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Isabel Šuba: „Wenn du im Filmbusiness überleben willst, musst du deine Machete rausholen“

Die Filmbranche ist auch noch im Jahr 2017 eine Männer dominierte Branche. Um dies zu ändern und Filmstudentinnen einen leichteren Einstieg in Branche zu ermöglichen, startete Isabel Šuba das Mentoringprogramm „Into the wild“. Ein Interview.

 

Geschlechtergerechtigkeit im Filmbusiness

Regisseurin Isabel Šuba, die mit der feministischen Mockumentary Männer zeigen Filme und Frauen ihre Brüste bekannt wurde und demnächst mit Hanni & Nanni – Mehr als beste Freunde ihren zweiten Spielfilm in die Kinos bringt, setzt sich seit Jahren intensiv für Geschlechtergerechtigkeit im Filmbusiness ein. Mit Into the Wild“ hat sie jetzt ein Mentoring-Programm ins Leben gerufen, das Filmstudentinnen auf den Berufseinstieg vorbereitet. Isabel ist eine der ersten Regisseurinnen, die ich am Anfang meiner journalistischen „Karriere“ interviewt habe. Into the Wild war der perfekte Anlass, das zu wiederholen.

Wie kamst Du auf die Idee zu „Into the Wild“?

„Die Initialzündung war vor genau zwei Jahren, auf der Berlinale 2015. Ich war auf dem Empfang der Hochschulen und alle redeten immer wieder über die Frauen in der Branche. Und ich dachte: ‚Es reicht jetzt mit diesem Gelaber. Da muss sich was verändern. Bei den Hochschulen muss es ein Programm geben, das junge Regisseurinnen auf Gender sensibilisiert.‘ Und plötzlich diskutierten wir mit gefühlt zehn Frauen, ob so ein Programm Sinn macht oder nicht und am Ende war Susanne Stürmer, die Präsidentin der HFF, die erst sehr skeptisch war, die stärkste Befürworterin und meinte: ‚Wir machen das jetzt, Šuba.‘ “

Das klingt erst mal so, als hättest Du offene Türen eingerannt.

„Nein, die Leute mussten auch überredet werden. Ich habe insgesamt zwei Jahre daran gearbeitet. Ich musste immer wieder anfragen, nachhaken, noch mal überzeugen… Und es hat ein Jahr gedauert, alle Hochschulen zu überreden mitzumachen. Hamburg macht als einzige nicht mit.“

Welche Rolle spielt das Thema Gender aktuell in den Hochschulen?

„Auf den oberen Ebenen war das ziemlich präsent. Aber zwischen der höchsten Ebene, mit der ich zu tun hatte, und den Studentinnen liegen ja noch viele Abstufungen. Ich habe das Gefühl, dass die Studentinnen oft noch wenige Berührungspunkte mit dem Thema haben. Das liegt daran, dass eine Hochschule auf eine Art auch eine Utopie ist. Ich hatte selber in der Hochschule auch nie das Gefühl, die Jungs würden bevorzugt. Eine Hochschule hat in ihren Regularien ja schon einen Gleichstellungsauftrag. Und den hat der freie Markt halt nicht. Deswegen denken die Studentinnen, wenn sie aus der Hochschule kommen, geht es genauso blumig weiter. Aber so ist es nicht.“

Du hast vorhin gesagt, es ginge darum, „auf Gender zu sensibilisieren“. Was bedeutet das für dich?

„Inhaltlich ist es wichtig zu wissen: Was erzähle ich, was wurde erzählt? Wo befinde ich mich eigentlich auf der horizontalen Zeitlinie der Frauenbewegung? Bis hin zu einer Sensibilisierung: Wie ist es denn mit Männerteams zu kommunizieren? Wie ist es in Frauenteams zu kommunizieren? Wie fühle ich mich als Frau in einem männerdominierten Business? Wie kann ich Netzwerke knüpfen? Das ist ein komplexes und großes Themengebiet, auf das man mal mit der Lupe einer Genderwahrnehmung raufgucken kann.“

Wie läuft das Programm ab?

„Es gibt am Anfang 14 Tage ein Schreibcamp mit den Dramaturginnen und mir. Da wird schon sehr intensiv diskutiert werden und das reicht erst einmal, um die Teilnehmerinnen loszuschicken, mal die Augen aufzuhalten, sich ein bisschen zu belesen, zu Veranstaltungen zu gehen und dem Thema beizuwohnen. Und dann gibt es Workshops in Potsdam, in Köln und in München mit Impulsvorträgen, Workshops zu Selbstorganisation, Vernetzung, Körperarbeit, und so weiter.“

Warum macht ihr das nur für die Mädels?

„Weil die Zahlen, die jetzt rauskommen, ganz klar zeigen, dass es eine Schieflage gibt. So Zahlen wie: Die Gelder von Förderanstalten gehen zu 90% an Männer, Aufträge im Fernsehbereich gehen zu 85% an Männer, nur 17% der europäischen Filme sind von Frauen.“

Was überzeugt dich, dass die Hochschule der richtige Punkt ist,
um diese Schieflage zu korrigieren?

„Irgendwann muss man sich fragen: Was kann man denn selber tun, um etwas zu verändern? Und ich kann jetzt nicht alle Redaktionen verändern und nicht den Produzentinnen oder Produzenten sagen, dass sie mehr Stoffe von Frauen nehmen sollen. Was ich halt machen konnte, ist aus meinen Erfahrungen heraus ein Programm schaffen, was ich mir selber auch gewünscht hätte. Natürlich wird dieses Programm nicht das gesamtgesellschaftliche Bild verändern. Es ist nicht so einfach: Wir ändern nicht etwas an einer Stellschraube und dann verändert sich das ganze Ding. Nein, es ist viel zu komplex, sonst hätte es sich ja schon längst verändert.“

Ist die Gender-Sensibilisierung nicht auch für Jungs wichtig?

„Ja, absolut. Ich glaube, dass das am Ende eigentlich ein Modul sein sollte, das für alle Studentinnen und Studenten angeboten wird. Weil es heutzutage eigentlich nicht mehr wegzudenken ist. Und es geht ja noch viel weiter, mit People of Color, Menschen mit Behinderung, und so weiter. Das kann ich nicht alles auf einmal bieten. Nur weil ich etwas für Frauen tue, heißt das nicht, dass ich Männer ausschließe. Ich fang jetzt mal an dem Punkt an, an dem ich mit einer gewissen Selbstsicherheit sagen kann: Die Erfahrung hab ich gemacht und da kann ich anderen weiterhelfen. Und ob im nächsten Jahrgang Jungs mitmachen, guckt man dann.“

Isabell Šuba in der deutschen Akademie für Fernsehen, Quelle: Jens Best | flickr | CC by 2.0

Du hast gerade noch andere „ismen“ angesprochen: Rassismen, Ableismen. Was ist mit Klassismus. Ist Filmemachen etwas für Kinder reicher Eltern?

„Ich glaube grundsätzlich nicht, weil gerade heute, wo die Technik so zugänglich geworden ist, es nun wirklich jeder mit ein bisschen Willen hinkriegen kann, sich eine Kamera zu organisieren. Du kannst ja sogar mit Deinem Handy deinen ersten Film drehen und dich bei der Hochschule bewerben. Aber ich glaube, dass an den Filmhochschulen trotzdem oftmals im Querschnitt ähnliche Menschen aus bestimmten Bereichen ausgesucht werden. An meiner Hochschule waren wenige People of Color zum Beispiel. Und es waren auch immer weniger Leute, die Bafög bekommen haben als die, die von ihren Eltern monatlich 700-1000 Euro überwiesen bekommen haben. Generell, wenn du dir die Filme anguckst, die rauskommen, handeln sie oft von bestimmten Menschen oder sind vor bestimmten Hintergründen entstanden.“

In der Pressemitteilung zu „Into the Wild“ schreibst Du „Maren
Ade ist nur der Anfang“. Was bedeutet das für dich?

„Ich finde, was Maren Ade jetzt geschafft hat, was Caroline Link auch immer geschafft hat mit ihren Filmen, ist, dass sie Filme macht, die für die gesamte Gesellschaft funktionieren und die nicht als Frauenfilme abgestempelt werden. Und das liegt daran, dass ihre Figuren ein Thema haben, womit sich wahnsinnig viele Männer und Frauen identifizieren können. Und das ist meine Vision, dass Frauen Filme machen, die auch eine Allgemeingültigkeit haben.“

Es geht Dir also nicht darum, dass Frauen für Frauen erzählen,
sondern dass andere Perspektiven mit einbezogen werden?

„Ja, absolut. Es gibt ja diese ewigen Frauenthemen. Man sollte sich darüber bewusst werden: Was sind neue Frauenrollen und wie kann ich mein eigenes Leben wirklich adaptieren, ohne das zu wiederholen, was ich selber in Filmen oder in Medien gesehen oder in Büchern gelesen habe? Darum wird es auch bei Into the Wild gehen: Will ich jetzt den 100.000. Film über eine abgebrochene Schwangerschaft oder eine Vergewaltigung oder eine Essstörung oder den „Bin ich schön“-Diskurs machen?“

Also geht es doch um Frauenfiguren und ihre Geschichten?

„Es geht darum, wie ich Figuren erzähle, die für etwas Allgemeines stehen, ein Gefühl widerspiegeln, das über ein Geschlecht hinausgeht.“

Habt ihr denn jetzt alle Förderungen zusammen? Was fehlt euch noch?

„Was ich auf jeden Fall noch brauche, ist Expertise. Also wenn sich jetzt Leute angesprochen fühlen, die sagen „Ich kann einen Impulsvortrag geben“, dann meldet euch gerne. Insbesondere zum Thema Selbstorganisation. Oder wenn eine Förderung noch miteinsteigen will: Geld kann man immer gebrauchen.“

Wie kam es eigentlich zu dem Namen?

„Das kam mir einfach so. Weil ich es irgendwie witzig finde, dass man fünf Jahre hochqualifiziert für dieses Business ausgebildet wird und dann als Frau einfach wahnsinnig wenig Chancen hat zu überleben. Und dann war einfach klar: Wenn Du da überleben willst, musst Du deine Machete rausholen und ab in den Dschungel. Into the Wild.“

Dann kommt noch die klassische „GUT GEBRÜLLT“-Frage. Eine
feministische Filmfee gibt dir drei Wünsche frei. Was wünschst du dir?
 

„Ach Gott. Ich wünsch mir auf jeden Fall mehr Filme mit Frauen in der Hauptrolle, deren Themen eine Allgemeingültigkeit erreichen. Das finde ich so stark und wünschenswert, dass ich mir fast alle drei Wünsche dafür wünschen würde.“

Das kannst Du gerne machen. Es sind ja Deine Wünsche!

“Ich glaube, wenn man das erreicht, dann ist es das. Darum gehts letztlich. Wenn sich das verändert hat, ist alles andere auch mit verändert.  


Der Originaltext ist zuerst im Missy-Magazin erschienen. Wir freuen uns die Filmlöwin als neue Kooperationspartnerin bei uns im Magazin zu featuren


Artikelbild: darkday | flickr | CC by 2.0


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