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Die Snooze-Funktion ist unser Feind – so können wir sie besiegen

Die meisten Menschen kennen den inneren Kampf am Morgen, wenn alles in einem danach schreit noch fünf Minuten liegenbleiben zu dürfen. Aber hilft uns die Snooze-Taste wirklich dabei, frisch in den Tag zu starten?

 

Albtraum: Aufwachen

Nie ist das Bett so gemütlich, die Versuchung liegen zu bleiben so groß, wie beim morgentlichen Weckerklingeln. Daher folgt jeden Morgen das gleiche Spiel: Snooze-Taste gedrückt und noch einige Minuten süßen Schlaf genossen. Zumindest, bis der Wecker das nächste Mal klingelt und man gestresst und missmutig wieder aufwacht. Muss das wirklich sein?

Jemand, der es wissen muss, ist Katharina Kunzmann. Sie bezeichnet sich selbst als leidenschaftliche Schlafmütze und räumt in ihrem Buch „Ab ins Bett! Eine traumhafte Reise in die Welt des Schlafes“ mit allerlei Mythen über das Schlafen und Aufwachen auf. Wir teilen hier einen Buchauszug aus dem Kapitel „Der Wecker und die Snooze-Taste“:

Feindbild Wecker

„Der Wecker ist ein Foltergerät“, sagt Professor Doktor Till Roenneberg und plädiert dafür, grundsätzlich auf ihn zu verzichten. Denn das größte Problem am Aufwachen mit Wecker ist nun mal: Er richtet sich nicht nach uns, wir richten uns nach ihm. Manche Menschen springen ja schon frühmorgens regelrecht aus dem Bett und begegnen dem Tag mit einem breiten Grinsen, in der Regel handelt es sich dabei um Lerchen.

Aber das, Hand aufs Herz, sind die wenigsten von uns. Die Mehrheit würde sich lieber einen Arm abhacken, als vor acht Uhr aus den Federn zu kriechen. Aber der Wecker, dieser Fiesling, ignoriert schlicht, welcher Schlaftyp wir sind.
Heutzutage, darüber haben wir bereits ausführlich gesprochen, geben nicht mehr Sonne und Mond, Hell und Dunkel den Schlafrhythmus vor, sondern Öffnungs- oder Bürozeiten, Termine und Meetings, Verabredungen im Fitnessstudio und die nächste Bergbesteigung im Morgengrauen. Der geliebte
Nachwuchs, der mitten in der Nacht ins Schlafzimmer tapst, um sich in der Besucherritze einzuquartieren, oder der morgens pünktlich zum Gong auf seinem Platz im Klassenzimmer sitzen muss.

Kenne deinen Feind

Kein Wunder also, dass wir uns viel zu selten frisch wie der junge Morgen fühlen, wenn wir erwachen, sondern eher wie ein zerzauster Zombie. Der Wecker kam uns zuvor, und wir haben schlicht nicht ausreichend Schlaf abbekommen. Der Wecker ist deshalb Feindbild für jede leidenschaftliche Schlafmütze. Aber es gilt eben auch: Kenne deinen Feind, um ihn besiegen zu können! Auch wenn es schwerfällt: Widmen wir uns nun dem Thema Wecker und beginnen mit einem kleinen geschichtlichen Exkurs.

Es war einmal zur einer Zeit, als es weit und breit noch gar keine Wecker gab. Die Menschen wurden von der Sonne geweckt, vom schreienden Hahn, von schlagenden Kirchenglocken oder anderen Menschen, die schon damals nachts arbeiteten, als Nachtwächter etwa. Mit Beginn der Industrialisierung, als Geschäftszeiten und beständige Produktionsprozesse eine immer wichtigere Rolle spielten, wurden auch zuverlässige und genaue Weckmethoden immer bedeutsamer. Und was kann wohl verlässlicher sein als ein Gerät, dessen einzige Lebensaufgabe darin besteht, uns aus dem Traum zu reißen? […]

Noch 5 Minuten …

Rund sechzig Prozent der Deutschen zögern das Aufstehen morgens noch ein bisschen hinaus. Das Drücken der Snooze-Taste scheint hierzulande eine Art lieb gewonnener Frühsport geworden zu sein. Typisch Mensch: Da erfinden wir den Wecker, um morgens pünktlich aufzustehen, und dann bauen wir eine Kontrollfunktion ein, die wiederum genau das Gegenteil bewirkt und das ganze Gerät ad absurdum führt. Hinzu kommt, dass die permanente Nutzung der Schlummerfunktion gefährlich sein kann. Das sagt zumindest der Schlafforscher Robert Rosenberg aus den USA.

Er will herausgefunden haben, dass Menschen, für die die Snooze-Taste zum morgendlichen Ritual gehört, ihren sogenannten »zirkadianen Rhythmus« durcheinanderbringen. Diesen Begriff haben wir bereits kennengelernt, aber zur Erinnerung: Es ist ein innerer Vierundzwanzig-Stunden-Rhythmus, der in unserem Körper wichtige Funktionen wie die Hormonbildung steuert. Drücken wir nach dem Erwachen ständig die Snooze-Taste und schlummern tatsächlich auch ständig wieder ein, dann weiß unser Körper nicht so recht, ob er nun weiterhin müde sein oder wach werde soll. Das bringt unseren Rhythmus total durcheinander. Im Extrem fall, so Rosenberg, könne dies den gesamten Tag negativ beeinflussen, weil man sich total abgeschlagen fühlt.

Wir kriegen nie genug

Sollten wir das Snoozen also komplett aus dem morgendlichen Ritual verbannen? Nein, sagt Rosenberg, denn das Betätigen der Schlummertaste sei nicht das Problem, sondern lediglich ein Symptom des – uns mittlerweile gut bekannten – chronischen Schlafmangels. Heißt im Umkehrschluss: Die Nutzung der Snooze-Taste ist völlig in Ordnung, wenn wir darauf achten, dass wir insgesamt genug Schlaf abbekommen.

Manche Menschen stellen sich den Wecker aber bewusst früher, um dem morgendlichen Snooze-Ritual zu frönen. Sie fangen quasi früher mit dem Aufstehen an als nötig. Das wiederum sollten wir lieber bleiben lassen: Wer einmal durch den Wecker aus dem Schlaf gerissen wurde, der erreicht durch das erneute kurze Wegpennen bis zum nächsten Weckerklingeln nicht mehr den gleichen Schlafstatus wie zuvor und bringt sich dadurch eher um seine Regeneration. Den Wecker sollten wir also lieber erst zu der Uhrzeit stellen, zu
der wir tatsächlich auch aufstehen müssen.

Immer mit der Ruhe

Wer daraus allerdings folgert, dass das sofortige Herausspringen aus dem Bett sinnvoller ist, der irrt: Langsam und gemächlich lässt sich der goldene Weg zum Aufwacherfolg beschreiten. Während des Schlafs fährt der Körper herunter.
Stehen wir abrupt auf, fließt das Blut ruckartig in die Beine, was zu Schwindel führen kann. Auch unser Gleichgewichtsorgan, das sich im Ohr befindet, kann Faxen machen. In unseren Lauschern befindet sich Flüssigkeit, die von Messfühlern ausgewertet wird und an das Gehirn meldet, ob und wie sich unser Körper bewegt.

Wenn wir lange liegen, dann setzen sich minikleine Gewebeteile ab, die in der Flüssigkeit schwimmen. Die werden jedoch plötzlich aufgewirbelt, wenn wir wie von der Tarantel gestochen aus dem Bett rumpeln. Das signalisiert den Messfühlern mordsviel Bewegung – wo eigentlich nur ein bisschen Bewegung ist –, und auch das kann in Schwindel resultieren. Den Körper sollte man also behutsam ans Aufwachen heranführen, vielleicht erst einmal ein wenig die Arme und Beine recken und strecken. Den Kopf drehen und einen kurzen Moment sitzend auf der Bettkante innehalten, bevor es so richtig losgeht mit dem Tag.

Eine Alternative zum schrillen Weckerklingeln?

Wer nicht nur sanft aus dem Bett gleiten, sondern auch sanft geweckt werden will, für den gibt es eine gute Alternative zum Standardgerät: einen sogenannten Schlafphasenwecker. Das sind intelligente Wecker, die den perfekten Zeitpunkt ermitteln sollen, um geweckt zu werden. Nämlich dann, wenn wir uns im Leichtschlaf befinden. So gestaltet sich das morgendliche Weckerklingeln etwas angenehmer und fühlt sich nicht mehr wie ein Schlag ins Gesicht an. Schlafphasenwecker werden nicht, wie normale Wecker, auf eine bestimmte Uhrzeit gestellt, sondern man gibt einen Zeitraum an, in dem man aufstehen möchte. Zum Beispiel innerhalb von dreißig Minuten vor sieben Uhr morgens.

Inner halb dieser Zeitspanne versucht der Wecker den perfekten Moment zu ermitteln, um uns aus unseren Träumen zu holen. Wir wissen ja bereits, dass der Mensch in Zyklen schläft – anfangs flach, dann tiefer, gen Ende wieder flacher. Schellt der Wecker, wenn wir gerade mitten in einer Tiefschlafphase stecken, fährt uns der Schreck in die Glieder und torpediert damit die Chance, sanft und leicht aufzuwachen. Dieses Wissen wurde bei den Schlafphasenweckern angewandt, und die Technik wird mit der Zeit immer besser. Manche sind inzwischen so intelligent, dass sie dazulernen können und den Rhythmus der schlafenden Person voraussagen. Das erhöht die Chance, auch wirklich eine Leichtschlafphase zu treffen.

Als Marsmännchen ins Schlaflabor?

Das Ziel der Schlafphasenwecker ist also immer dasselbe: sanftes Erwachen. Dieses Ziel erreichen die verschiedenen Modelle entweder, indem sie unsere Gehirnaktivität messen oder unsere Bewegungen registrieren. Es gibt auch Apps, die dasselbe versprechen. Skepsis ist aber gerade hier mehr als angebracht, denn die Messung der Schlafphasen ist eine komplizierte und komplexe Sache. Bei Weckern zum Beispiel, die unsere Gehirnaktivitäten
überwachen, muss man sich vor Beginn der Nacht Sensoren an den Kopf kleben. Danach sieht man aus wie ein verkabeltes Marsmännchen auf dem Weg ins Schlaflabor.

Aber wer wird denn eitel sein, wenn das seltsame Outfit doch einen
guten Start in den Tag verspricht? Diese Schlafphasenwecker jedenfalls sind am zuverlässigsten. Sie ermitteln die unterschiedlichen Phasen relativ genau und finden besonders oft den idealen Zeitpunkt zum Aufstehen. Der große Nachteil an diesen Weckern ist, neben dem Alien-Look, den sie verursachen, dass viele Menschen durch die Sensoren und Kabel gestört werden. Und das ist natürlich kontraproduktiv. Denn was bringt uns der intelligenteste Wecker, wenn er uns noch vor seinem Weckruf vom Schlafen abhält?

Sanftes Wecken für Zuhause

Es gibt aber auch andere, etwas praktikablere Modelle. Nämlich Wecker, die auf Bewegung reagieren. In besonders leichten Schlafphasen werden wir immer aktiver. Rollen umher, strampeln ein wenig, bewegen Arme und Beine. All diese Bewegungen werden vom schlauen Wecker registriert, den man sich wie ein Schweißband ums Handgelenk bindet. Das ist natürlich deutlich bequemer als ein Kabelsalat auf dem Kopf – aber eben auch nicht ganz so genau.

Wer einen Schlafphasenwecker einmal ausprobieren möchte, ohne gleich ein monströses Gerät im Schlafzimmer stehen zu haben, der ist mit einer Smartwatch gut beraten. Die schlauen Uhren sind klein und lassen sich dank diverser Apps mit verschiedenen Funktionen aufrüsten. Der Schlafphasenwecker kann eine solche Zusatzfunktion sein. Am besten man fragt vor dem Kauf genau nach, ob sich die Weckfunktion als zusätzliches Programm aufspielen lässt, nicht dass man sich im Nachhinein ärgert. Ist das Programm installiert und eingestellt, muss man die Uhr nachts anbehalten – und wird hoffentlich tiefenentspannt und ausgeruht erwachen.

Wir müssen nicht auf Wunder warten

Aber nicht vergessen: Nicht alles für bare Münze nehmen, was etwaige Apps oder auch Schlafphasenwecker versprechen. Auch wenn die Theorie dahinter natürlich eine gute Sache ist, kann die verbaute Technik die Komplexität unseres Schlafes nur in Teilen erfassen und ist deshalb nie zu einhundert Prozent genau. In zahllosen Schlaflaboren warten Gerätschaften im Wert von
Tausenden und Zehntausenden von Euro auf ihren Einsatz. Und das nicht ohne Grund. Die Messung und Aufzeichnungen dieser Geräte sind unglaublich präzise. Da liegt es nahe, dass Versuche, diese Technik auf eine App für 2,99 Euro zu bannen oder gar auf eine kostenlose, oft nicht mehr als Spielereien sind. Pfusch am Bau sozusagen.

Noch wurde kein Wundermittel auf den Markt gebracht, das müde Morgenmuffel verlässlich munter macht. Dennoch kann man es ja mal versuchen, wenn man auf der Suche nach Hilfe ist, um wenigstens ein klein wenig leichter aus den Federn zu kommen. Denn es gibt durchaus auch Menschen, die auf die Apps und Wecker schwören. Ob hier der Placebo-Effekt – also Einbildung, die dennoch zu einem Effekt führt – oder gute Technik der ausschlaggebende Punkt ist, sei mal dahingestellt. Aber wenn’s hilft, dann hilft’s.

Katharina Kunzmann: „Ab ins Bett!: Eine traumhafte Reise in die Welt des Schlafes“ Wilhelm Goldmann Verlag, Oktober 2017, 272 Seiten, 12,00 Euro.

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