©Hella Wittenberg

Woran erkennt man einen guten Vater?

Väter. Sie haben es nicht immer leicht und wir haben es nicht immer leicht mit ihnen. Fest steht: Wir brauchen mehr Väter, die offen über ihre Rolle sprechen und mit bestehenden Männlichkeitsidealen brechen. Fabian Soethof ist so ein Vater.

In seinem Buch „Väter können das auch!“ erzählt der Journalist, Vater und Elternblogger Fabian Soethof, warum nicht nur seine Familie und die Gesellschaft, sondern auch er selbst davon profitiert, ein anwesender Vater zu sein. Ein Auszug.

„Väter können das auch!“

Viele Väter wollen heute nicht mehr nur finanzielle Verantwortung übernehmen, sondern Familie und Erziehung gleichberechtigt leben. Doch in vielen Köpfen stecken alte Rollen! Auch wenn sich Paare Fairness im Familienleben wünschen: Die meisten geraten schnell in traditionelles Fahrwasser – zum Leidwesen der Mütter, der Beziehung, der Kinder und der Männer selbst.

Das Buch ist im Kösel Verlag erschienen und kostet 18 Euro. Support your local bookdealer!

„Man könnte auch einfach ‘asozial’ sagen“: Toxische Männlichkeit

So wie Familien, vor allem aber Frauen einen Erweckungsmoment erfuhren, als mit dem Begriff „Mental Load“ das Sorgenkind endlich einen Namen hatte, kursiert unter Kritiker*innen des vorherrschenden Patriarchats seit geraumer Zeit der Begriff „toxische Männlichkeit“. Gemeint ist damit ein von Männern bewusst oder unbewusst an den Tag gelegtes Verhalten, das Frauen kleinhält, unterjocht, und dessen Absender auf dem für sie so gemütlichen Status quo beharren. Ein Status quo, in dem Männer auch weiterhin die Welt regieren, ihr Ding machen, ihre Privilegien und die fehlenden der Frauen nicht erkennen müssen. Unabhängig vom Geschlecht könnte man auch einfach „asozial“ sagen, aber hier geht es nun mal um Geschlechter. Beispiele toxischer Männlichkeit erleben wir alle jeden Tag, seit Jahren.

Wer gibt gerne im Freundeskreis zu, dass er zwei Jahre in Elternzeit gehen möchte, wenn er Angst haben muss, dafür ausgelacht zu werden?

Fabian Soethof

Nehmen wir zum Beispiel diese Vätergruppe auf Facebook, in der neben mir 16.000 andere Väter Mitglied sind. Neben Fragen zu Erziehung, Partnerschaft, Trennung, Autokäufen und Videospielen tauchen dort immer wieder, nun ja, schwierigere Postings auf. Einer postet den harmlos gemeinten Witz eines Fotos von Tom Gerhardts Figur Hausmeister Krause, der sagt: „Nur weil heute Frauentag ist, macht sich das Abendessen auch nicht von allein!“ Ein anderer postet prahlend und mutmaßlich in Erwartung digitalen Schulterklopfens den Satz: „Meine These: Frauen sind morgens besonders sexuell zu begeistern“ – und erntet neben wenigen kritischen Kommentaren in Vergewaltigungsfantasien driftenden Zuspruch á la: „Musst nur aufpassen, dass sie nicht wach wird!“ Ich kenne solche Sprüche zur Genüge. Ich bin ein Mann, der andere Männer kennt, ich habe sie wider besseres Wissen als Teenager bestimmt sogar selbst mal gerissen. Trotzdem: Zeigt so ein Gepose wirklich einen Querschnitt und das Humorlevel deutscher Väter auf? Na dann gute Nacht.

Toxische Männlichkeit führt nicht nur dazu, dass gesellschaftlicher Wandel blockiert wird und Frauen in unserer Gesellschaft unterdrückt werden. Sie trägt auch dazu bei, dass Männer und Väter, die anders leben wollen, es schwer haben: Wer beantragt schon gerne Teilzeit bei seinem Chef, wenn der bereits im Krankheitsfall eines Kindes fragt, warum sich die Mutter denn nicht kümmern könnte? Wer gibt gerne im Freundeskreis zu, dass er zwei Jahre in Elternzeit gehen möchte, wenn er Angst haben muss, dafür ausgelacht zu werden? Wer ist stark genug, sich deshalb lieber einen anderen Freundeskreis zu suchen?

Der Väterberater Heiner Fischer war so stark. Nachdem er und seine Frau ihre Rollen neu verteilten und sie Sätze hörte wie „Wie, du gehst jetzt schon wieder arbeiten? Und wer bleibt bei deinem Kind?“, hat sich ihr Freundeskreis komplett verändert. Von denen, die es mit ihrer Kindererziehung traditionell halten, hat seine Familie sich verabschiedet. Sie hat neue Freunde gefunden, die es gleichberechtigter machen. „Ist im Alltag viel harmonischer“, sagt er. Toxisch männlichen Gegenwind bekommt Fischer auch online, per Mail oder in Kommentaren. Vor allem Männer fänden oft schwachsinnig, was er macht und sagt: „Das sind Maskulinisten, die dieses biologische Bild von Vätern und Familie hochhalten. Sie sehen den Mann als Erfüller der weiblichen Interessen und Aufgaben. Er geht arbeiten, damit sie die Kinder erziehen kann.“

Überholte Männlichkeitsideale

Der britische Autor und Streetworker JJ Bola hat ein Buch darüber geschrieben, warum Männer nicht nur Täter, sondern auch Opfer ihrer Selbstbilder sind. In „Sei kein Mann“ plädiert er dafür, dass Jungen und Männer ihre verletzliche Seite zeigen dürfen müssen, um nicht an Rollenerwartungen kaputtzugehen. „Männer werden mit größerer Wahrscheinlichkeit als Frauen obdachlos, drogenabhängig, gewalttätig oder bringen sich um. Das alles, weil sie es nicht schaffen, ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Weil sie glauben, keine Schwäche zeigen zu dürfen. Weil sie in ein Bild passen wollen“, erläutert Bola im Interview mit der Süddeutschen Zeitung.

Nicht nur die eigenen Eltern, sondern auch Sportler, Popstars und Influencer, kurzum: das mediale Umfeld müsse dafür Männlichkeitsideale und Machogehabe überholen: „Man braucht als junger Mann auch Vorbilder außerhalb der eigenen vier Wände.“

Ich finde: Es gibt, abgesehen von eventuellen ernst zu nehmenden finanziellen Engpässen, keinen Nachteil daran, ein anwesenderer Vater zu sein. Okay, vielleicht noch den, dass man sich zu Hause auf die Nerven geht. Darüber hinaus reden wir hier von einer Win-Win-Win-Situation:

1. Papa versauert nicht am Arbeitsplatz und setzt Prioritäten, die nicht nur ihm guttun, sondern auch seiner Familie und der Gesellschaft.

2. Mama muss nicht jeden Heim-Scheiß allein machen und kann auch Geld verdienen und sich um ihre eigene Rente sowie berufliche Verwirklichung kümmern.

3. Die Kinder erleben ihren Vater als gleichermaßen anwesenden und am Familienalltag teilnehmenden Elternteil wie ihre Mutter. Sie bauen eine enge Bindung zu mehr als einer Bezugsperson auf und nehmen für ihre Welt- und Geschlechteranschauung mit, dass auch Väter kochen, putzen und sich kümmern können – und dass auch Mütter wegen Videocalls, wichtiger Projekte oder Dienstreisen mal keine Zeit für sie haben. Wir Eltern stehen in der Verantwortung, zu hinterfragen und zu reflektieren, welche Rollen wir unseren Kindern warum vorleben – und ob das wirklich die Rollen sind, die sie später selbst einnehmen sollen. Macht doch mal den Selbsttest: Wenn eure Kinder Hunger haben, wen fragen sie? Von wem lassen sie sich trösten, wenn sie traurig sind oder Schmerzen haben?

Wenn sie in Kindergarten und Schule von zu Hause erzählen, an welchen Elternteil denken sie da wohl zuerst? Keine Sorge, ich werde hier nicht den seit Jahren durch Twitter und Co. geisternden Spruch „Euer Alltag ist ihre Kindheit“ reproduzieren, der macht den unter kaum möglicher Vereinbarkeit leidenden Eltern existierenden Druck, „gute“ Eltern zu sein und damit einhergehende Versagensängste bloß noch größer.
Stellt euch aber die Frage, ob es wirklich okay für euch ist und bleiben wird, wenn die Antwort in allen Fällen „Mama“ lautet.

Woran erkennt man einen guten Vater? Ich kenne die Antwort nicht – glaube aber, dass ein anwesender und aktiver Vater auf dem besten Wege ist, einer zu werden.

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