Sie sind Ärztinnen, Journalistinnen, Podcasterinnen, Autorinnen, Gründerinnen und Führungspersönlichkeiten mit unterschiedlichen Herzensangelegenheiten. Was sie aber alle eint, ist ihr Engagement für eine aufgeklärte und gleichberechtigte Welt – Aktivismus, der oft mit Rückschlägen verbunden ist. Wir wollten 2024 jedoch nicht als Katastrophenjahr abstempeln und haben zehn Persönlichkeiten gefragt: Was hat dich dieses Jahr glücklich gemacht?
Julia Becker, FUNKE Verlegerin
„Wir sind mehr! Diese Erfahrung habe ich im vergangenen Jahr immer wieder machen dürfen. Wir, das sind die, die um die Bedeutung von Demokratie und Gemeinwohl wissen, die sich für Gleichberechtigung und Diversität einsetzen, die vom Wert der Wahrheit und Aufklärung überzeugt sind. Ein besonders eindrückliches Wir sind mehr!-Erlebnis hatte ich ausgerechnet am 6. November. Der Tag, an dem wir mit der Nachricht aufwachten, dass Donald Trump erneut zum US-Präsidenten gewählt wurde, und ins Bett gingen mit der Erkenntnis, dass unsere Bundesregierung nun endgültig zerbrochen ist. Ich verbrachte ihn in Stelzendorf, einem kleinen Ort im Osten Thüringens. Unter dem Motto ,Rezepte für die Demokratie’ hatte unsere Thüringische Landeszeitung rund vierzig Thüringerinnen und Thüringer in das Café der wunderbaren Juristin und Konditorin Doreen Bergmann eingeladen.
Alle berichteten von ihrem Engagement für das Gemeinwohl. Ein Apotheker zum Beispiel von seinen Corona-Aufklärungskursen, eine Verwaltungsangestellte von ihrer Arbeit mit Geflüchteten, ein Fahrlehrer von seinem Podcast mit positiven Nachrichten aus Gera, ein Lehrer von seinem Kampf gegen Rechtsextremisten. All diese Menschen leisten Großes für unsere Gesellschaft und setzen der grassierenden Demokratieverdrossenheit etwas entgegen: ihr aktives Handeln. Lassen wir uns nicht beirren von den Extremisten, den Fake News-Produzenten und Menschenfeinden, die Unsicherheit, ja Chaos verbreiten wollen, damit der Wunsch nach autoritären Lösungen wächst. Ermutigen wir einander: Wir sind mehr!“
Leni Bolt
„2024 war für mich das Jahr, in dem ich mein Herzensprojekt SoulRave© an den Start bringen durfte – ein absolutes Highlight, das mich als Gründerin unheimlich wachsen ließ. Regelmäßig zwischen Hotelzimmer und Home-Office zu switchen, hat mir gezeigt, wie flexibel wir heutzutage arbeiten können, wenn wir für unsere Vision brennen.“
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Anne Dittmann
„Ich habe 2024 in Bezug auf moderne, fürsorgliche Männlichkeit sehr viel Hoffnung dazugewonnen. Es war ein Jahr der Krisen, Kriege, Klima-Downs und Regierungszerwürfnisse, aber während all das passiert ist, habe ich im Homeoffice an meinem neuen Ratgeber für Jungs-Eltern geschrieben, der im Mai 2025 erscheinen wird: ‚Jungs von heute, Männer von Morgen – Was unsere Söhne für eine gleichberechtigte Zukunft von uns brauchen’ heißt er. Und er bietet unfassbar viele praktische Lösungen und mutmachende Geschichten an. Für dieses Buch bin ich tief in die Männlichkeitsforschung eingestiegen, habe mit Jungen, Müttern, Vätern, Allys, Expertinnen, Männlichkeitsforscher*innen gesprochen und festgestellt: Es ist doch machbar, dieses schöne Projekt ‚Gleichberechtigung’. Dafür müssen wir umdenken und all unseren Zusammenhalt, unsere Liebe, Geduld und Empathie bündeln, aber am Ende wird es sich lohnen. Ich blicke somit durch das Jahr 2024 voller Hoffnung auf 2025 – wir haben viel zu tun, aber wir können es zu einem guten Jahr machen.“
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Mandy Mangler
„Seit Jahren behandele ich Patientinnen mit Tumorerkrankungen. Ich operiere sie und helfe ihnen dabei, gesund zu werden. Eine Patientin, die ich vor zehn Jahren mit einem komplizierten Tumor operiert habe, hat sich per Social Media bei mir gemeldet und ich habe mich sehr gefreut zu hören, dass es ihr gut geht. In der Medizin gibt es bisher wenig Möglichkeiten, die eigene Qualität zu überprüfen und um überhaupt zu verstehen, ob das, was man tut, für die Patientinnen eigentlich gut ist. Umso mehr hat es mich gefreut, als ich dieses Jahr zum ersten Mal aus dem Berliner Krebsregister Daten zu der Qualität meiner Behandlung erhalten habe. Ich habe mich gefreut, da die Qualität sehr gut ist und ich eine hohe Heilungsrate bei den Patientinnen erzielt habe. Das ist schön und bestärkt mich sehr.
Außerdem habe ich dieses Jahr nach einem langen Prozess ein Buch veröffentlicht – ‚Das große Gynbuch’ – und ich freue mich total, dass ich dadurch Frauen bestärken kann, mit ihrem Körper kompetent umzugehen und gesund zu sein. Ich habe all meine Macht und Kraft in dieses Buch gesteckt und jetzt geht diese Macht an die Frauen über.“
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Christin Noack
„Eine positive Geschichte aus meinem Berufsfeld, der Stadtplanung:
Im letzten Jahr wurden in Berlin wieder einige Kiezblocks beschlossen, u.a. im hochbelasteten Neukölln. Hier ist der Körnerkiezblock nun an den Start gegangen – eine erste Maßnahme aus dem Konzept wurde bereits in Teilen umgesetzt: Die stark befahrene Kiezstraße ‚Ilsestraße’ wurde zur Fahrradstraße umgebaut. Es ist sicher nicht so hübsch, wie es mit mehr finanziellen Mitteln sein könnte, aber ein großer Schritt für mehr Gerechtigkeit unter den Mobilitätsformen – Fußgehende und Radfahrende dürfen hier jetzt etwas weniger angstvoll in der Stadt unterwegs sein. Generell ist das große Engagement des Vereins Changing Cities hier hervorzuheben. Danke schön!
Etwas Schönes aus meinem ehrenamtlichen Engagement:
Der Marktplatz Waldschänke – ein Projekt zur Aktivierung eines verlassenen 100-jährigen Gasthofes in Stahnsdorf. Die Idee war, den Gasthof als multifunktionalen Ort wiederzubeleben – und so den Menschen vor Ort einen dritten Ort – neben der Arbeit, Schule und Kita und dem zu Hause zu bieten. Mittlerweile ist der Markplatz Waldschänke im Netzwerk Zukunftsorte aufgenommen worden, bietet Raum für ein Café, Veranstaltungen wie Firmenevents und private Feiern und Platz für viele schöne Märkte, wie einen Flohmarkt und einen Weihnachtsmarkt. Ich durfte hier immer mit strategischem Know-how unterstützen und bin sehr begeistert von dem Projekt und am meisten: von dem Engagement der Menschen vor Ort, die so glücklich über die Idee sind, dass sie sich persönlich für die Realisierung einsetzen.
Und wunderbare Nachrichten aus meinem privaten Leben:
Ich bin nochmal Mama geworden und auch wenn ich enttäuscht darüber bin, dass Familien in den politischen Zielsetzungen runterfielen (z.B. Elternstartzeit oder Erhöhung Elterngeld), schaffen wir es grade ganz gut, Erwerbsarbeit und Care-Arbeit zu vereinen. Vor allem bin ich dankbar für meine Privilegien und auch den Austausch unter Frauen und Familien auf Social Media – dieser lässt zwar oft Druck entstehen, aber es ist wie mit allem: Es hilft zu filtern und zeigt auf, dass wir alle unsere Baustellen haben.“
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Natascha Sagorski
„Wow, was hatten wir alle für große und auch berechtigte Hoffnungen, dass dieses Jahr weitreichende politische Verbesserungen im Bereich Frauengesundheit kommen würden. Beim gestaffelten Mutterschutz waren wir sogar am Ende der Zielgeraden. Endlich gab es eine Einigung auf eine Staffelung und der gestaffelte Mutterschutz war kurz davor ins Parlament eingebracht zu werden. Dann kam dieser eine Abend: Ich lag gerade in der Einschlafbegleitung neben meiner Tochter, als eine Push-Nachricht das dunkle Schlafzimmer erhellte. Die Ampel Regierung war zerbrochen und mit ihr scheinbar auch all die für uns Frauen so wichtigen und überfälligen Reformen wie der gestaffelte Mutterschutz.
Das war ein Schock, keine Frage. Aber so wie der Schein eines Handybildschirms ein dunkles Zimmer erleuchten kann, so bilden auch all die Vorarbeit, die wir geleistet, all die Kämpfe, die wir schon ausgefochten haben, die Grundlage für eine Flamme, die weiter leuchtet. Und was auch passiert, wir werden nicht zulassen, dass sie wieder erlischt.
Was den gestaffelten Mutterschutz betrifft, so gibt es endlich einen Gesetzentwurf aus dem Ministerium und meine Petition hat das äußerst seltene einstimmige höchste Votum im Bundestag erhalten. Dies verpflichtet die Regierung innerhalb der nächsten sechs Wochen zu handeln. Und diese Pflicht überträgt sich auch auf die neue Regierung. Es mag politische Stürme und vielleicht auch den ein oder anderen Untergang geben. Aber auch wenn es dunkel wird, bleiben wir hier und verströmen unser Licht. Mit unserem Licht sorgen wir dafür, dass Themen wie Fehlgeburten und andere Tabuthemen, die oft im Dunklen bleiben, sichtbar werden und es sogar ins Plenum des Deutschen Bundestags schaffen. Das war dieses Jahr so und das wird auch nächstes Jahr und in Zukunft so sein. Denn wir strahlen heller.“
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Gilda Sahebi
„Ich hatte mich im Frühjahr gerade von einer Covid-Erkrankung erholt, wegen der ich meine Buchpremiere hatte absagen müssen. Meine Familie war extra weit angereist, und ich konnte sie nicht sehen, weil ich sie nicht anstecken wollte. Jedenfalls ging es mir nach der Infektion langsam besser und ich konnte zum ersten Mal wieder joggen (ich jogge jeden Tag, deswegen ist das nach einigen Tagen Pause immer ein Highlight). Die Sonne schien, ich war voller Energie und hörte Musik – und mit einem Mal setzte sich ein kleiner Marienkäfer auf meine linke Hand. Er joggte fast zehn Minuten mit mir mit.
Dieser kleine Moment machte mich so glücklich, dass die abgesagte Buchpremiere, dass ich meine Familie nicht sehen konnte, die emotionalen Herausforderungen dieser Tage vollkommen dahinter verblassten. Wenn ich seitdem eher das Dunkel als das Licht in verschiedenen Momenten oder Zeiten sehe, denke ich an den strahlend roten Marienkäfer auf meiner Hand oder an andere vermeintlich kleine schöne Momente. Das macht es immer einfacher und leichter. Worauf ich mich fokussiere, das wird größer.“
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Sibel Schick
„Mein Highlight dieses Jahr war der Tag, an dem ich Momo kennenlernte. Momo lebte vermutlich sein ganzes Leben auf der Straße in Antalya. Er sollte ins Tierheim gebracht werden, aber wir waren schneller, holten ihn ab und brachten ihn in sein neues Zuhause. Eigentlich wollte ich keine Pflanzen, keine Katzen, keine Hunde und keine Kinder, aber fühlte mich von dem sogenannten ‚Tierschutzgesetz’ in der Türkei dazu genötigt, ein Tier von der Straße aufzunehmen. Das Gesetz gaukelt zwar was von Schutz vor, allerdings regelt es die willkürliche und massenhafte Tötung aller Straßentiere. Noch während das Gesetz im Parlament debattiert wurde, begannen mordlustige Menschen in Tierheimen und auf den Straßen, Hunde und Katzen zu schlachten. Meine Timeline ist seitdem unerträglich.
Ich wollte also Momo leben lassen. Momo ist sehr groß, er wog 50 Kilo, als ich ihn aufnahm, jetzt fünf weniger. Einmal im Tierheim, wäre er nie wieder lebendig herausgekommen, weil niemand einen so großen Hund, der auch noch keine normschöne ‚Rasse’ ist, aufnehmen wollen würde. Für mich ist er wunderschön. Er ist mein Sonnenschein, mein Glück – mein Leben ist so viel schöner, seit es ihn gibt. Ich bin sehr dankbar, dass ich mit Momo leben darf.“
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Stefanie Stahl
„Wenn ich auf 2024 zurückblicke und mich frage, was mich gefreut und berührt hat, dann fallen mir sofort die vielen E-Mails und Nachrichten ein, die mich zu meiner Online-Akademie erreicht haben. Sie erzählen von kleinen und großen Veränderungen, von neuen Perspektiven und Momenten der Selbsterkenntnis. Wir leben in Zeiten, in denen viele Menschen Beratungsbedarf haben und Unterstützung brauchen, aber keinen Therapieplatz bekommen. Die Kurse meiner Online-Akademie ersetzen keine Therapie. Aber sie scheinen doch für viele eine Art Anker zu sein, der Halt und Orientierung gibt. Im Laufe dieses Jahres haben wir deshalb das Angebot weiterentwickelt: Seit Juli gibt es Live-Sessions, in denen wir auf individuelle Fragen eingehen, sowie Gruppensitzungen, die von erfahrenen Psycholog*innen geleitet werden. Diese Sessions geben den Teilnehmer*innen zusätzlich die Möglichkeit, in den Austausch zu gehen und voneinander zu lernen.
Immer wieder bekomme ich Rückmeldungen wie: Mir hat der Kurs ‚Liebeskummer überwinden‘ so sehr geholfen, meine Gefühle besser zu verstehen und wieder nach vorne zu blicken. Oder: Durch den Kurs ‚Bindungsangst überwinden‘ habe ich zum ersten Mal erkannt, was in meinen bisherigen Beziehungen schiefgelaufen ist – und was ich in Zukunft anders machen möchte. Solche Worte bedeuten mir unendlich viel. Sie zeigen, dass die Arbeit, die wir in die Akademie stecken, tatsächlich bei den Menschen ankommt. Jeder kleine Fortschritt, den jemand für sich macht, ist ein großer Erfolg. Es ist ein schönes Gefühl, Teil dieses Weges zu sein.“
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Miriam Stein
„Meine gute Nachricht 2024 war die Debatte zur nationalen Menopausen-Strategie am 18. Oktober im Deutschen Bundestag. Dass unser Parlament über die Wechseljahre debattiert, hätte ich vor zwei Jahren, als mein Buch ‚Die gereizte Frau’ über meine Perimenopause erschien, nicht für möglich gehalten. Damals galt das Thema noch als so tabuisiert, dass nur einige betroffene Frauen sich überhaupt öffentlich damit auseinandersetzen wollten. Notwendig ist es: Denn immer noch wissen zu wenige was die Wechseljahre sind und wie man sie eigentlich bemerkt – inklusive der Ärztin*innen. Die Wechseljahre kommen beispielsweise nicht im Medizinstudium vor.
Unter dem Hashtag #wirsind9millionen habe ich Frauen ermutigt über ihre Erfahrungen mit den Wechseljahren zu schreiben. So entstand eine politische Grassroots-Bewegung, die die Bundestagsdebatte initiierte. Auch kulturell lichtet sich das Tabu: Durch den sensationellen Roman ‚Auf allen Vieren’ von der amerikanischen Schriftstellerin Miranda July wächst auch bei jüngeren Frauen ein Bewusstsein für diese Lebensphase, deren Höhen und Tiefen, deren Chancen und Möglichkeiten. Das ist eine Riesenchance für alle – denn wenn Frauen ihre Körper kennen, können sie wirklich selbstbestimmt darüber entscheiden. Gerade für die kommenden Jahre wird es wichtig werden, für einander, für Frauenrechte und Gesundheit einzustehen. Am besten zusammen.“
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