Im Job wie in jeder Beziehung kann es Konflikte geben. In solchen Krisensituationen geraten gerade Berufseinsteiger schnell in die Defensive. Dabei ist es wichtig, seine Rechte als Arbeitnehmer zu kennen. Das sind die wichtigsten.
Vertrag, Überstunden, Hiwi-Arbeit, Urlaub: Das dürft ihr
Ihr habt alle Hürden gemeistert – Bewerbung, Vorstellungsgespräch, Gehaltsverhandlungen – und den Traumjob an Land gezogen. Im Idealfall ein Aufstieg: eine neue Herausforderung, mehr Geld, ein Schritt nach oben. Voller Elan marschiert ihr in die neue Firma und macht euch mit Eifer an die Arbeit. Für Freude im Job gibt es trotzdem keine Garantie.
Im Beschäftigungsverhältnis kann es wie in jeder Beziehung Konflikte geben. In solchen Krisensituationen geraten gerade Berufseinsteiger schnell in die Defensive. Dabei ist es wichtig, seine Rechte als Arbeitnehmer zu kennen. Wir haben Experten nach den wichtigsten gefragt. Felix Mescoli von unserem Partner Business Insider hat sie zusammengefasst.
Ihr habt ein Anrecht auf einen schriftlichen Arbeitsvertrag
Unglaublich, aber wahr: Viele Arbeitnehmer in Deutschland haben keinen schriftlichen Arbeitsvertrag.
Das ist im Grunde kein Problem, da die Begründung eines Arbeitsverhältnisses wie alle Verträge nicht der Schriftform bedarf (BGBl. I S. 1348, 1355). Schwierigkeiten gibt es jedoch, wenn während des Arbeitsverhältnisses zwischen euch und dem Chef Meinungsverschiedenheiten aufkommen.
Etwa darüber, ob euch Überstundenzuschlag, Urlaubsgeld oder andere Leistungen zustehen. Wurde die Zusage darüber nur mündlich gemacht, werdet ihr es schwer haben, diesen Anspruch zu beweisen.
Deswegen gibt es das Nachweisgesetz (BGBl. I S. 946). Es verpflichtet jeden Arbeitgeber, dem Arbeitnehmer bis spätestens einen Monat nach Arbeitsbeginn eine unterzeichnete Niederschrift aller wesentlichen Vertragsbedingungen zu übergeben.
Das Schriftstück sollte folgende Punkte klären: „Wer ist mein Arbeitgeber, wie setzt sich mein Gehalt zusammen und wie lange gilt mein Arbeitsvertrag“, empfiehlt Thomas Faulstroh, Richter am Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein. Weitere wichtige Punkte seien der Ort der Beschäftigung, eine Beschreibung der Tätigkeit, Arbeitszeit, Urlaubsdauer, Kündigungsfristen sowie Hinweise auf geltende Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen.
Ihr seid nicht verpflichtet, eure private Handynummer herauszugeben
Viele Arbeitnehmer nehmen selbst nach Feierabend oder im Urlaub dienstliche Anrufe entgegen. Dabei müssten sie das rechtlich gesehen nicht. Denn eure private Telefonnummer, egal, ob Handy oder Festnetz, ist genau das: privat. Herausgeben müsst ihr sie der Firma gegenüber nicht.
„Zu den Personaldaten, die ein Arbeitgeber erheben, speichern und im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses verarbeiten darf, gehört die Anschrift“, sagt Christian Storr, Referent beim Landesbeauftragten für den Datenschutz Baden-Württemberg. Die privaten Kommunikationsmittel gehörten hingegen zur geschützten Privatsphäre des Beschäftigten. „Was auch ein Arbeitgeber zu respektieren hat“, stellt Storr klar. Gleiches gilt übrigens für eure E-Mail-Adresse.
Zudem hat der Arbeitgeber auch nach dem Arbeitszeitgesetz nicht das Recht, permanente Erreichbarkeit zu verlangen: „Grundsätzlich gilt für Arbeitnehmer eine Höchstgrenze von 8 Arbeitsstunden pro Werktag“, sagt Jens Pfanne, Rechtsberater beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). „Sobald der Beschäftigte seine arbeitsvertragliche Pflicht in diesem Umfang gegenüber dem Arbeitgeber erfüllt hat, ist seine Arbeitszeit beendet.“
Das Diensthandy kann nach Feierabend abgeschaltet werden
Auch wenn ihr ein Diensthandy habt, bedeutet das keineswegs, dass ihr 24 Stunden erreichbar sein müsst.
Sofern es im Arbeitsvertrag oder durch eine Betriebsvereinbarung keine weitergehende Vereinbarung gibt, könnt ihr euer Handy abschalten, sobald ihr aus dem Büro geht.
Anders liegt der Fall, wenn euer Job erfordert, dass ihr auch nach Feierabend erreichbar seid – etwa wegen Rufbereitschaft. „Das kommt zum Beispiel in der Pflege, in Krankenhäusern oder auch bei technischen Servicedienstleistern in Betracht“, sagt Arbeitsrechtsexperte Jens Pfanne. Hier könne der Arbeitgeber im Einzelfall auch die private Telefonnummer oder E-Mail-Adresse verlangen, ergänzt Datenschützer Christian Storr.
In der Freizeit müsst ihr keine Firmen-Mails bearbeiten
Wer zu Hause auf dem Sofa sitzt oder im Ski-Urlaub ist, muss grundsätzlich keine Mails checken. „Das würde zu einer Beeinträchtigung des Freizeitempfindens und Freizeitverhaltens des Beschäftigen führen“, sagt Datenschützer Christian Storr. Auch hier greift der gesetzliche Schutz des Privatlebens.
Hinzu kommt: „Auch das Bearbeiten dienstlicher E-Mails oder das Telefonieren mit Kunden dient dem Interesse des Arbeitgebers und ist damit Arbeit“, sagt DGB-Rechtsberater Jens Pfanne.
Ist der Feierabend eingeläutet, könnt ihr euch folglich komplett auf eure Freizeit konzentrieren. Wer sich dennoch drängen lässt, nach Feierabend oder im Urlaub dienstliche Mails zu bearbeiten, muss die dafür aufgewandte als Überstunden bezahlt oder mit Freizeit ausgeglichen bekommen.
Wohin ihr in den Urlaub fahrt, ist Privatsache
Für die Hoteladresse im Urlaubsort gilt dasselbe wie für die Handynummer: Ihr könnt sie für euch behalten. Ihr seid nicht verpflichtet, dem Vorgesetzten mitzuteilen, wie ihr im Urlaub zu erreichen seid.
„Zu welchem Zweck der Arbeitnehmer den Urlaub nutzt, ist allein seine Sache. Der Arbeitgeber hat keinen Anspruch darauf, über den aktuellen Aufenthaltsort während des Urlaubs informiert zu werden“, sagt DGB-Jurist Jens Pfanne.
Ihr musst also nicht gewährleisten, auch im Urlaub erreichbar zu sein. „Vielmehr muss der Arbeitgeber durch interne Vertretungsregelungen dafür sorgen, dass es nicht notwendig ist, auf den Arbeitnehmer während des Urlaubs zurückgreifen“, so Pfanne. Ob ihr für Anfragen bereit stehen möchte, liegt also ganz bei euch.
Und: wer doch einmal einspringt, weil er Herrschaftswissen hat oder es einen Notfall gibt, musst keinesfalls umsonst schuften. Ein durchgearbeiteter Urlaubstag muss entweder bezahlt oder nachgeholt werden.
Der Arbeitgeber darf euch in sozialen Netzwerken nicht nachspionieren
Arbeitgeber suchen im Internet gezielt nach Informationen über Bewerber. Sofern sie sich dabei Profile und Einträge auf berufsorientierten Internetseiten wie Xing und LinkedIn anschauen, ist das völlig in Ordnung. Denn „die jeweilige Person veröffentlicht ihr Profil dort ja gerade, damit potentielle Arbeitgeber sie finden“, sagt Datenschützer Christian Storr.
Anders sieht es bei Instagram und Co. aus: „Recherchen des Arbeitgebers in sozialen Netzwerken wie zum Beispiel Facebook, Google+ oder Twitter sind unzulässig.“ Denn: Internetrecherchen dürfen die Grenzen des Arbeitgeber-Fragerechts (etwa bei Bewerbungsgesprächen) nicht überschreiten. Personaler dürfen im Vorstellungsgespräch z.B. nicht nach Hobbies fragen oder danach, wie ihr die Freizeit verbringt.
Bereits Beschäftigten dürfen Arbeitgeber im Internet schon gar nicht hinterherschnüffeln, weil personenbezogene Daten immer nur direkt erhoben werden dürfen (§ 4 Absatz 2 Satz 1 BDSG). Einzige Ausnahme: Wenn es Hinweise gibt, dass ein Mitarbeiter mit negativen Posts gegen seine Treue- und Loyalitätsplicht verstößt. Denn es gehört zu seinen Pflichten, „diffamierende oder ehrverletzende Äußerungen beziehungsweise gar unwahre Tatsachenbehauptungen über den Arbeitgeber in der Öffentlichkeit zu unterlassen“, sagt Storr.
Auch Minijobber haben Anspruch auf bezahlten Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
Ihr arbeitet, um das Studium zu finanzieren oder habt einen Nebenjob auf 450-Euro-Basis? Dass ihr einer sogenannten geringfügig entlohnten Beschäftigung nachgeht, bedeutet nicht, dass der Arbeitgeber euch während des Urlaubs oder an Krankheitstagen keinen Lohn zahlen muss.
Denn jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. „Minijobs sind eine reine Sozialversicherungsthematik“, sagt Arbeitsrichter Thomas Faulstroh. „Ansonsten ist das ein Arbeitsverhältnis wie jedes andere auch“, betont er. „Selbst wer nur drei Stunden am Tag arbeitet, hat selbstverständlich Anspruch darauf, dass diese drei Stunden bezahlt werden, auch im Urlaub oder bei Krankheit.“
Ihr müsst keine Aufgaben erfüllen, die unter eurer Gehaltsklasse liegen
Die Frage, welche Aufgaben zu eurem Job gehören, ist nicht immer ganz leicht zu beantworten. Denn im Arbeitsvertrag werden oft lediglich Art und Umfang der zu verrichtenden Arbeit geregelt. Eine genaue Arbeitsplatzbeschreibung mit allen Einzelheiten der zu erbringenden Arbeitsleistung gibt es in vielen Firmen nicht.
Im Zuge seines Direktionsrechts (Paragraf 106 der Gewerbeordnung) kann euch der Arbeitgeber immer bestimmte Aufgaben zuweisen oder auch entziehen. „Der Arbeitgeber darf dem Arbeitnehmer aber keine Tätigkeit mit geringerer Vergütung zuweisen“, sagt Arbeitsrichter Thomas Faulstroh. Das gilt selbst dann, wenn die bisherige Vergütung fortgezahlt wird. Ihr werdet als Vertriebsleiterin also nicht den Hof kehren müssen. Von der Assistenz der Geschäftsleitung kann der Boss aber durchaus verlangen, den Kaffee fürs nächste Meeting zu kochen.
Arbeitnehmer-Anwalt Jens Pfanne empfiehlt, „die Aufgaben des Arbeitnehmers möglichst genau in den Arbeitsvertrag aufzunehmen.“ Im Konfliktfall müsse man die Angelegenheit eben ausdiskutieren.
Belastungen, die über den Vertrag hinausgehen, müssen nicht klaglos hingenommen werden
Wenn der Chef von euch Leistungen verlangt, die über die vertraglich geschuldete Arbeit hinausgehen, „sollte man den Arbeitgeber auf die arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften hinweisen“, sagt DGB-Arbeitsrechtsexperte Jens Pfanne.
Ein Dauerbrenner sind hier zum Beispiel Überstunden: Zwar darf die Arbeitszeit ausnahmsweise auf 10 Stunden pro Tag erweitert werden. „In einem solchen Fall dürfen in einem Zeitraum von 6 Monaten jedoch 8 Stunden im Durchschnitt nicht überschritten werden“, sagt Pfanne.
Darüber hinaus steht jedem Beschäftigten bis zum nächsten Arbeitseinsatz eine gesetzliche Ruhezeit von mindestens 11 Stunden zu. Das gilt auch, wenn im Arbeitsvertrag eine gewisse Anzahl von Überstunden festgeschrieben ist. „Es kommt also auf den Einzelfall an, ob das Verlangen des Arbeitgebers berechtigt ist“, sagt Pfanne.
In der Praxis sei es schwer, sich gegen zu viel Arbeit zu wehren, räumt der Arbeitsrechtler ein. Betroffenen rät er, die Angelegenheit mit dem Betriebsrat zu besprechen oder sich an die Rechtsexperten der Gewerkschaften zu wenden.
Im Personalgespräch darf der Chef nur über das bestehende Arbeitsverhältnis reden
Bestellt euch der Arbeitgeber zum Personalgespräch, gelten dafür zwei Voraussetzungen: Es muss dafür einen sachlichen Grund geben und er darf dabei nur über Inhalte eurer bestehenden Arbeitsverhältnisse sprechen.
Dazu gehören etwa Arbeitszeit, Arbeitsort, Tätigkeit, Vergütung, die Ordnung und das Verhalten im Betrieb.
Keine Pflicht zur Teilnahme am Personalgespräch besteht folglich, „wenn der Arbeitgeber über etwas anderes sprechen will — insbesondere über eine Änderung des bestehenden Vertrages oder gar über dessen Beendigung“, sagt Arbeitsrichter Thomas Faulstroh und verweist auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG 23.6.2009 — 2 AZR 606/08).
Schon gar nicht solltet ihr irgendetwas unterschreiben: „Als Arbeitnehmer sollte man während eines Arbeitsverhältnisses nur ein einziges Mal den Kugelschreiber zur Hand nehmen — bei Abschluss des Arbeitsvertrages“, sagt Faulstroh.
Nicht zum Personalgespräch einbestellen darf der Chef übrigens während Freizeit oder einer Krankheit – und schon gar nicht wegen einer solchen. Da also nicht jedes Personalgespräch verpflichtend ist, habt ihr natürlich auch Anspruch darauf, vorab zu erfahren, worüber genau euer Arbeitgeber mit euch reden will.
Wer eine Abmahnung bekommt, hat das Recht auf Gegendarstellung
Wer aus irgendeinem Grund eine Abmahnung bekommt, hat in jedem Fall das Recht, seine Sicht der Dinge zu schildern.
„Wir haben sehr viele Verfahren, in denen sich Arbeitnehmer gegen Abmahnungen wehren“, sagt Arbeitsrichter Thomas Faulstroh. „Dabei ist eine Klage nur die zweitbeste Möglichkeit dazu.“ Als Arbeitnehmer habe man das Recht zur Gegendarstellung und diese müsse dann auch zur Personalakte gelegt werden.
Da eine Abmahnung meist keine unmittelbaren Folgen habe, „ist dann erstmal wieder alles im Gleichgewicht. Ein Rechtsstreit hingegen bringe meist „Stress ins Arbeitsverhältnis“, so Faulstroh.
Auch für eine Kündigung in der Probezeit gibt es Spielregeln
Wird euch in der Probezeit gekündigt, also während der ersten sechs Monate eines Arbeitsverhältnisses, muss dafür kein Grund vorliegen.
Trotzdem müssen Arbeitgeber auch bei einer Probezeitkündigung gewisse Spielregeln beachten: Die Kündigung darf nicht sittenwidrig sein oder gegen das Maßregelungsverbot verstoßen. Das wäre etwa dann der Fall, wenn ihr eine Kündigung bekommt, weil ihr die Zahlung des Mindestlohns eingefordert habt. Auch darf die Entlassung nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (BGBl. I S. 1897) verstoßen. Man darf euch etwa nicht wegen des Alters kündigen oder weil ihr schwanger seid. „Würde ein solcher Grund genannt, wäre die Kündigung anfechtbar“, sagt DGB-Arbeitsrechtler Jens Pfanne.
Ein letzter Tipp
Im Hinblick auf die eigene Karriere oder das Standing bei den Kollegen, empfiehlt es sich sicher nicht, kleinlich auf jedes Recht zu beharren.
Wenn aber wirklich etwas im Argen liegt, solltet ihr versuchen, das offene Gespräch mit dem Chef, dem Betriebsrat oder dem Datenschutzbeauftragten eures Unternehmens zu suchen.
Ihr stoßt beim Vorgesetzten auf taube Ohren, die genannten Institutionen gibt es in eurem Betrieb nicht? Dann hilft die jeweilige Gewerkschaft (sofern ihr dort Mitglied seid) oder ein kompetenter Fachanwalt.
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