gewicht des Beckens ruht auf deinen Sitzbeinhöckern (die spitzen Knochen am Po). Richte deine Wirbelsäule auf, hebe dein Brustbein und nimm die Schulter weg von deinen Ohren. Ziehe deine Schulterblätter leicht an die Wirbelsäule heran. Dein Kinn zieht in ein leichtes Doppelkinn.
Jetzt kann es losgehen:
Übung zur Beckenboden-Grundspannung
Atme in deinem eigenen Rhythmus ein paar mal ruhig ein und aus. Dann atme ein, um mit der Ausatmung Harnröhre, Scheide und After zu schließen. Ziehe die Sitzbeinhöcker leicht zueinander und hebe deinen Beckenboden leicht an.
Halte die Spannung für zwei bis drei Atemzüge und löse die Spannung dann mit der Einatmung.
Wiederhole das Anspannen ca. drei Mal. Die Po-Muskulatur solltest du die gesamte Zeit locker lassen. Zur Visualisierung hilft z.B. „die Fahrstuhlübung“ oder stell dir vor, du hättest einen Tampon in der Scheide und ziehst ganz leicht an dem Faden und versuchst den Tampon zu halten.
Da der Beckenboden schon den ganzen Tag arbeitet, ist es nicht sinnvoll, ihm täglich ein zusätzliches großes Workout aufzubrummen und sechzig Minuten anzuspannen. Besser ist es, ihn immer wieder daran zu erinnern, wie er richtig arbeitet und was er zu tun hat.
Ich übe immer, wenn ich mit dem Auto an einer roten Ampel stehe. Dann spanne ich einmal meinen Beckenboden an und lasse ihn auch wieder locker. Man kann das Training also auch ganz leicht in den Alltag integrieren.
Dieser Text ist zuerst auf MOMazing – Das Mama Yoga Love Mag erschienen. Wir freuen uns, ihn auch hier veröffentlichen zu können.
Mehr bei EDITION F
Verhüten oder schneller schwanger werden – das Wearable Trackle erhält ein sechsstelliges Investment. Weiterlesen
33 Dinge, die dir passieren, wenn du als Mama Yoga machst. Weiterlesen
10 Irrtümer über den Eisprung. Weiterlesen