Foto: Abo Ngalonkulu | Unsplash

Mein Motto für 2017: „Sich gegenseitig supporten und auf die Kacke hauen”

Beim Event „Hamburgs starke Frauen” von Edition F wird klar: Um Hilfe bitten und uns gegenseitig unterstützen, das ist die Kraft, mit der wir vorwärts gehen und uns verwirklichen können.

 

Muss ich alles allein schaffen?

In meinem Leben ist es immer wieder Thema, aber gerade bin ich bei dem tollen Edition F – Event  „Hamburgs starke Frauen“ im Mindspace Hamburg auch wieder drauf gestossen: Um Hilfe bitten, bitte! Ach ja …

Was ist das nur mit diesem Alles-Alleine-Machen-Wollen? Alles schaffen,
am besten gestern, und bitte ohne Hilfe, damit niemand auf den Gedanken
kommen könnte, man wäre schwach. 
Dabei ist um Hilfe bitten notwendig, wenn man seinen Weg gehen will, das wurde auch im Laufe des Abends sehr klar. Da waren fünf tolle Frauen auf dem Panel im Gespräch – und 250 tolle Frauen hörten gespannt zu, als Sanja Stankovic (Gründerin Digital Media Women & Hamburg Startups), Lisa Van Houtem (Gründerin femtastics), Ninon Götz (Gründerin Très Click) und Melodie Michelberger (Gründerin TRUST THE GIRLS) mit Nora-Vanessa Wohlert zusammen saßen. Der Abend war gut organisiert und schön vorbereitet – und vor allem waren vier unglaublich interessante Frauen an den Mikros. Fast alle von ihnen Mamas, die darüber berichteten, wie das Leben so als Gründerin ist – nämlich häufig alles andere als einfach.

Aber – und da waren sich alle einig – besser als die feste Arbeit im Verlag 
(oder anderswo). Die Arbeit mit Kollegen, die man sich nicht aussuchen kann, mit unkreativen Arbeitsaufgaben und vor allem mit einer Blockade-Haltung von Seiten der Chefs, was neue Ideen und andere Wege angeht. Darunter haben sie alle gelitten. Und dieser Leidensdruck, so meinte Sanja Stankovic dann auch, der wäre es gewesen, der sie am Ende dazu gebracht hätte, sich an die Verwirklichung ihrer Träume zu wagen.


Das Panel in Hamburg. Quelle: Maren Hoff)

Wenn der Leidensdruck groß genug ist 

Es nicht mehr auszuhalten, etwas anderes machen zu müssen, weil dann die Seele nicht mehr mitmacht, das spüren wir alle immer wieder. Ich selbst hatte das Gefühl ebenfalls extrem vor ein paar Jahren. Mir war schlecht bei der Arbeit. Ich war verzweifelt, weil ich das Gefühl hatte, unheimlich viel meiner Zeit in Projekte zu stecken, die mich erstens nicht glücklich machten und andererseits – und das war viel schwerwiegender – mich vollkommen von meinem gewünschten Lebensweg und meiner selbstgesetzten Aufgabe abbrachten. Ich kann auch mal unglücklich (oder sagen wir, genervt) arbeiten – wenn ich innerlich weiß wofür, wenn ich weiß, dass es mich weiterbringt, dass es sinnstiftend ist und grundsätzlich meiner Arbeit dient. Meiner Arbeit, die wichtig ist für andere Menschen und für mich.

Wenn das alles fehlt, dann kann es zum Burnout kommen, ein Phänomen, das
vor allem in westlich geprägten Industrie-Staaten stark zugenommen hat.
Ich habe selbst keines gehabt, aber ich kenne Freundinnen, die mindestens hart
darauf zu schlitterten. Und dass ich mit Magenschmerzen auf der Arbeit
saß, kam mir auch nicht als wahrhaft rosiges Zeichen vor. In vielen
Gesprächen mit einer Freundin habe ich dann den Entschluss gefasst,
grundsätzlich etwas zu ändern. Soll ich ehrlich sein? Ich hatte die
Hosen gestrichen voll. Ich musste mich einfach von Arbeitgebern verabschieden,
aber auch aus alten Projekten und von langjährigen Wegbegleiterinnen und
Kolleginnen.

Gegenseitig Mut machen 

Ich weiß nicht, ob ich den Schritt gewagt hätte, ohne die Unterstützung von wirklich guten Freundinnen und den Frauen, mit denen ich mich regelmäßig treffe. Sie alle haben mich gehalten, unterstützt und auch mal einfach umarmt. Sie haben die Fahne hochgehalten. Sie haben an mich geglaubt. Melodie Michelberger wurde auf dem Panel gefragt, was ihr Trick war, um das alles zu schaffen. Das alles – das meint, zu gründen, als alleinerziehende Mutter und nach einem schwerwiegenden Burnout. Ihre Antwort, ganz schlicht: „Um Hilfe zu bitten.“

Die Einzelkämpfer-Rolle aufgeben 

Die meisten von uns sind groß geworden mit einem Frauenbild, dass unbedingt konträr zur klassischen Haus- und Herdrolle steht. Eigene Arbeit, eigenes Geld, größtmögliche Unabhängigkeit von Männern. Größtmögliche Unabhängigkeit insgesamt. Auch von anderen, die vielleicht helfen könnten, unterstützen, beraten. Gleichzeitig sind viele alte Anforderungen geblieben. Meistens wird die
Überforderung damit dann perfekt. Zu sagen „Ich stecke fest, bitte hilf
 mir“ oder auch schlicht „Kannst du mir eine Suppe kochen?“ fällt uns oft erst ein, wenn sonst gar nichts mehr geht.

Ich schaffe das auch nicht immer – oft erst dann, wenn der Leidensdruck zu groß wird. Dabei wünsche ich mir für mich selbst, einfach mal früher um Hilfe zu bitten. Bevor ich am Limit bin. Nun stand ich am Dienstagabend mit diesen vielen schönen Frauen im Mindspace, und sah die stark wirkende und vorwärts gehende, leuchtende Melodie Michelberger (aka Melanie-Jasmin Jeske) vorne, die davon spricht, wie wichtig es ist, um Hilfe zu bitten. „Danke“, möchte ich rufen, denn ich weiß wie wichtig ist, Hilfe auch annehmen zu können, voller Dankbarkeit und Freude, ganz ohne schlechtes Gewissen.

Die Stärkste hilft den anderen 

In anderen Kulturen ist ein ungefragter Support selbstverständlicher. Und
unter Männern ist gegenseitige Unterstützung in vielen Bereichen ebenfalls klarer organisiert, hat mir ein Kollege verraten. „Seilschaft“ nennt man das auch, eine grundlegend sehr positive Sache, die leider sehr negativ besetzt ist.

„Seilschaft” bedeutet: Gegenseitige Hilfe, durch Wissensweitergabe, Support bei der Stellensuche, Geldinvestitionen. „Seilschaft” – aus dem Klettern entlehnt – bedeutet aber zuerst einmal: Einer klettert „vor” und sichert den Weg für alle. Damit löst man sich ab. Wer gerade am kräftigsten ist, wer sich mit schwierigen Stellen gut auskennt, der klettert vor. Da wird auch nicht lange diskutiert. Auf diese Weise erreichen alle sicher den Gipfel. Unausgesprochene Solidarität kann man dazu auch sagen.


Die Autorin mit Daniela Batista dos Santos von „The circle of wonderwomen” bei Edition F. Quelle: Maren Hoff

Hilfe als etwas schönes begreifen

Solche Seilschaften können wir uns, finde ich, wieder viel mehr gönnen. Gerade auch als Frauen. Und den Support einfach geniessen. Ich habe zum Beispiel gemerkt, dass ich wieder viel leichter und beflügelter arbeiten kann, wenn ich Unterstützung erfahre. Und die Großzügigkeit sofort auch anderen gegenüber auslebe. Das ist wie eine Wellenbewegung, die sich unendlich fortsetzen kann.

Tollen female support bekommt man in Hamburg zum Beispiel bei der wunderbaren Daniela Batista dos Santos mit „The circle of wonderwomen“ und bei Mira Michelle Jones mit „sacred female rising“.

Dort wird genau das gelebt, was Melodie Michelberger schon 2015 in einem Interview mit femtastics ausgedrückt hat:

„Machen und Mut haben. Ja! Und mal laut sein und sagen, was für geile Sachen passieren. Sich supporten und auf die Kacke hauen.

Das ist dann auch mal ein super Motto für 2017: „Sich supporten und auf die Kacke hauen” – Ich bin dabei! Wer macht mit?


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