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Weltfrauentag: Ist ja ganz nett, aber brauchen wir den eigentlich noch?

Heute ist Weltfrauentag – doch vielen jungen Menschen bedeutet er nichts. Warum eigentlich?

 

Wie wichtig ist der Weltfrauentag heute noch?

Neulich ging es in einer Runde von jungen Frauen um den Weltfrauentag. Auf die Bemerkung, dass der ja nächste Woche anstehen würde, wurde von den meisten mit den Schultern gezuckt und recht leidenschaftslos gesagt: „Ja, stimmt“. Dann wurde es ziemlich ruhig, bevor mit dem Thema des Frauenstreikes „ A Day Without A Women“ doch noch etwas Wallung aufkam und heiß diskutiert wurde, ob das total großartig oder doch nur wieder ein Protest für privilegierte Frauen ist sowie welche andere Aktionen am 8. März anstehen. Irgendwann sagte eine: „Ist es nicht komisch, dass wir uns zwar für die Aktionen interessieren (die wir ja auch an jedem anderen Tag spannend fänden), aber uns, die so viel über Frauenpolitik- und rechte sprechen, der Weltfrauentag an sich kaum etwas bedeutet? Oder zumindest, dass er uns nicht mehr bedeutet? Schließlich trug er und all die Frauen, die sich an ihm versammelten, diskutierten sowie ihre Forderungen auf den Tisch brachten, maßgeblich dazu bei, dass im Jahr 1918 das Frauenwahlrecht durchgesetzt wurde. Das sollte ja fast schon ausreichen.” Jap, eigentlich sollte es das. Zumal wir ja in Sachen Gleichberechtigung noch lange nicht die Hände in den Schoß legen können.

Oder ist das doch nicht so verwunderlich? Schließlich haben viele von uns erst sehr spät von der Bedeutung bzw. der Idee hinter dem Tag erfahren. Und das nicht etwa in der Schule, sondern weil man sich selbst informierte. Am Weltfrauentag in Deutsch über wichtige Autorinnen sprechen? In Chemie über Marie Curie? In Politik über Frauenrechte weltweit oder rechtliche Lücken in Deutschland, die es etwa Alleinerziehenden (immerhin mehrheitlich Frauen) schwermachen? Fehlanzeige – dabei wäre es doch ein fantastischer Anlass, hier mal ein Schlaglicht drauf zu werfen. Nein, in der Schule spielte dieser Tag höchstens eine Rolle, wenn der Lehrer einen anschnauzte, dass man auch an einem Weltfrauentag pünktlich zur Stunde zu erscheinen habe, da brauche man sich jetzt nichts rausnehmen, nur weil man ein Mädchen ist – zumindest sollte man zufällig am 8. März zu spät kommen und sollten die Lehrer daran denken, was an diesem Tag ist. Das war nämlich sowohl bei Frauen als auch bei Männer keine Selbstverständlichkeit.

Die bittere Wahrheit: Was uns nicht betrifft, regt uns nicht auf

Kurz gesagt: Er spielte schlicht keine Rolle – wie sollte man ihn also wichtig nehmen, wenn man nie gelernt hat, wie wichtig er ist? Sozialisation spielt in diesen Fragen eben eine große Rolle und es reicht nicht aus, wenn das nur zuhause stattfindet. Hauptsache am Muttertag bringen alle Blumen mit, daran wurde man tatsächlich immer erinnert. War das nur in Baden-Württemberg so, wo ich herkomme? Nein, mein Freundeskreis beherbergt Frauen aus allen Teilen Deutschlands. Und keine, die zwischen Anfang 20 und Anfang/Mitte 30 ist, gerät in Wallung, wenn es um den Weltfrauentag geht.

Die andere bittere Wahrheit ist wahrscheinlich: der Tag bedeutete uns lange nicht so viel, weil wir bis zum Beginn unseres Erwachsenenlebens dachten als Frau keine wirkliche Benachteiligung mehr zu erfahren. Das war doch nur damals so, das hat doch mit Frauen heute gar nichts mehr zu tun! Nun gut, diese Lektion haben alle mittlerweile gelernt – Post-Feminismus ist ein Wunschtraum. Wir brauchen eine lebendige Feminismus-Debatte, denn wir müssen uns auch heute noch lautstark einsetzen, um wirklich weiterzukommen. Gut, doch natürlich ist es trotzdem so, dass es mir und meinen weiblichen Freunden noch verhältnismäßig gut geht – die meisten weiß, viele hetero, viele aus einem Akademiker-Haushalt. Wer nicht direkt mit Problemen konfrontiert wird, braucht eben länger um sie zu begreifen. Leider. Aber auch das ist im Prinzip schon wieder ein Trugschluss.

Wir müssen weiterkämpfen, wenn wir eine gute Zukunft für uns alle haben wollen!

Denn wir haben diese Probleme und natürlich betreffen sie uns – Gewalt gegen Frauen gibt es egal in welcher Schicht, egal wo auf der Welt wir wohnen. Lohnungleichheit trifft uns täglich. Alte Männer-Parteien, die uns sagen wollen, wie wir in Zukunft zu leben haben, Sexismus und die gläserne Decke, Zwangsheirat, Genitalverstümmelung, Frauenhandel, eingefahrene Rollenbilder, die uns vollkommen ohne Not Grenzen setzen, Schwangerschaftsabbrüche, die kriminalisiert werden, und und und – das ist auch unser Alltag. Alles andere ist Augenwischerei.

Am Ende ist es doch so: Der Weltfrauentag ist mir heute wichtig, und er sollte es für alle Frauen und auch Männer sein. Das sollte auch schon in der Schule vermittelt werden! Denn auch wenn uns Probleme nicht direkt betreffen oder wir denken, dass sie uns nicht direkt betreffen, müssen wir aktiv werden, auf sie aufmerksam machen, die Debatte darüber am Leben halten, wenn wir morgen in einer besseren Welt für uns alle leben wollen. Oder wenn wir schlicht unsere bereits errungenen Rechte behalten wollen, schließlich sind die Ewiggestrigen mal wieder auf dem Vormarsch.

Eine Welt, in der Frauen die gleichen Rechte haben wie Männer und in der sie genau so sicher sind wie Männer, ganz gleich wo sie geboren sind. Und dazu trägt eben auch dieser Tag bei. Aber nicht, um sich zu erinnern, sondern vielmehr, um uns immer wieder den Anstoß zu geben weiterzumachen, etwas anzuschieben, uns zu vernetzen, laut zu sein. Da spricht mir auch das diesjährige Motto, unter dem der Weltfrauentag in Deutschland steht, aus dem Herzen: „Wir verändern.“ Oh ja, The Future is Female. Wir können viel bewegen – aber dafür müssen wir schon bereits sein, uns selbst zu bewegen.

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