Foto: Caroline Pitzke

Juliane Leopold: „Meine Arbeit bei BuzzFeed war getan“

Was verleitet einen dazu, seinen Traumjob zu kündigen? Das haben wir Juliane Leopold gefragt, die als Chefredakteurin Buzzfeed Deutschland leitete und Anfang des Jahres beschloss, nach neuen Herausforderungen zu suchen.

 

„Ich blicke
nicht zurück“

Eineinhalb Jahre hat Juliane Leopold als Chefredakteurin BuzzFeed Deutschland geleitet, als sie zu Beginn des Jahres per Twitter verkündete, dass sie sich nun neuen Herausforderungen stellen will. Sie selbst bezeichnete ihren Job auch nach dem Weggang als den besten, den die deutsche Medienlandschaft zu bieten hatte. Wieso aber verlässt man diesen Traumjob? Wir haben mit ihr über ihre Entscheidung gesprochen.

Juliane, du
hast Anfang des Jahres deinen Job bei BuzzFeed Deutschland gekündigt. Ein
Traumjob, wie du sagst. Was hat ihn dazu gemacht und warum hast du ihn nun hinter
dir gelassen?

„Als ich im
Sommer 2014 die Chance ergriff, ein US-Startup hier in Deutschland aufzubauen,
war es die perfekte Gelegenheit für mich, den nächsten beruflichen Schritt zu
gehen. Ich habe selbst ein Team zusammengestellt, von der Pike auf
redaktionelle Arbeit aufgebaut und einen eigenen Standort für dieses Projekt
gesucht. Ich leistete Pionierarbeit. Dabei habe ich wahnsinnig viel gelernt
über Journalismus, Teamführung und datengetriebenes Arbeiten. Diese Erfahrungen
sind unglaublich wertvoll und bereichern mich beruflich aber auch persönlich. Doch für die Aufbauaufgabe bin ich gekommen,
diese Aufgabe habe ich erfüllt und nun ist es an der Zeit, neue Ziele zu
verfolgen.“

Online-Medien
setzen ein ziemliches Tempo vor. Welche Rolle hat der Stress bei deiner
Entscheidung gespielt? Die ständige Geschwindigkeit macht schließlich auch bei
erfahrenen Leuten das Schutzschild mal brüchig.

„Den Kampf
um das Publikum
kennen alle Journalisten, die wahrgenommen werden wollen.
Persönlich denke ich, dass Werte wie Genauigkeit und Originalität Online
mindestens genauso wichtig sind wie das richtige Timing für Artikel. Ich mache
mir keinen Stress und mit der Geschwindigkeit des Internets bin ich aufgewachsen.
Meine Arbeit macht mir Spaß und ich verstehe es, sie mir einzuteilen. Visionen
zu entwickeln fällt mir leicht und es gehört zu meinem Arbeitsstil, ohne
Schutzschilder zu arbeiten. Dank jahrelanger Berufserfahrung habe ich gute
Mechanismen entwickelt, um mit Anforderungen oder Druck umzugehen. Die besten
Ratgeber sind dabei mein Instinkt und meine Neugier. Ich frage mich immer: „Was
kann ich aus dieser Situation gerade lernen?“ Das Lernen steht immer im
Mittelpunkt. Dafür ist ein beweglicher Geist wichtig. Und ein beweglicher Geist
ist oft kaum zu trennen von einer Persönlichkeit, die Veränderungen nicht
scheut.“

Wie sah
eigentlich ein typischer Arbeitstag von dir aus?

„In der
Regel begannen meine Tage mit einem Blick in die Presse, in soziale Netzwerke
und mit der Analyse von Daten, die Auskunft über das Publikumsinteresse an
Artikeln gaben. In der Redaktion haben wir uns jeden Morgen zur Stehkonferenz zusammengesetzt, bei der ich als Chefredakteurin zum Beispiel Themen gesetzt habe und inhaltliche Impulse gab. Aufgaben wie das Redigieren von
Artikeln, die Kommunikation mit freien Autoren, die Repräsentation der
Redaktion nach außen sowie die Schnittstellenfunktion zu den anderen
Unternehmensteilen in den USA und den anderen Ländern waren auch Teil meines
täglichen Geschäfts.“

War es auch
diese Geschwindigkeit, die Möglichkeit in kurzer Zeit viel bewegen und machen
zu können, etwas, dass dich zuvor an dem Job besonders gereizt hat?

„Wie gesagt:
Die Frage nach dem möglichen Lernpotenzial in einer neuen beruflichen Situation
hat meinen Weg immer geprägt. Insofern waren die Möglichkeiten, redaktionelle Aufbauarbeit
zu leisten und ein eigenes Team aufzubauen für mich sehr wichtige
Antriebsfedern.“

Gab es für dich mal den Moment, in dem du dachtest, deinem Job eventuell nicht
mehr gerecht zu werden oder dass dich selber irgendwann zwischen der
nächsten Idee, der nächsten Veränderung und der besten Zeile verliert?

„Ich bin
sehr zufrieden mit meiner Arbeit in den vergangenen Jahren und mit den
Entscheidungen, die meinen Weg geebnet haben, beruflich und privat. Natürlich
gibt es Momente, in denen das Gefühl herrscht, an einer Weggabelung zu stehen
und Entscheidungen treffen zu müssen. Aber eine Bewegung, die dem eigenen
Instinkt entspricht, kann nie verkehrt sein. Auch, wenn sie aus der eigenen
Komfortzone
rausführt. Ich würde sagen: Gerade dann ist sie gut.“

Am Anfang
herrschte bei euch und bei dir sicher vor allem Aufbruchsstimmung und die Lust
am Gestalten. Wann hast du denn etwa geahnt, dass eine Kündigung das Beste für
dich wäre und wie schwer war es dann, das wirklich anzugehen?

„Mich auf
Leistungen auszuruhen und auf einem Stuhl zu kleben, war für mich noch nie eine
Motivation. Mein beruflicher Weg ist geprägt von dem Wunsch, die für mich
optimale Herausforderung zu wählen und diese selbst zu gestalten. Gleichzeitig
lege ich Wert auf Integrität und erfülle die Aufgaben, die ich übernommen habe.
Die Aufgabe, BuzzFeed in Deutschland aufzubauen, war Ende des Jahres geschafft.
Es begann eine neue Phase. Das war eine gute Gelegenheit, an dieser Weggabelung
innezuhalten und über den nächsten Schritt nachzudenken. Dieses Nachdenken
führte dann ganz organisch zu der Entscheidung, einen neuen Weg einzuschlagen.
Und gibt es eine bessere Bestätigung für eine erfolgreich geleistete Arbeit,
wenn man etwas soweit aufgebaut hat, dass man es getrost in andere Hände legen
kann?“

Hättest du früher merken sollen, dass deine Arbeit dort getan ist oder war jetzt der beste Zeitpunkt?

„Ich blicke
nicht zurück, ich blicke nach vorn. Es ist gut so, wie es ist.“

Hat dir diese Entscheidung Angst eingeflößt?

„Natürlich
kenne ich die Angst vor den Folgen einer beruflichen Veränderung. Aber ich habe
mir jahrelang so viel Kompetenz und Wissen erarbeitet, dass ich mit
Selbstbewusstsein in meine berufliche Zukunft blicken kann. Und Vieles, das mir
vielleicht ab und zu schlaflose Nächte macht, ist ohnehin nicht in meiner Hand.
Ob ich gesund bleibe und die Menschen, die mir wichtig sind, bei mir bleiben,
zum Beispiel. Ein bisschen Vertrauen, Optimismus und Pragmatismus sind wichtig.“

Was hast du
aus der Zeit, aber auch aus deinem Weggang für dich persönlich mitgenommen?

„Am
überraschendsten und erfreulichsten für mich an meinem zurückliegenden Job war
die Erfahrung, dass ich ein gutes Gespür für das Rekrutieren von tollen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern habe. Ich habe gelernt, wie viel Freude es
bringen kann, ein Team zu führen und Menschen auf ihrem beruflichen Weg zu
entwickeln. Das war ein riesiger Schritt in meiner Karriere und ich bin stolz
darauf, dass ich ihn geschafft habe. Noch dazu mit einem so großartigen Team
wie dem von BuzzFeed Deutschland.

Seit meinem
Weggang erfahre ich, wie spannend es sein kann, sich in neue berufliche
Optionen einzufühlen. Ich prüfe Angebote, führe Gespräche und bin wieder bei
meiner Frage: „Was ist der nächste Lerneffekt?“. Das ist auf seine Art wieder
aufregend und beglückend. Ich strecke meine Zehen außerdem parallel in Richtung
Freiberuflichkeit aus und arbeite als Beraterin für Medienunternehmen im In-
und Ausland, die von meinem Wissen profitieren wollen. Auch diese Art von Job
ist extrem spannend und neu für mich und auch hier stecken Lerneffekte, die mir
Freude bereiten.“

Man
schreibt sich selbst meist ziemlich schnell ein Scheitern zu, wenn der
Lebensweg mal anders verläuft, als eigentlich geplant. Empfindest du deinen
Weggang selbst als Niederlage? Oder eher als Befreiungsschlag, weil nun Neues
kommen kann?

„Ich
glaube, wir sollten Veränderungen immer als Chance sehen, etwas über uns und
unseren Weg zu lernen. Ich bin zutiefst überzeugt: Am Ende geht es bei jeder
Entscheidung, die wir treffen, darum, möglichst mit uns selbst im Reinen zu
bleiben. Die Entscheidung, die für den einen richtig ist, mag für den anderen
unverständlich sein oder sogar wie ein Scheitern aussehen. Aber am Ende unseres
Lebens werden wir uns nicht fragen, ob wir immer das gemacht haben, was für
andere plausibel oder erfolgreich erschien. Wir werden uns fragen, ob wir unser
Bestes gegeben haben, ob wir mutig neue Wege beschritten haben und ob wir
glücklich sind. Das sind zumindest die Fragen, die meine Leitsterne sind, wenn
ich Entscheidungen für mein Leben treffe.“

Hast du
einen Tipp für Leute, die damit hadern ob der aktuelle Job noch der richtige
ist? Was kann einem bei der Entscheidung helfen – gerade wenn man den Job und
das Team eigentlich mag, aber merkt: Ich brauche neue Ufer?

„Ich nutze
grundsätzlich drei wichtige Faktoren in der Bewertung einer beruflichen
Situation: Erstens das Gehalt, zweitens der Job selbst, drittens die Berichtsstruktur bzw. das
Verhältnis zum/zur Vorgesetzten. Beim letzten Punkt sollte man sich die Fragen
stellen: Habe ich die Chance, aufzusteigen und wenn ja, in welchem zeitlichen
Rahmen? Bei der Frage nach dem Job und den Tätigkeiten selbst stellt sich für
mich, wie gesagt, die Frage nach der Lernkurve. Lerne ich hier, was ich
interessant und relevant für mein Berufsfeld finde? Welche Themenimpulse könnte
ich setzen? Gibt es eine Offenheit für neue Wissensgebiete, etwa durch die
Möglichkeit, sich regelmäßig weiterzubilden und das neue Wissen mit dem Team zu
teilen?

Die Frage
nach dem Gehalt ist recht selbsterklärend – verdiene ich angemessen? Wie sieht
mein Verdienst im Vergleich zu meiner Branche und vor allem zu Männern auf der
gleichen beruflichen Ebene und mit ähnlicher Berufserfahrung aus? Eine Studie
von Price Waterhouse Coopers hat gezeigt, dass weibliche Millenials vor allem
von Lohngerechtigkeit motiviert sind, wenn sie einen Job suchen. Diese
Erkenntnis finde ich wichtig und ich hoffe, dass die Unternehmen sie auch
verinnerlichen, wenn sie Fachkräfte suchen.“

Von der
Auszeit im Regenwald bis zum Chefposten bei einem digitalen oder Print- Medium.
Was wäre jetzt das schönste Angebot, dass man dir unterbreiten könnte?

„Vielleicht
Chefredakteurin im Regenwald?“ (lacht)

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