Foto: Sarah Keller

„Warum bist du immer noch Single?” – hört endlich auf diese Frage zu stellen!

Man könnte meinen, dass es in unserer Gesellschaft mittlerweile zur Norm gehört, weiblich, Mitte 30 und allein zu sein. Ja, ist es doch, werden jetzt viele denken – nein, ist es leider nicht.

Single ist man doch nicht freiwillig …

Es gibt mittlerweile unendlich viele Lebenskonzepte, die in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind und – Gott sei Dank – von den meisten Menschen akzeptiert werden. Ich persönlich erlebe allerdings leider immer wieder, wie es mit jedem Jahr schwerer wird, meinen aktuellen Beziehungsstatus zu erklären.

„Willst du keine Kinder“?, „Wie kann es sein, dass so eine tolle Frau, wie du, keinen Partner hat?“, „Du hast vielleicht zu hohe Ansprüche“., „Warum probierst du nicht mal diese Dating Apps aus?“. Diese und ähnliche Fragen begegnen mir tatsächlich immer öfter, wenn ich auf flüchtige Bekannte treffe, auf Freunde, wenn ich neue Menschen kennenlerne. Es ist, als müsse ich mich für meinen Single-Status verteidigen, rechtfertigen. Als wäre es meine Aufgabe, diesen Menschen Erklärungen anbieten zu müssen, damit ihr eigenes Weltbild wieder gerade gerückt wird. Immerhin kann man diese Menschen einigermaßen zufriedenstellen, wenn man daraufhin erwidert, dass man noch keine Kinder will, um sich auf die Karriere konzentrieren zu können. Aber was ist, wenn dem nicht so ist?

Ich will gar nicht Karriere machen – und bin trotzdem glücklich

Ich habe das Privileg, in einem Beruf arbeiten zu können, den ich liebe. Dennoch habe ich keine Ambitionen, die Leiter emporzuklettern, weil das in meinem Beruf zwangsläufig irgendwann einen Schreibtisch-Job nach sich ziehen würde. Und ja, ich möchte gerne irgendwann Kinder. Ich weiß auch, dass es irgendwann immer schwieriger wird, Kinder zu bekommen, dass man ab 35 Jahren als Risiko-Schwangere gilt. Dass es in meinem Alter schwierig werden kann, jemanden zu finden, der meinen Ansprüchen gerecht wird. Ja, all das ist mir durchaus bewusst und es gibt Momente, in denen auch ich darüber verzweifeln möchte. Aber was genau möchtet ihr von mir hören?

Ich habe in meiner Vergangenheit nichts ausgelassen, habe intensiv gelebt und mich durch die Erfahrungen, die ich gemacht habe, mit jedem Schritt besser kennengelernt. Ich habe mich geweigert, mich mit halben Sachen zufrieden zu geben. Eine Beziehung einzugehen, die mir Stabilität, Sicherheit und die Aussicht gab, in einem gesellschaftlich konformen Alter sesshaft werden zu können, ein Haus zu bauen und vier Kinder zu bekommen. All das mag für viele genau das Konzept sein, das sie wollen und von ihrem Leben erwarten. Das kann ich akzeptieren. Ich freue mich aufrichtig für jeden, der sein Glück findet und mit seinem Leben zufrieden ist, egal, wie dieses Glück aussehen mag.

Ich habe gelernt, mich an erster Stelle zu sehen

Ich für meinen Teil, habe allerdings nichts bereut. Mit 16 Jahren habe ich mich noch gefragt, ob es für meinen ersten Freund okay ist, wie ich küsse, mich bewege, anziehe und ob er mich wirklich mag. Was ich mich nicht gefragt habe: ob es für mich okay ist, wie er küsst, ob ich mich mit ihm wohlfühle und ob ich ihn mag.

In den darauffolgenden Jahren hatte ich einige Beziehungen, sowohl gute, als auch schlechte. Mit jedem Jahr habe ich mehr über mich erfahren und gelernt, was ich will. Und vor allem, was ich nicht will. Jetzt frage ich mich nicht mehr, ob der andere mich mag, sondern ob es das ist, was ich will und womit ich mich wohlfühle. „Deine Erwartungen und Ansprüche sind zu hoch“ – nun, das mag durchaus sein. Aber ich weigere mich, all das, was ich mir hart erkämpft und was ich über mich gelernt habe, Stück für Stück wieder aufzugeben. Warum soll ich mich in dem Lebensabschnitt, in dem ich mich am meisten liebe, mit etwas zufriedenzustellen, was mich nicht glücklich macht? Nur weil ich nicht den Beziehungsstatus habe, den ich mir vielleicht theoretisch wünsche, den andere sich für mich wünschen oder der in deren Konzept passt? Nein.

Mein Liebesleben geht niemanden etwas an

All diese Fragen, mit denen ich mich tagtäglich konfrontiert sehe, sind darüber hinaus anmaßend. Es fühlt sich an, als würde ich als weiblicher Single mit Mitte 30, das Recht verlieren, meinen Beziehungsstatus unkommentiert lassen zu dürfen. Als wäre man ein Wesen von einem anderen Stern, das bemitleidet werden muss, weil es ja irgendwie so seltsam anders ist. Man spürt sich die Frage, die sich in den Köpfen formiert, förmlich entwickeln: „Was ist mit ihr falsch?“

Ja, ich will Kinder und ja, ich wünsche mir auch eine Beziehung. Aber ich will Kinder und eine Beziehung nur dann, wenn ich jemandem über den Weg laufe, der mich fordert, der meine Werte und Ansichten teilt, mir auf Augenhöhe begegnen kann und sich von mir nicht einschüchtern lässt. Der sich mit mir auseinandersetzt, mich respektiert, mit mir lacht und weint. Der sich selbst mag und mit sich im Reinen ist. Einen Menschen, der mich nicht vervollständigt, sondern ergänzt.

Sind diese Erwartungen und Ansprüche wirklich zu hoch? Nein. Ich möchte mich mit nicht weniger zufriedengeben müssen. Bis dieser Mensch in mein Leben tritt, bin ich lieber allein und glücklich damit. Also hört auf damit, mich zu bemitleiden, mich von etwas Gegenteiligem überzeugen zu wollen, mich ständig nach dem Warum zu fragen und mich reparieren zu wollen. Es geht mir gut, so wie vielen anderen alleinstehenden Frauen. Keine Sorge.

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