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Vom frühen Vogel und Kollegenschweinen: Der ganz normale Bürowahnsinn

Gleitzeit, die keiner nutzen darf, Kollegenschweine und die Kleinkariertheit der großen Unternehmen: Tja Freunde, so sieht er aus, der ganz normale Bürowahnsinn. Annelie erzählt von ihren Erfahrungen im Büro-Dschungel.

 

Klar haben wir Gleitzeit! Aber nutzt das bitte nicht.

Mir fällt es unglaublich schwer, früh aufzustehen. Während
meiner Ausbildung erschien ich manchmal nicht vor zehn Uhr im Büro. Niemand
sagte etwas. Und niemand schien zu realisieren, dass ich dann auch bis sieben
Uhr am Abend blieb. Am Ende der Ausbildung hieß es, dass nur ein Azubi
übernommen wird. Das war nicht ich. Ich punktete stets mit großer Sympathie und
es gab nichts zu meckern mit meiner Leistung. Aber das späte Kommen, dass hatte
eine Konsequenz.

Es stellte mich in ein schlechtes Licht obwohl ich mir nichts
zu Schulden kommen ließ. Viele meiner Kollegen waren bereits um sechs oder
sieben Uhr im Büro und um vierzehn Uhr schon wieder weg. Ich verstehe bis heute
nicht, wie diese Arbeitszeit positiv toleriert werden konnte, wo doch die
Erfahrung im Arbeitsleben zeigt, dass das Business erst zwischen neun und zehn
Uhr wirklich startet und man dann auch erst Menschen in ihren Büros erreicht,
gerade wenn man viel mit Kunden und Geschäftspartnern zu tun hat.

Gleitzeit, so nennt sich das Modell, das angeblich für den
nine-to-five-Job“ flexible Arbeitszeiten schafft. Für meine Bedürfnisse waren
diese nie wirklich flexibel. Wenn es keine Termine gab, keine Kundenbesuche, warum
sollte ich dann Punkt acht Uhr im Büro sitzen, wenn man doch im Notfall sowieso
über das Smartphone erreichbar ist? Oftmals ging es nur ums Prinzip. Einfach
früh da sein, um Präsenz zu zeigen, egal ob das Tagesgeschäft erst später
beginnt.

Wenn nicht der Chef nervt, sondern die Kollegenschweine

Und weil ich ein kleiner Rebell bin, gab es diesbezüglich auch
immer wieder Diskussionen mit meinen Vorgesetzten. Jedoch beschwerte sich
niemals ein Geschäftskontakt oder einer meiner Chefs, ich wäre nicht erreichbar
gewesen. Nein, die Leute, die etwas zu monieren hatten und anschwärzten, waren
stets Personen aus den eigenen Reihen: Kollegenschweine! Denen passte es
einfach nicht, dass ich mich nicht strikt an die starren Zeitpläne hielt.

Meine Chefs berichteten mir, man hätte verzweifelt versucht
mich um neun Uhr anzurufen und keiner
wäre rangegangen. Dass ich um zehn nach neun zurück rief und sich dann wiederum keiner
meldete, wurde nicht erwähnt. Zumal es sich am Ende immer um Themen handelte,
die keine Eile boten und es mir völlig unbegreiflich war, wieso deswegen gleich
eine Welle des Unverständnisses losging. Ich musste mich manchmal wirklich
zusammenreißen, um nicht auszuflippen über diese Kleinkariertheit in sämtlichen
größeren Unternehmen, in denen ich bisher tätig war.

Neues Hobby: Kollegen überwachen

Mit der Zeit fiel mir vor
allem eins auf: Es scheint ein großes Hobby zu sein, permanent auf den Kollegen
und dessen Verhalten zu schauen. Da werden richtige Fragekataloge erstellt:

Wann kommt sie morgens? Was hat sie an? Wie lange macht sie Mittagspause?
Mit wem geht sie essen? Wohin geht sie essen? Wie kann DIE sich das leisten?
Wohin fährt sie in den Urlaub? Warum unterhält sie sich mit Führungskraft XY?
Warum war die Bürotür zwischen elf und zwölf  Uhr geschlossen?

Bei soviel Hingabe, die Gewohnheiten des Kollegen zu
erforschen, fragte ich mich natürlich auch, was denn diese besagten Personen
überhaupt den ganzen Tag so arbeiten?! Das Phänomen des Vergleiches zieht sich durch
das komplette Arbeitsleben. Menschen schauen gern beim Bürotischnachbarn, was
der alles für Vorzüge hat. Was leistet er für Arbeit und bekommt er womöglich mehr
Gehalt als man selbst? Wann kommt er und wann macht er Feierabend? Immer gibt
es etwas, dass die anderen haben und man selbst auch beanspruchen möchte, sonst
wäre es womöglich noch ungerecht. Vergleiche machen am Ende nur eines:
unglücklich!

Doch die Kunst ist es, mit den Augen bei sich zu bleiben und das, was
man hat, wertzuschätzen. Und wenn man sich ungerecht behandelt fühlt, spricht
man mit seinem Vorgesetzen aber lässt es nicht am Kollegen aus, der gar nichts
dafür kann. Jeder hat die Freiheit, Dinge zu verhandeln und zu verändern.

Was, Veränderungen? Nein, das ist uns nicht geheuer!

So erlebte ich bei anderen Kollegen und am eigenen Leibe
immer wieder, wie hinter dem Rücken jede Handlung auseinander genommen wurde.
Meistens waren es die Ur-Angestellten, die keinen Raum für Kreativität und neue
Denkweisen ließen und mir ihre für sich aufgestellten Regeln aufzwangen weil
diese für Allgemeingültig erklärt wurden. Aber auch bei jüngeren Mitarbeitern
bekam ich oft genug mit, wie diese stets etwas an anderen auszusetzen hatten.
Manchmal frage ich mich, woher diese Verhaltensweisen kommen? Mich hat es nie
interessiert, wenn jemand mal dreißig Minuten länger in der Pause war oder an
einem Freitag schon früher nach Hause geht, in der Toilette anscheinend Groß
gemacht hat oder schon den fünften Kaffee trinkt. Solange jeder seinen Aufgaben
erledigt können alle von mir aus auch zwei Stunden Mittagsschlaf auf dem Boden
machen.

Diese Erkenntnis ließ mich wirklich viel Nachdenken, wo ich
mich in Zukunft sehe. Ich habe mich in Strukturen eingefügt, um Veränderungen
gekämpft, Dinge hingenommen und akzeptiert und festgestellt, dass ich selbst
schon ein wenig wie das bin, was ich kritisiere: (alt)eingesessen!

Und wenn du das feststellst, gibt es eigentlich nur noch
einen Weg: Raus aus der Bequemlichkeit, raus aus dem Unternehmen und etwas
finden, dass besser zu dir passt. Momentan sitze ich in einem kleinen schönen
Designerladen und verkaufe Kleidung und Schmuck. Da fragt mich keiner was ich
verdiene sondern was sie bezahlen müssen. Berlin bietet so wunderbare
Möglichkeiten, sich beruflich auszutesten. Zwar spielt Geld immer eine Rolle,
aber ich habe gelernt, sparsam zu sein und die Geldnot macht auch manchmal
erfinderisch, aber das ist ein anderes Thema. So sagte ich „Auf Wiedersehen“
zum Gewohnten, denn eins ist sicher: Der frühe Vogel fängt auch nicht immer den
Wurm!

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