„Moderner Feminismus bedeutet für mich, dass Frauen ihr Leben nach ihren Wünschen und Vorstellungen gestalten können, ohne sich rechtfertigen zu müssen“, sagt die FUNKE-Verlegerin Julia Becker im Interview mit EDITION F. Wir sprachen mit ihr über Diversität im Unternehmen, über den Female Future Force Day 2024 und die Verantwortung, die der Journalismus heute trägt.
Freiheit und Selbstbestimmung sollten im Mittelpunkt eines modernen Feminismus stehen – sei es bei der Entscheidung für oder gegen Kinder, in Beziehungen oder in Bezug auf berufliche Ziele. Als Verlegerin sieht es Julia Becker als ihre selbstverständliche Aufgabe, die notwendigen Rahmenbedingungen wie gerechte Bezahlung, Kinderbetreuung und flexible Arbeitsregelungen zu schaffen. Julia Becker ist Vorsitzende des Aufsichtsrates der FUNKE Mediengruppe. Sie ist die Enkeltochter von Jakob Funke, der 1948 gemeinsam mit Erich Brost die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ (WAZ) in Essen gründete und so den Grundstein für das Medienhaus legte.
131 Jahre noch soll es laut Weltwirtschaftsforum dauern, bis echte Gleichberechtigung vollzogen ist. Im Schnitt verdienen Frauen aktuell noch immer weniger als Männer, leisten viel mehr Care-Arbeit und sind im Bereich der Medizin benachteiligt. Wo stehen wir aktuell mit der Gleichberechtigung?
„Wir stehen absolut nicht dort, wo wir stehen sollten. Seit drei Jahren verharrt der Gender Pay Gap bei 18 Prozent, da ist kein Weiterkommen. Der geringere Verdienst, der auch die Möglichkeiten zur privaten Altersvorsorge drastisch einschränkt, führt in Kombination mit Jobpausen oder Teilzeitarbeit bis zum Rentenalter zu einer gewaltigen Vorsorgelücke. In Zahlen ausgedrückt: Frauen bekommen 30 Prozent weniger sogenannte Alterseinkünfte, jede fünfte Frau ab 65 Jahren ist aktuell armutsgefährdet. Das ist erschreckend. Und auch der Gender Care Gap hat sich eben nur leicht verbessert und liegt immer noch bei knapp 44 Prozent, das heißt, dass Frauen pro Tag 79 Minuten mehr unbezahlte Sorgearbeit aufbringen müssen.
Frauen zahlen im Alltag für die gleiche Dienstleistung und die gleichwertigen Produkte deutlich mehr als Männer. Und der Gender Health Gap mit dem Mann als Prototypen für Medikamente und Behandlungen führt dazu, dass Leben nicht gerettet und Krankheiten nicht geheilt werden können. Die Dringlichkeit ist nicht mehr wegzudiskutieren. Und das Wichtigste ist, dass heute etwas passieren muss und nicht erst morgen, in einer Woche, in einem Monat oder eben in den ausgerechneten 131 Jahren.“
Wir brauchen also radikale Veränderungen. Das forderte auch die Autorin Sibel Schick im Edition F Interview. Feminismus dürfe nicht weiter an der Oberfläche kratzen, die Strukturen gehören in ihren Grundfesten erschüttert. Wo müssen wir jetzt ansetzen?
„Die Veränderung brauchen wir in allen Bereichen, das belegen die Zahlen. Selbst dort, wo Gleichberechtigung schon Erfolge zeigt, dürfen wir eben nicht aufhören und uns zurücklehnen. Es kann doch nicht sein, dass heute deutlich mehr Mädchen als Jungen eine Gymnasialempfehlung bekommen und deutlich mehr junge Frauen das Abi meistern, sie dann aber im Berufsleben weit hinter ihren männlichen Mitstreitern zurückfallen. Was Bezahlung und Positionen angeht, ist da noch immer eine riesige Schere. Unsere Politik ist stark maskulin geprägt. Ebenso wie medizinische Berufsverbände.
„Es muss ein Umdenken in den Köpfen stattfinden.“
Julia Becker
Es muss ein Umdenken in den Köpfen stattfinden: Feminismus ist kein Projekt, kein Hobby, sondern eine Lebensaufgabe. Die Menschen müssen erkennen, dass eine Gesellschaft in allen Bereichen, Unternehmen, Institutionen eben nur dann wirklich gut ist, wenn sie deren Diversität bis ins Kleinste abbildet. Jedes Team, jede Gruppe, jede Schulklasse ist effizienter und authentischer, kreativer und besser, wenn sie alle an Bord hat, unabhängig von Geschlecht, Herkunft und sexueller Orientierung. Um das zu erreichen, braucht es klare Regeln, aber eben auch starke Werte, denen man sich in aller Konsequenz verpflichtet und bei deren Nichterfüllung oder Verweigerung dann auch spürbare negative Sanktionen folgen. Das wäre für mich eine grundsätzliche Strategie, wie wir hier weiter vorgehen müssen.“
Mit welchen entsprechenden Herausforderungen wurden Sie in ihrer Rolle als Verlegerin und Aufsichtsratsvorsitzende konfrontiert und wie sind Sie ihnen begegnet?
„Mir ist klar geworden: Für Frauen gelten andere Beurteilungskriterien als für Männer. Wenn ein Mann in den Raum kommt, wird er in der Regel nicht hinterfragt. Kommt eine Frau wie ich in den Raum, dann geht in vielen Köpfen ein ganzer Katalog von Fragen auf: Kann sie das? Was hat sie an? Wieso guckt die so? Wie sind die Haare? Wird es hier jetzt emotional oder kann die auch Entscheidungen neutraler Art treffen?
Sicher wurde ich in den sechs Jahren, in denen ich jetzt Aufsichtsratsvorsitzende bei FUNKE bin, oft unterschätzt oder auch in verschiedenste Klischee-Schubladen gesteckt. Sicher wurde auch hinter vorgehaltener Hand über mich geredet. Aber solch kritische Stimmen sind aus meiner Sicht oftmals nur eines: Unsicherheit, die Männer auf diese Weise zu überspielen versuchen. Für mich war eigentlich immer klar, was ich wollte: Das ist guter Journalismus, eine offene Führungskultur und ein Unternehmen, das mit Diversität erfolgreich Zukunft gestaltet. Und nicht die Meinung anderer über mein Auftreten, meine Kleidung oder eben auch meine Rolle als Frau.
Eleanor Roosevelt hat mal gesagt: ,Eine Frau ist wie ein Teebeutel. Du kannst erst beurteilen, wie stark sie ist, wenn du sie ins Wasser wirfst.’ Das passt ganz gut zu meinem eigenen Werdegang: Man wird ins Wasser geworfen, schwimmt, versucht nicht unterzugehen. Hinzu kommt noch, dass einem zahlreiche Männer das Leben schwer machen und Steine und Stöcke in dieses Wasser werfen. Damit hätte ich nicht gerechnet. Aber es hat auch bewirkt, dass ich mich sehr viel schneller auf das konzentriert habe, was ich mir vorgenommen hatte.
Grundsätzlich würde ich mir einfach wünschen, auch übrigens für meine Töchter und für so viele andere junge Frauen, die in die Verantwortung gehen, dass man nicht mehr erst ins Wasser springen muss als Frau, nur um zu beweisen, dass man überhaupt schwimmen kann, sondern dass das Wort allein reicht und das Geschlecht dabei keine Rolle spielt.“
Edition F steht seit 2014 für viele der Werte, die Sie beschreiben. Das Magazin, der ständige Austausch mit Leser*innen bei Social Media und das Zusammenkommen auf kleinen und großen Events bilden den Kern. Ist diese Vielstimmigkeit der Grund, warum Sie Edition F zu FUNKE geholt haben?
„Ein ganz klares Ja. Der Weg zu einem diverseren Miteinander führt für mein Verständnis über diverse Berichterstattung. Trotzdem wissen wir von etlichen Erhebungen, dass wir eben nicht dort sind, wo wir sein wollen. Ob beim Film, Fernsehen, in so vielen Printerzeugnissen oder eben auch Online-Produkten. Das Verhältnis der Geschlechter – und das ist mir einfach wichtig zu sagen – ist alles andere als ausgeglichen. Frauen haben immer noch oft nur die Nebenrolle und bedienen vermeintlich weiblich besetzte Expertinnenfelder oder Nischen.
Edition F ist für mich ein Bekenntnis zu weiblichem Journalismus und ein klarer Beitrag für eine gleichberechtigtere Medienwelt. Die Marke selbst steht mit diesen unterschiedlichen und zahlreichen Gesichtern, also vom Onlinemagazin über die starke Community bis hin zum Netzwerken, für einen Zeitgeist, eine Gleichstellung und eine Diversität. Das macht all die Stimmen lauter, die viel zu lange zum Leisesein verdammt waren.“
In diesem Jahr wird Edition F zehn Jahre alt. Die Einbeziehung der Community war von Anfang an wichtig, dazu gehört auch der FFF Day, der dieses Jahr wieder am 12. Oktober stattfindet. Wie haben Sie die Konferenz 2023 erlebt?
„Der für mich erste FFF Day im vergangenen Jahr war ein Fest der Diversität mit großartigen Speaker*innen, mit wirklich tollen, inspirierenden Masterclasses, mit so vielen mutmachenden Worten von starken Politiker*innen. Das war mehr als ein einfaches Event. Es war wie ein Schwur, also wie die Bekräftigung einer großen Aufgabe, mit der wir eher am Anfang stehen.
Starken Worten müssen immer auch starke Taten folgen. Und Werte müssen nicht nur gelebt und ausgebaut, sondern eben auch verteidigt werden; sie müssen die Bubble verlassen und übersetzt werden in den Alltag. Das heißt für mich als Unternehmerin, dass wir uns an jedem Tag wirklich auch fragen: Waren wir hier ein Vorbild? Haben wir unsere Maximen in unsere Entscheidungen miteinfließen lassen? Tun wir wirklich genug für die Gleichberechtigung? Und sind unsere Produkte genau das, was informierte offene Leser*innen brauchen?
Einen Kritikpunkt habe ich: Wir haben beim FFF Day für mein Gefühl eine intellektuelle Abgehobenheit spüren lassen. Es muss ganz klar intellektuell anspruchsvolle Vorträge und Panels geben, zugleich aber auch populäre, unterhaltsamere Inhalte. Der Humor darf nicht zu kurz kommen.“
Das wird er im Jahr 2024 nicht. Es wird einen Comedy-Act geben, Lesungen, eine Creativity Fläche und einen noch stärkeren Fokus auf das Netzwerken. Zugleich zeigt der FFF Day mit seinem Motto „Bridge the Gap“ aber auch in diesem Jahr wieder, dass Feminismus kein Nischen-, sondern ein Querschnittsthema ist. Welche Chancen ergeben sich daraus auch für den gesamten Konzern?
„In einer idealen Welt sollte sich guter Content verschiedenster Produkte aus einem Medienhaus gegenseitig immer befruchten, inspirieren, ergänzen. Feminismus ist nicht nur ein einzelner Themenbereich und geht ganz sicher jeden etwas an, eben auch Männer. Mir persönlich ist es wichtig, dass Gleichberechtigung gelebt und Vielfalt verstärkt wird. Um Leser*innen zu erreichen, muss man sie dort abholen, wo sie stehen. Und daher gilt es, ihre Lebenswelten in der Tiefe zu kennen.
„Wir müssen den Finger an den Puls der Zeit legen, um unsere Werte auch in Zukunft mit Leben zu füllen.“
Julia Becker
Es sollte unser Anspruch sein, Inhalte und Ansprachen genau zu platzieren. Wenn das erfüllt ist, dann kann uns entsprechender Content ganz sicher große Schritte nach vorne bringen. Dazu gehört auch – und das ist ganz wichtig – dass sich ständig darüber ausgetauscht wird und die Vernetzung aller Mitarbeitenden unablässig gegeben ist, das ist für mein Gefühl die Grundlage: also raus aus dem Silo, rein in das gesellschaftliche Denken. Wir müssen den Finger an den Puls der Zeit legen, um unsere Werte auch in Zukunft mit Leben zu füllen.“
Dazu gehört, dass etablierte Strukturen verändert werden und neue Ideen Raum haben. Transformationsprozesse zu vollziehen, braucht oft viel Zeit, gerade in großen Unternehmen. Machen Sie diese Erfahrungen auch, wenn Sie feministische Akzente im Konzern setzen?
„Nicht nur großen Organisationen fällt es schwer, sich zu verändern. Transformation ist auch schon in kleinen Einheiten – das beginnt bei Familie oder im Freundeskreis – nicht immer ein Spaziergang. Die meisten Menschen halten an Gewohntem fest, weil sie das Unbekannte und das Neue verunsichert. Feministische Themen machen da vielleicht wegen der als dogmatisch empfundenen -ismen vielen Menschen noch mehr Angst als andere Themen. Aber in der Mehrheit erlebe ich nach anfänglichem Unbehagen grundsätzlich mehr Zustimmung als Ablehnung. Ich als Verlegerin handele hier aus Überzeugung heraus und kann ziemlich hartnäckig sein, wenn ich etwas für unbedingt wichtig und richtig erachte.
FUNKE hat in den letzten Jahren schon gezeigt, dass wir an etablierten und verkrusteten Strukturen nicht festhalten wollen, dass sie veränderbar sind. Auch wenn es mir gegenüber noch zu häufig heißt ,Das haben wir noch nie so gemacht!’ – das ist genau der Punkt, an dem wir sagen müssen: ,Aber jetzt machen wir es anders!’ Wir müssen diesen Raum für neue Impulse öffnen. Und den kann und sollte jede*r Mitarbeitende für sich nutzen, gestalten, verändern. Das ist für mich keine Einbahnstraße und auch kein von oben auferlegtes Regelwerk.“
In einer Rede im Rahmen des FUNKE Frauennetzwerkes sagten Sie: „Wir können nicht immer nur postulieren, dass wir mit unseren journalistischen Produkten nahe bei den Menschen sein müssen. Wir müssen es auch tun.“ Welche Maßnahmen ergreift FUNKE, um Gleichstellung und Diversität innerhalb des Unternehmens zu fördern?
„Es ist kein Geheimnis: Als ich 2018 Aufsichtsratsvorsitzende wurde, war FUNKE klar maskulin dominiert. Ob im Aufsichtsrat, in unserem Gesellschaftergremium, in der Geschäftsführung, in den Regionalmedien, fast überall. Frauen suchte man in diesen Bereichen vergebens. Heute haben wir in der Unternehmensführung und in den Chefredaktionen große Fortschritte gemacht. Was die paritätische Besetzung angeht, sind wir auf einem guten Weg. Wir kommunizieren das auch als Familie ganz offen, und wir haben uns vorgenommen, dass wir bis 2030 den Frauenanteil in der ersten und zweiten Führungsebene auf 40 Prozent steigern.
Bis Ende des Jahres wird es ein Führungsleitbild geben, das Vielfalt und Toleranz unterstreicht. Die Konzerngeschäftsführung und die erste Führungsebene werden geschult, um für unbewusste Vorurteile und Übergriffe sensibilisiert zu sein und sie zu reduzieren.
Und wir haben mit der neu geschaffenen Stabsstelle Cultural Affairs eine Unit geschaffen, die sich auf die konsequente Etablierung und Umsetzung von Diversitätsstandards konzentrieren soll, bei den Mitarbeitenden und – ganz wichtig – eben auch bei den Produkten.
Im letzten Jahr haben wir YesWeCan!cer übernommen, da wir der Meinung sind, dass auch Krankheit am Arbeitsplatz ein Thema ist, das in den großen Themenkomplex der Diversität und Gleichberechtigung gehört. Dann gibt es ,Mikas Matrix‘, ein feministisch-politischer Podcast. Schon seit 2006 gibt es die Goldene Bild der Frau. Der FFF Day ist neu dazugekommen, und auch die größte Krebs-Convention in Deutschland – die YES!CON. Ich glaube, mit diesen drei Lovebrands haben wir in der Umsetzung solcher Veranstaltungen erlebt, wie viel Großartiges, Kreatives und am Ende dann Neues entsteht, wenn man diese Reicht-doch-noch-Blase verlässt. Wir erschließen neue Zielgruppen, ohne in einer aufgesetzten Jugendsprache den Krankenkassenbeitrag zu erklären, sondern sind wirklich da, wo die Interessen unserer Gesellschaft liegen. Das ist eine Riesenchance.“
Wir merken in der täglichen Kommunikation mit unseren Leser*innen bei Social Media, dass vor allem die ganz jungen Personen sehr viel über gesellschaftspolitische Themen nachdenken, sich aber von den Medien nicht immer dazu abgeholt fühlen. Wie können wir als Medienhaus hier in Verbindung bleiben?
„Wir feiern in diesem Jahr den 75. Geburtstag des Grundgesetzes. Deswegen haben wir gemeinsam mit anderen Medienunternehmen, privaten und öffentlichen Fernseh- und Rundfunkanstalten, dpa und dem Hamburger Senat 2024 zum Jahr der Nachricht in der Initiative Use the News ausgerufen, weil wir jungen Menschen die Relevanz von gutem Journalismus nahebringen wollen. Dazu gibt es seit einigen Wochen tolle News Camps, in denen die jungen Leute lernen können, wie Journalismus funktioniert. Es gibt in diesem Rahmen ein eigenes Social-Media-Programm, über das sich junge User*innen jeden Tag informieren können. Aber eben in einer ganz anderen Art der Ansprache.
Auch ich wurde hier interviewt und es ging schon damit los, dass die junge Frau zu mir sagte: ,Sie müssen mal ein bisschen lockerer antworten. Sie müssen antworten, als würden Sie mit einem 12-Jährigen reden, der eigentlich überhaupt keine Lust hat, Ihnen zuzuhören.‘ Und das ist wichtig, weil sich dann innerlich ein Schalter umlegt. Da fängt es eigentlich an, dass ich mir als Medienverantwortliche meines Auftrages noch mal klar bewusst werde.
Irgendeinen staatstragenden Katalog abfackeln, das kann ich sofort, da können Sie mich nachts wecken. Aber so zu antworten, dass ich weiter interessant bleibe für jemanden, der sich eigentlich denkt: 30 Sekunden sind um, kommen Sie mal auf den Punkt! Ja: Auf den Punkt kommen, die Dinge klar sagen, das ganze Drumherum einfach weglassen – das ist mit Use the News toll gelungen. Wir müssen immer daran denken: Es gibt hier ein gemeinsames Zielfoto, das eint uns mit Politik und Medien und das ist wichtig. Es ist spielentscheidend, ob es gelingt, junge Menschen für den Journalismus zu interessieren. Und davon hängt dann auch die Demokratie und ihre Zukunft ab.“
Viele gerade auch junge Europäer*innen haben bei der Europawahl am 9. Juni für rechte Parteien gestimmt, die AfD ist die zweitstärkste Kraft in Deutschland. Wie begegnen wir diesem sich gerade vollziehenden Rechtsruck journalistisch?
„Die Tendenz zum Extremismus, die wir zurzeit überall in Europa erleben, ist erschreckend. Und als Medienhaus erleben wir diese Entwicklung schon lange auch am eigenen Leib unserer Journalist*innen. Wie häufig werden nämlich genau diese Mitarbeitenden als Vertreter*innen der Lügenpresse, Fake News, Systempresse beschimpft, bedroht und auch geschlagen. Auch in den vergangenen Monaten hat es immer wieder entsprechende Übergriffe gegeben. Für uns bei FUNKE ist Thüringen die am stärksten betroffene Region.
„Nur mit Fakten können wir aufklären und die Menschen dazu bringen, sich ein eigenes, klares Bild von der Lage zu machen.“
Julia Becker
Mich bestärkt das alles darin, weiter für einen unabhängigen Journalismus einzutreten und auch dafür zu kämpfen. Der Journalismus ist der Suche nach der Wahrheit verpflichtet. Und wir müssen dem Extremismus von allen Seiten diese Wahrheit entgegenhalten. Denn nur mit Fakten können wir aufklären und die Menschen dazu bringen, sich ein eigenes, klares Bild von der Lage zu machen. Als Medien haben wir da eine immense Verantwortung.“
Aktuell fällt es also nicht leicht, mit Hoffnung in die Zukunft zu blicken. Würden Sie für uns dennoch versuchen, eine hoffnungsvolle Vision von einer gleichberechtigten Zukunft zu zeichnen?
„Also da bin ich eine ganz klare und überzeugte Optimistin. Ohne jetzt irgendwie naiv erscheinen zu wollen: Ich glaube einfach zutiefst daran, dass am Ende die Vernunft und das Gute immer siegen werden. Wie lange das dauert, was wir bis dahin alles noch aushalten müssen, wovor wir uns bewahren und beschützen müssen – das weiß ich nicht. Ich habe Gott sei Dank all diese Zugänge, in denen ich dann auch persönlich direkt vortragen kann: Leute, besinnt euch bitte auf euren Auftrag und findet zu einer verantwortlichen Regierungstätigkeit zusammen. Tabulos, mutig, konsequent. Es müssen die Herausforderungen unserer Zeit angegangen werden – und nicht wieder mit diesem Söder-Laschet-Gerangel – wer hat es erfunden? Wer wird Kanzler? Heizungsgesetz, Wärmepumpe, monatelang.
Ganz wichtig: Es muss viel besser aus der Politik heraus kommuniziert werden, als die Bundesregierung es aktuell tut. Und ich glaube trotzdem auch hier: Die Bundesregierung macht in vielen, vielen Bereichen und erst recht im Vergleich mit dem Rest des europäischen Spitzenpersonals bei uns einen richtig guten Job. Im Großen und Ganzen bin ich wirklich optimistisch, dass wir es besser hinkriegen. Da wo wir jetzt sind, wollen wir alle raus. Und ich glaube, das ist schon mal ein guter Spirit, der in vielen Bereichen, an vielen Orten und bei vielen Menschen spürbar ist.“
Der FFF Day 2024
Am 12. Oktober 2024 findet der FEMALE FUTURE FORCE DAY im bcc Berlin statt! Unter dem diesjährigen Motto BRIDGE THE GAP werden die allgegenwärtigen Ungleichheiten in nahezu allen Lebensbereichen adressiert: Es geht um Gender Pay Gap, Gender Health Gap, Gender Care Gap, Gender Data Gap und so vieles mehr. Im Austausch mit inspirierenden Speaker*innen, in Paneldiskussionen, Interviews und interaktiven Masterclasses wollen wir die Probleme aber nicht nur benennen, sondern Lösungen erarbeiten und Wege aufzeigen, die die Brücken in eine gerechtere, inklusivere Welt schlagen können. Zu den Tickets