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Das Risiko des Neuanfangs im Job: So lernst du einzuschätzen, ob es sich lohnt

Wenn du große Chancen ergreifen willst, musst du lernen Risiken einzugehen – und zwar am besten intelligente Risiken.

 

Nur Mut 

Weiterentwicklung, Veränderung und Proaktivität erfordern meist das Eingehen von gewissen Risiken. Man muss sich von bekannten Denk- und Handlungsweisen lösen, gegebenenfalls Job, Stadt und das gewohnte Umfeld verlassen. Die Komfort-Zone sowieso. Soll ich den neuen Job annehmen, oder nicht? Was, wenn ich der Herausforderung nicht gewachsen bin? Was, wenn mich die Kollegen nicht mögen? Ein großes Risiko – Oder doch nicht? 

Als Unternehmerin und Gründerin werde ich von außen immer wieder mit der Risikofrage konfrontiert. Selbständig? Unternehmerin? Keinen festen 9-5-Job? Wenn ich dann noch erzähle, dass ich mein Geld selbstständig in ETFs anlege und nicht mehr rentenversichert bin, halten mich einige für verrückt. Das ist doch alles höchst riskant! Wirklich? 

Was ist eigentlich Risiko?

In seinem Buch „The Start-up of You: Adapt to the Future, Invest in Yourself, and Transform Your Career” liefert LinkedIn-Gründer Reid Hoffman eine schöne Definition von Risiko: 

”’Risk’ [in a career context] is the downside consequences from a given action or decision, and the likelihood that the downside occurs.”



Beispiel Flugreisen: Das Fliegen mit einem Passagierflugzeug ist nicht riskant. Denn während ein Absturz zwar ein absolutes Horror-Szenario darstellt, ist die Wahrscheinlichkeit des Eintretens dieses Ereignisses sehr gering. Gleichzeitig ist der Nutzen von Flugreisen enorm hoch. Es besteht also ein gewisses Risiko, wenn du ein Flugzeug besteigst, aber Flugreisen sind nicht per se riskant.

Risiko ist nunmal allgegenwärtig – beim Überqueren einer Ampel, beim Joggen im Park, beim Autofahren. Sogar Inaktivität kann riskant sein: Wenn du krank bist und nicht zum Arzt gehst, gehst du ein Risiko ein. In einer Welt, die sich ständig und schnell wandelt, gehst du ebenfalls ein Risiko ein, wenn du zu statisch bist. Vor allem, was deine Karriere angeht.

Risiko beurteilen und managen

Deine Risikobereitschaft ist immer abhängig von dir als Person und von der gegenwärtigen Situation. Manche Menschen sind dazu bereit ein vermeintlich hohes Risiko einzugehen, um eine Firma zu gründen. Andere würden nicht mal im Traum auf die Idee kommen, sich auf etwas einzulassen, das kein stabiles Gehalt garantiert. Mit Mitte 20 und ohne Verantwortung für eine eigene Familie und in bester körperlicher Verfassung ist das Risiko einer Unternehmensgründung deutlich geringer als mit Ende 30 und zwei Kindern, die versorgt werden müssen. 

Mit Anfang 30 ist dein persönliches Risiko bei der langfristigen Geldanlage geringer als mit Ende 50, weil du mehr Zeit hast Kurskorrekturen auszugleichen.  Da sich unsere Welt so schnell ändert, kann ein heutiges Risiko morgen keins mehr oder ein noch viel größeres sein. Da es weder Patentrezept noch mathematische Formel für die Einschätzung von Risiken gibt, hier ein paar Ansätze, um sie zu beurteilen und intelligente Risiken zu identifizieren.

1. Es wird meist nicht so schlimm, wie du denkst

Wir machen uns viel zu viele Sorgen! Das Meiste davon trifft eh nicht ein. Getrieben vom „negativity bias” haben wir Angst vor der Reaktion unseres Chefs anstatt davon auszugehen, dass er von unserer Arbeit angetan sein wird. 

Auch bei der Geldanlage gehen wir meist vom Schlimmsten aus: Es wird bestimmt zum Crash kommen! Dass der durchschnittliche Trend bei Aktien seit Jahrzehnten nach oben zeigt, wollen viele gar nicht erst wissen. Vieles wird anders kommen, als du es geplant hast, aber es wird nicht so schlimm werden, wie du befürchtest. Leichter gesagt, als getan, I know. Aber vielleicht denkst du zwischendurch mal dran.

2. Ist das Worst-Case-Szenario tolerabel oder nicht?

Anstatt meterlange Pro-und Kontralisten zu erstellen, solltest du folgendes tun: Überlege dir, wie das Worst-Case-Szenario aussehen würde und, ob du es tolerieren könntest. Beispiel von mir: Ich hatte eine gut bezahlte, unbefristete Stelle in Hamburg, als mir der Gedanke kam ein Unternehmen zu gründen. Was war das Worst-Case-Szenario? Mein Vorhaben scheitert und ich muss mich wieder anstellen lassen. Für mich ein ziemlich gut zu verkraftendes Szenario. Nicht schön und seelisch schmerzhaft, aber total tolerabel. Was kann dir im Worst-Case passieren? Dass du die Gehaltserhöhung nicht bekommst nach der du gefragt hast? Dass deine Kollegen über dich tratschen, wenn du die Präsentation verhaust? Dass dir dein neuer Job nicht gefällt und du dir einen anderen suchen musst? Dass dein Unternehmen scheitert und du Pizza ausfahren musst? Dass dein Aktien-Depot vorübergehend in den roten Zahlen steckt? Kannst du damit leben?

3. Kannst du deine Entscheidung jederzeit revidieren?

Angenommen, du entscheidest dich für den neuen Job, das neue Land oder das Investment. Und angenommen, diese Entscheidung stellt sich im Nachhinein als nicht sonderlich smart heraus, beispielsweise weil du es dir anders vorgestellt hattest oder sich externe Faktoren geändert haben. Gibt es dann die Möglichkeit zügig auf Plan B umzuschwenken? Beispiel: Duales Studium inklusive vier Jahren Verpflichtung in der Firma zu bleiben, klingt nicht nach schnellem Umschalten auf Plan B. Wenn du nach zwei Jahren feststellst, dass es doch nicht so toll ist oder sich auf dem Weg eine andere, viel bessere Möglichkeit auftut – tja, bad luck. Du kommst aus dem Vertrag nicht so einfach raus. Das nenne ich mal ein Risiko! Chancen auf ein schöneres Leben nicht ergreifen zu können! Lange Bindungen erscheinen uns intuitiv als sicher, oftmals limitieren sie uns aber.

Thema Aktien: Das schöne an Aktien (bspw. im Vergleich zu Immobilien oder Rentenversicherungen) ist, dass du sie jederzeit mit wenigen Klicks verkaufen oder kaufen kannst. Du musst dich also nicht lange binden und kannst dein Geld abziehen und anders investieren, wann du möchtest. 

4. Unsicherheit ist nicht gleich Risiko

Sheryl Sandberg ist von ihrem Job in Washington ins Silicon Valley zu Facebook umgesiedelt. Natürlich gab es dabei zahlreiche Unsicherheiten: „Wie ist es dort? Werde ich schnell Fuß fassen können? Könnte mein Ruf leiden, wenn Google sich als Fail entpuppt?” Diese Gedanken wird sie sich sicherlich gemacht haben. Aber wie groß war das Risiko tatsächlich? Sie hat sich nicht langfristig gebunden, sie hätte jederzeit einen Plan B verfolgen können und der Worst-Case wäre ein weiterer Jobwechsel gewesen. Wir tendieren dazu Dinge, die nicht zu 100 Prozent klar sind, als risikoreich einzustufen, sie sein zu lassen und dadurch große Chancen zu verpassen. Unsicherheit ist nicht gleich Risiko. Und außerdem: Was ist schon sicher im Leben?!

5. Kleine Feuer verhindern große Brände

In seinem Buch „Der Schwarze Schwan: Die Macht höchst unwahrscheinlicher Ereignisse” behandelt Nassim Taleb unvorhersehbare Ereignisse mit extremen Folgen. Die Anschläge vom 11. September, der Börsencrash 1987 und der Tsumani 2004 sind Beispiele für schwarze Schwäne. Unsere Wirtschaft, Politik und der Jobmarkt werden noch viele plötzliche Schocks für uns bereithalten. Was tun? Kopf in den Sand und alle Beamte werden? Nicht nötig. Intelligenter: Resilienz entwickeln. Flexibel bleiben, volatil sein. 

Taleb schreibt in seinem Buch, dass je weniger volatil eine Umgebung ist, desto mehr Schaden kann ein schwarzer Schwan anrichten. Kleine Feuerchen (eine verhauene Gehaltsverhandlung, Launch eines Produktes, das keiner kauft, 1.000 Euro Aktieninvestment in den Sand gesetzt), sorgen dafür, dass wir flexibel bleiben und im Falle eines Schocks reagieren können anstatt unterzugehen. Das bringt uns zum nächsten Thema: Selbständigkeit vs. Festanstellung.

Ist eine Selbständigkeit risikoreicher als eine feste Stelle?

Den Angestellten bei General Motors wurde de facto ein Job auf Lebenszeit garantiert. Im Jahr 2008 wurden 47.000 (!!!) Menschen entlassen. Auch die meisten Angestellten bei HP dürften damit gerechnet haben, für immer bei HP arbeiten zu können – dann kamen Apple und Microsoft. HP musste 2006 25.000 Angestellte entlassen. General Motors, HP, Kodak, Nokia, Schlecker, Karstadt. Es passiert immer wieder und wird es auch in Zukunft. Wie muss das wohl für jemanden sein, der sein ganzes berufliches Leben auf einen Konzern, eine Branche, einen Kollegenkreis und sein persönliches Skill Set auf eine Tätigkeit konzentriert hat? Und dann, zack: arbeitslos. Unvorstellbar. Klingt das nach einem geringen Risiko für dich?

Nehmen wir eine festangestellte Immobilienkauffrau und eine selbständige Immobilien-Maklerin. Die Maklerin hat kein festes Einkommen. Mal gar keins, dann wieder richtig hohe Summen. Sie muss sich durchbeißen, muss Kontakte knüpfen, ein Netzwerk aufbauen, besser als die Konkurrenz sein, sich weiterentwickeln, den Markt lesen, Chancen sehen und Möglichkeiten finden, Geld zu verdienen. Die Angestellte hat es gemütlich: Feste Arbeitszeiten, geregeltes Einkommen, keine Höhen und Tiefen. Bis zur Immobilienmarktkrise – ein schwarzer Schwan. Wer wird diesen Schock besser verdauen? Unsere Immobilienkauffrau ohne antrainierte Überlebensstrategien, ohne kleine Brände, ohne Netzwerk, ohne diversifiziertes Skill Set? Oder unsere Maklerin, die in der Vergangenheit immer kleine Brände gelöscht, sich ein Netzwerk aufgebaut und sich stetig weitergebildet hat? Ich würde mein Geld auf die Maklerin setzen.

Fazit

Risiko ist per se nichts schlechtes und wir können Risiken nicht komplett verhindern. Sie sind nunmal Teil unseres Lebens. Immer wieder kleine Risiken einzugehen, hilft dir flexibel in Bezug auf große Ereignisse reagieren zu können. Du musst gewisse Risiken eingehen, um große Möglichkeiten wahrnehmen zu können – bspw. Geld in Aktien zu investieren, um es zu vermehren. Wenn die Vorteile überwiegen, wenn du deine Entscheidung jederzeit revidieren kannst und wenn der Worst-Case tolerabel ist, handelt es sich höchstwahrscheinlich um ein intelligentes Risiko.

Oftmals erscheinen uns Dinge „sicher”, die es gar nicht sind. Und oftmals liegt das Risiko doch woanders als wir denken. Fest steht: Wer ständig versucht Risiken aus dem Weg zu gehen, verpasst große Chancen. Sei in Bewegung, arbeite an kleinen Nebenprojekten, bilde dich weiter und gib’ richtig Gas. Es wird besser als du denkst!

Dieser Artikel ist zuerst bei Madame Moneypenny erschienen. Wir freuen uns, ihn auch hier veröffentlichen zu können. 

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