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Mec-Pom? Bei den Nazis mach ich keinen Urlaub!

In den sozialen Netzwerken machen Urlaubsabsagen von Leuten die Runde, die angesichts des Wahlerfolgs von AfD und NPD keine Lust mehr haben, ihre Ferien in Mecklenburg-Vorpommern zu verbringen – aber kann das wirklich die Lösung für den persönlichen Umgang mit alarmierenden Wahlergebnissen sein?

 

Dann doch lieber Ferien in Bayern?

Zum Beispiel auf stern.de wird von einem Schreiben berichtet, das unter anderem auf Facebook viral ging: Eine Urlauberin cancelte damit ihre schon länger geplanten Ferien in Mecklenburg-Vorpommern: „Ich kann und will meinen Freunden nicht zumuten, sich zwei Kilometer Luftlinie von Peenemünde entfernt aufhalten zu müssen, wo 52,4 Prozent der Wähler sich dafür entschieden haben, AfD bzw. NDP zu wählen.“

Ich finde das, im Gegensatz zu vielen Kommentatoren, kein Statement der Zivilcourage, sondern tendenziell eher überheblich: Schließlich handelt es sich, wenn ich das richtig sehe, bei den Betreibern des betreffenden Hotels ja nicht um inselbekannte Nazis, sondern um Leute, die zufällig ihr Hotel in einer Gegend betreiben, in der beunruhigend viele Menschen bei den Landtagswahlen AfD oder NPD gewählt haben. Insofern erscheint es mir nicht nur arrogant, sondern auch ein bisschen sinnfrei, mit einer solchen demonstrativ-überheblichen Ankündigung der eigenen Abwesenheit ein Zeichen setzen zu wollen.

Und dann lieber nach, sagen wir zum Beispiel, Baden-Württemberg, da ist die Welt nämlich dank Winfried Kretschmann noch grün und damit in Ordnung?

Ich glaube nicht, dass das eine Lösung sein kann.

Grundsätzlich gilt es ohnehin festzustellen: Ohne genaue Zahlen zu kennen, gehe ich fest davon aus, dass sich nicht besonders viele Leute wirklich Gedanken darüber machen, ob ihr Ferienziel menschenrechtlich vertretbar ist oder nicht; dass man nicht in Ländern wie Nordkorea oder Saudi-Arabien urlauben sollte, darauf könne sich natürlich fast alle verständigen – da will aber eh keiner hin. Und wir wollen Mecklenburg-Vorpommern selbstredend nicht mit irgendwelchen Schurkenstaaten gleichsetzen. Aber wir fragen uns: Ist es der richtige Weg, ein Bundesland zu meiden, weil die Wahlerfolge rechter Parteien dort verstörend sind?

Wie wichtig ist die richtige Gesinnung für die Ferienstimmung?

In einer Gegend, in der die Hälfte der Wähler AfD oder NPD gewählt haben, hat die andere Hälfte etwas anderes gewählt – die Chancen stehen also 50:50, dass ich mit Leuten zu tun haben werde, deren Gesinnung mir gegen den Strich geht; die Frage ist, ganz egoistisch betrachtet: Inwiefern beeinträchtigt dieses Gefühl mein Urlaubserlebnis? Inwieweit quält einen tatsächlich der Gedanke, dass die Frau, die mir die Brötchen verkauft, oder der Typ vom Bootsverleih sein Kreuz an der falschen Stelle gemacht haben könnten? Wenn wir ehrlich sind: eher nicht so sehr, weil es sich um Servicepersonal handelt, und in der Regel geraten wir eher selten in die Verlegenheit, mit diesem politische Debatten vom Zaun zu brechen.

Aber wir haben auch im Kollegenkreis diskutiert: Würde ich mit meiner besten Freundin, die asiatische Wurzeln hat, dort Urlaub machen oder vielleicht lieber nicht? Wäre es eine gute Idee, mit dem Kumpel aus Kenia abends in irgendeinem Kaff in Mecklenburg-Vorpommern (oder wahlweise Sachsen oder Sachsen-Anhalt…) in der Dorfkneipe noch ein Bierchen zu zischen? Möglicherweise auch nicht. Und das ist natürlich kein gutes Gefühl. Und dennoch: Wenn die ganze Diskussion in Richtung „No-go-Areas“ abrutscht, dann hilft das den vielen Menschen, die sich in Mecklenburg-Vorpommern und sonstwo für Toleranz und gegen Abgrenzung einsetzen, herzlich wenig; Arbeitslosigkeit, Frust und Hass werden nicht weniger, wenn man die Abgrenzung noch verstärkt. Von außen zusehen, was passiert, wird auf jeden Fall zu nichts führen. Was wirtschaftlich und politisch passieren muss, damit in Peenemünde und anderswo nicht die Hälfte der Wähler glaubt, ein Kreuz bei AfD oder NPD sei eine gute Idee, das sollten die entscheidenden Fragen sein.

Dieses ,Igitt, damit will ich nichts zu tun haben schadet am Ende jedenfalls mehr, als dass es nützt. Oder seht ihr das anders? Würdet ihr die Wahl eures Urlaubsziel von einem Wahlergebnis abhängig machen? Oder wie sähe aus eurer Sicht eine sinnvollere Reaktion aus?

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