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Traut euch! Wie du beruflich zeigst, was du drauf hast

Frauen neigen immer noch dazu, sich unter Wert zu verkaufen. Unsere Community-Autorin ist Karriere-Coach und hat wertvolle Tipps, wie sich das ändern lässt.

 

Frauen haben ein Problem 

Als Karriere-Coach für Eltern und junge Frauen geht es in vielen meiner Coachings darum, wie der nächste Karriere-Schritt getan werden kann oder warum Frau vermeintlich vom Chef übersehen wird beziehungsweise im Wettrennen mit Kollegen den Kürzeren zieht. Bei den Müttern (nach dem Wiedereinstieg wegen Kinderpause) geht es sehr oft darum, Erwartungen an sich selbst oder Erwartungen von anderen bedienen zu können. Latent ist dann immer ein Gefühl vorhanden, nicht alles leisten zu können und niemandem gerecht zu werden. Resultat: Eine dauerhafte Unzufriedenheit mit sich selbst.

Faktisch sind wir Frauen so gut ausgebildet wie noch nie – die Abgangszahlen der Universitäten belegen das eindrucksvoll. Aber bis oben kommen nicht wirklich viele von uns. Da ist von der berühmten gläsernen Decke die Rede, von fehlenden Modellen, wenn es um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie geht. Sheryl Sandberg, Geschäftsführerin bei Facebook, schrieb vor einigen Jahren
Ihren Bestseller „Lean In”, ein Aufruf an (junge) Frauen, sich einfach reinzuhängen und nicht zu warten, bis man vielleicht entdeckt wird. Tolles Buch, das ich regelmäßig empfehle. Aus ihrem Werk entstand eine weltweite Bewegung von mittlerweile mehr als 37.000 Zirkeln, in denen Frauen sich regelmäßig zur gegenseitigen Unterstützung treffen (www.leanin.org). Die Gründe dafür, warum es noch lange nicht so viele Frauen wie Männer an den wichtigen Stellen gibt, sind sicher zahlreich.

Gut ausgebildet, aber zu ängstlich

Was ich in meinen Coachings sehr oft erlebe ist, dass Frauen einfach sehr zögerlich reagieren, wenn es darum geht, gut von sich zu reden, zu zeigen, was sie Gutes gemacht haben. „Sei wie das Veilchen im Moose, sittsam bescheiden und rein. Und nicht wie die stolze Rose, die immer bewundert will sein.“, dieser Satz, früher einmal für das Poesiealbum gedacht, scheint uns irgendwie anzuhaften. Die meisten Frauen, mit denen ich über Selbstmarketing rede, finden alle, dass das per se eine super Idee ist und dass sie in dem Bereich dringend mehr machen müssen. Und tatsächlich: Untersuchungen zufolge hat unsere Fachkompetenz gerade mal zehn Prozent Anteil daran, ob wir weiterkommen oder nicht. Image trägt weitere 30 Prozent und Sichtbarkeit sogar riesige 60 Prozent dazu bei. 

Selbstmarketing sorgt für Sichtbarkeit!

Es wäre also schlicht logisch, es zu machen. Am Anfang steht deshalb immer die Erarbeitung eines eigenen Selbstmarketingkonzeptes. Das finden viele Frauen sehr bereichernd – ein Boost für das Selbstwertgefühl! Im Kern geht es dabei um die Arbeit an und mit den eigenen Stärken. Vielen Frauen wird erst dabei richtig bewusst, was sie alles können und schon geschafft haben. Auch die Übung zum „Elevator-Pitch“ findet regelmäßig großen Anklang. Hierbei ist die Frage: Wie stelle ich mich kurz und knapp jemand anderem so vor, dass ich im besten Sinne des Wortes „merk-würdig“ in Erinnerung bleibe. Ein guter Satz gibt hier genug innere Stärke, um ihn auch tatsächlich auszusprechen.

Es scheint, dass viele Frauen bei diesem Thema jemanden brauchen, der sie an die Hand nimmt, der mit ihnen übt und der sie ermutigt, in kleinen Schritten ein bisschen mehr von sich zu zeigen. Selbstmarketing braucht am Ende des Tages auch Mut: Ich zeige etwas von mir, und das könnte auf Ablehnung stoßen und vielleicht sogar andere verärgern. Ist es das? Hindert uns ein verstecktes Harmoniestreben am Schritt zum eigenen Profil? Müssten wir uns etwa dafür schämen, was beim Selbstmarketing zum Vorschein kommt? Oder sind wir einfach zu zögerlich, weil wir dann verletzlich werden, uns die Blöße geben könnten?

Typische Frauen-Branchen brauchen einen Selbstmarketing-Push!

Lasst uns mal einen Schritt weitergehen: Könnte es sein, dass es mitunter ganze Branchen oder Fachbereiche gibt, in denen die weibliche Zurückhaltung noch mehr kultiviert wird als in anderen? Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass Vertrieb und Marketing tendenziell eher nicht dazugehören (wobei es auch dort noch etwas zu tun gibt). HR zum Beispiel hat traditionell einen sehr hohen Frauenanteil. In der HR-Image Studie von Haufe aus dem Jahr 2013 zeichnet sich ein Bild ab, bei dem sowohl Mitarbeiterinnen aus anderen Bereichen als auch HR-Mitarbeiterinnen sich die Rolle als „strategischer Partner“ oder auch „Change-Agent“ zum größten Teil selbst absprechen. Ebenso wird Macht und Einfluss von HR-Bereichen, d.h. die Vertretung in obersten Entscheidungsgremien sowie die Einflussnahme auf wichtige Unternehmensentscheidungen, als eher gering eingestuft. 

PersonalerInnen sehen sich dort gerne als hilfsbereit, kompetent, vertrauenswürdig und sympathisch. Die Netten von nebenan. Aber nicht einmal das nehmen die Mitarbeiter des restlichen Unternehmens, laut dieser Studie, so positiv wahr. In meiner Karriere als Angestellte bin ich (damals tatsächlich
etwas ungewöhnlich) aus purem Interesse und der Leidenschaft für die Themen vom Marketing-Bereich in den HR-Bereich gewechselt und wurde allen Ernstes hinter vorgehaltener Hand gefragt, was ich denn bei „den Losern“ wolle. Könnte es also sein, dass gerade die fantastischen HR-Frauen viel zu wenig von sich und Ihrer Arbeit zeigen, um ernst genommen zu werden?

Wir sind aber nicht im Märchen

„Everybodys darling is everybodys Depp!“ – dieses Zitat wird Franz-Josef Strauß zugeschrieben, dem kernigen Urbayern, der sicher nicht nur Freunde hatte. Aber er hat recht: Beliebigkeit und Nettigkeit machen austauschbar. Gefunden und gefördert wird man für Einzigartigkeit und für ein mitunter auch polarisierendes Profil.

Dornröschen, der Inbegriff einer wunderschönen, zartgliedrigen und ewig weiblichen Märchenfigur, hat 100 Jahre geschlafen und so auf ihren Prinzen gewartet. Dieser hat sie dann mit einem Kuss erlöst. Möchtest du etwa auch so lange auf deine Beförderung oder auf dein neues Projekt warten? Und wäre es nicht schöner, sich aktiv denjenigen auszusuchen, der einen beruflich küssen soll? 

Ich freue mich auf eure Kommentare!

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