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Wie wird man mit einem Sozialunternehmen erfolgreich? 4 Vorsätze, die uns geholfen haben

Vor fünf Jahren gründete ich mit zwei Freundinnen ein Sozialunternehmen. Vier Vorsätze haben uns von der Gründung bis heute begleitet und unseren Erfolg ausgemacht.

 

Fünf Jahre Sozialunternehmerin 

Ich bin Charlotte, eine der drei Gründerinnen eines Sozialunternehmens mit Sitz in Hamburg. Seit 2012 bestärken unsere Lernferien Kinder darin, ihre Träume mutig zu verfolgen. Das heißt: Wir werden diese Woche fünf Jahre alt! Nach einem halben Jahrzehnt mit eigenem Unternehmen bin ich ein bisschen abgeklärter, ein ganzes Stück klüger und immer noch schwer verliebt in Team und Idee. Es gibt vier Vorsätze, die ich mich und unser Team in den letzten Jahren dabei begleitet haben. Gründer*innen werden sich wohl in vielen wiederfinden, für alle Anderen bieten sie ein unzensierten Einblick in die (Social)-Startup-Welt.  

1. „Wir probieren das jetzt einfach aus.“

Wenn ich unsere Ferienprogramme besuche, erkläre ich den Kindern immer, „Ich bin eine von den Personen, die das Programm erfunden haben.“ Aber ehrlicherweise war das ja der einfache Teil. Jeder, der schon einmal geduscht hat, hatte schon mal eine gute Idee. Aber wer ist schon mutig  – und wahnsinnig – genug, aus dem „Jemand müsste mal …“ ein „Wir werden morgen …“ zu machen? Genau dieser Mut oder Wahnsinn ist für mich Unternehmertum. Und zwar nicht nur einmal, sondern immer wieder. Beim Gründen gibt es keine Bedienungsanleitung, keiner sagt dir, ob du es richtig machst. Also haben wir in den letzten fünf Jahren jede Menge ausprobiert, sprangen und springen ständig ins kalte Wasser. Denn am Ende kann dir nur der Realitätscheck sagen, ob deine Idee funktioniert, erst im Tun siehst du, wie du sie weiterentwickeln musst

2. „Was lernen wir daraus?“ 

Wenn man viel ausprobiert, geht auch viel schief. Aber, und das ist das Schöne: Wir machen die meisten Fehler nur einmal. Wenn wir merken, dass wir an bestimmten Stellen unseren Ansprüchen nicht gerecht werden, verändern wir Dinge. Wir stellen in Frage, wir lernen, wir investieren Hirnschmalz, Zeit und Arbeit in Verbesserungen. Wir verstehen Fehler als Freunde, können über Fehleinschätzungen sprechen und über manche Fails auch lachen. Und am Ende wird es dann meistens trotzdem richtig gut. Diese Erfahrung gibt mir Mut: Ich weiß, dass wir in den nächsten Jahren noch ganz schön viele Fehler machen werden. Je größer wir werden, desto größer werden auch die Fehler – aber die Erkenntnisse, die wir aus ihnen ziehen werden, eben auch.

3. „Streng nach Plan heißt nein sagen.“

Wenn der Weg nicht vorgegeben ist, ist es nicht immer einfach, auf Kurs zu bleiben. Das gilt nochmal mehr, wenn der Anspruch nicht allein im Geldverdienen liegt, sondern darin, einen Unterschied zu machen. Wir setzen uns mit Climb, so heißt unser Unternehmen, für eine offene und chancengerechte Gesellschaft ein. Wir wissen: Es gibt noch so viel zu tun, bis auf dem Bildungsweg eines Kindes in Deutschland das Potenzial entscheidet, und nicht die Herkunft oder der Geldbeutel der Eltern. Da fällt es manchmal schwer, sich auf ein Produkt, eine Zielgruppe, eine Art von Intervention zu konzentrieren. Mir sind die Kinder, mit denen wir arbeiten, sehr ans Herz gewachsen; am Liebsten würde ich ihnen alles von der weltbesten Kita bis zum Coaching nach dem Uni-Abschluss anbieten, um ihnen den Weg in eine selbstbestimmte Zukunft ein bisschen zu erleichtern.

Und doch, wir können nicht alles, und vor allem nicht alles gleichzeitig. Wenn wir das versuchen, reiben wir uns auf und machen nichts richtig. Es ist nicht unsere Aufgabe, ganz allein das Bildungssystem umzukrempeln. Dazu brauchen wir Verbündete in Schulen, in der Verwaltung und in anderen Projekten, die mit uns an der gleichen Baustelle arbeiten. Wir brauchen Netzwerke, die sich gegenseitig unterstützen. Und wir müssen auf die Kraft unseres Konzeptes vertrauen, dass seinen Beitrag schon leistet, um Veränderung zu bewirken. Und sei es auch nur im Kleinen.

4. „Es geht nicht um uns, es geht um die Kids.“

Es gibt viel zu viele Gründer, die sich viel zu wichtig nehmen. Das ist – leider – auch im sozialen Sektor nicht viel anders. Superhelden mit der einen, angeblich zündenden Idee, die sich selbst feiern und die langweiligen Aufgaben ihrem Team überlassen, die keine Verantwortung und keine Macht abgeben können. Dass ich hier bewusst männliche Pronomen verwende ist, naja, kein Zufall. Aber das führt an der Stelle zu weit.

Abgesehen davon, dass der sogenannte „Hero Entrepreneur” sowieso out ist und wir alle wissen, dass Teams weiter kommen als Einzelkämpfer, habe ich in den letzten fünf Jahren vor allem eins gelernt: Wer es für’s eigene Ego macht, ist im Sozialunternehmertum falsch. Natürlich macht es Spaß, eine eigene Firma aufzubauen und eine eigene Unternehmenskultur zu entwickeln; natürlich ist es genial, mit Ende 20 keine Vorgesetzten zu haben, sondern selbst die Chefin zu sein. Aber darum geht’s doch nicht. Wir machen diese Arbeit, weil wir für die Kids und jungen Erwachsenen, in deren Potenziale wir verliebt sind, einen Unterschied machen wollen. Und weil wir die Hoffnung auf eine mutige Gesellschaft nicht aufgeben können.

Dafür mühen wir uns dann eben auch mit der Rentenkasse und dem Finanzamt ab, stellen das eigene Konzept immer wieder mutig in Frage, springen über unsere Schatten und suchen Verbündete, wagen immer wieder den Sprung ins kalte Wasser, schlagen uns manchmal Wochenenden um die Ohren und fordern uns jeden Tag aufs Neue heraus. Für alles, was möglich wäre, für den Unterschied, den wir mit unserem Unternehmen machen können. Und für eine Gesellschaft, die uns (hoffentlich bald) nicht mehr braucht.


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